Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Samstag, 13. November 1841

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Absolute Chronologie

Vorausgehend

Folgend


Korrespondenzstelle

Vorausgehend

Folgend

Wenn ich nicht regelmässig schreibe meine lieben Kinder so glaubt doch ja niemals dass Liebe und Theilnahme in meinem Herzen sich je vermindern, dass ich je aufhören könnte Euch beide innig zu lieben. Aber an liebe Freunde schreiben muss man, wie man betet, nehmlich nur dann wenn das Herz dazu treibt, nicht weil es eben Sontag ist und man in die Kirche gehen muss. Ich kome ja auch so zu Euch Ihr Lieben, wie ich zu Gott komme, und schütte mein Herz vor Euch aus, und hoffe Trost und hoffe Hülfe von Euch. Habt Ihr das nicht in meinem letzten Briefe gesehen? Hatt das Mutterherz nicht ohne Rückhalt all seine Sorgen mit Euch getheilt? — Gott sey gelobt dass der Sturm vorrüber ist, dass mein Max einsehen gelernt hat dass solch elende, flüchtige Freuden nicht beglücken, dass sie den innern Frieden gänzlich zerstören. Die Person ist nach Wien gereisst, und ich hoffe zu Gott, dass sie Dresdens Mauern nicht wieder betritt. Wohl war es nöthig meine Kinder dass mir von dieser Seite wieder Ruhe geschenkt wurde, denn von anderer Seite erlebe ich wieder Etwas was mir fast unerklärbar ist, und was ich noch nicht zu glauben vermag. Denkt nur Ihr Lieben, dass mir vor einiger Zeit Winkler, unter dem Siegel der Verschwiegenheit vertraute, Meierbeer habe ihm bey seiner Anwesenheit hier eröffnet es sey ihm ganz unmöglich die Oper für uns zu machen. Winkler habe in Folge dessen nach Paris an ihn geschrieben und ihn ersucht die Entwürfe, so wie sie sind heraus zu geben, und den Kindern einen kleinen Schadenersatz zukommen zu lassen. Ich war wie vom Donner gerührt, und sprach gleich mit den Kindern deren Angelegenheit es einzig ist, weil ich auf jeden Theil an der Oper verzichte. Max, als er von schadlos haltung, oder Schaden vergüten hörte, war ausser sich, und ich musste in seinem Namen dem Winkler erklären „er werde nie etwas von Meyerbeer annehmen, müsse aber darauf dringen dass nun M.. sich bestimmt erkläre ob er die Oper machen wolle oder nicht, im letzten Fall mögte dann die Welt seine Handlungsweise richten[]. Ich gestehe Euch meine Lieben, dass mir die Sache verdächtig vorkömmt, und dass ich Winkler wieder einmal nicht trau. Ich kann mich nicht so aussprechen was ich denke, aber seine Handlungsweise, bey dem Wunsch von Dresdens Bürger, Webers Asche zu besitzen! hat mich einen tiefen Blick in sein neidisches Herz thun lassen. Wenn ich nun wüste ob es gut wäre dass ich selbst an Meyerbeer schriebe? aber Winkler vertraute mir die Sache gegen den Willen Meyerbeers an, wie er sagt, und verbot mir etwas gegen ihn davon merken zu lassen. Das gerade ist’s aber was mich stutzig macht, und worin ich wieder eine Falschheit und zweydeutige Handlungsweise sehe. Warum sagt er es mir wenn er nicht soll und muss ich es nicht erfahren wenn es Mey. wirklich so gesagt hat? Oder hat er ihm blos den Auftrag gegeben mit uns zu unterhandlen will er mit guter Manier seines Wortes entbunden sein und benutzt dazu den W. und seinen Einfluss als Vormund. Die ganze Sache liegt mir schwer auf dem Herzen, denn ich hatte ja gar keine Ahdnung, nach allem, was M. selbst mit mir gesprochen, dass es noch so kommen könnte. Für die Nächsten Jahre hoffte ich so sicher den Max reisen lassen zu können was natürlich unterbleiben muss wenn die Oper unvollendet bleibt, auch wird Max’ens ganze Zukunft dadurch getrübt denn Maschienen Meister oder Locomotievenführer sollte doch eigendlich Webers Sohn nicht werden oder bleiben — doch, wie Gott will! besser Max und Alex müssen sich plagen und behelfen als sie nehmen ein Almosen von Herrn Meyerbeer obgleich wir mit guten Recht sagen können „er hat uns um wenigstens 6000 Thaler gebracht.[]

Ob es ihm Segen bringen wird? wer weiss! Sehen Sie, lieber Jähns, den Geheimrath, so erzählen Sie ihm doch die ganze Sache, villeicht spricht der einmal mit Beers, und hört ob mich Winkler nicht wieder betrogen hat. Auf jeden Fall thäte auch Meyerbeer besser ihm nicht mehr zu vertrauen, denn verschwiegen ist W. gar nicht und schon jetzt spricht Alles von der Sache, und man ist empört über Meyerbeers Wortbrüchigkeit. Ja, solche Freunde sind etwas werth die den Mantel nach jeden Winde hängen, und jeden nach dem Munde schwazen —. Doch ich habe Euch wieder einmal recht vorgeklagt ihr armen Leute, aber Ihr könnte denken dass ich von der Sache sehr erfüllt bin und mir keinen Rath weiss. Bitte, Jähns, sprechen Sie mit Lichtenstein, ich traue mich nicht ihn mit einen Brief zu belästigen, und doch hörte ich gern seine Ansicht über die Sache. Doch nun zu Ihren Brief. Auch Ihr habt Noth und Sorgen gehabt meine armen Kinder, doch ich hoffe zu Gott, dass die böse Zeit überstanden ist, wenigstens scheint Ihre Stimmung wieder heiterer. Halten Sie sich brav lieber Jähns, und vor Allen haben Sie guten Muth. Die Messen lieber Freund sind beide an Hasslinger verkauft aber ich glaube, bis jetzt, nur eine gestochen*. Stimmen haben wir nie dazu gehabt, das war ein Irrthum von Ihnen. Gern sollen Sie auch die andere Messe bekomen, ich will mir sie von Rothe geben lassen, Auch wegen dem Klavierauszug soll Anfrage geschehen. Wegen den Tagebücher lieber Freund bin ich recht ängstlich gemacht worden, und ich getraue mich hierüber noch nichts zu verfügen. Nach meinem Tode könnt Ihr, und die Kinder machen was ihr wollt, und was Ihr zu verantworten gedenkt. Nur Ihnen würde ich die Tagebücher vertrauen, wenn ich das Recht hätte. Max fähr[t] jetzt ununterbrochen auf der Locomotive von Leipzig bis Dresden und freut sich auch diesen Zweig seiner Wissenschaft kennen zu lernen. Mich ängstigt die Sache, aber ich lasse mir es nicht merken. Der Page Alex entwikelt seit kurzen ein neues Talent er singt nehmlich — Ja staunt nur, er singt, und singt gar nicht schlecht. Wunderbar hat sich seit ein paar Monaten eine Stimme bey ihm eingefunden und er singt mit Leidenschaft Er besingt seine theure Herrin.

Max ist die Woche mehremal über Nacht in Dresden, kömt aber immer todmüde hier an. Idas Brief hat er mitgenomen und wird ihn bewahren wie es diese aus treuen Herzen komende Zeile verdienen. Villeicht komt Max bald in Auftrag der Eisenbahn Comité nach Berlin. Er freut sich schon herzlich darauf. Ob aber Mutter Weber zum Weihnachtsfest wird kommen können, das ist höchst unwahrscheinlich meine Lieben, und werde ich wohl den Sommer abwarten müssen ehe ich Euch wiedersehe. Der arme Brauer ist seit ein paar Tagen recht unglücklich denn sein Bruder Fritz* hat ein bösartiges Nervenfieber, und um das Unglück vollständig zu machen, sind Mutter und Schwester verreist und er ist mit dem Kranken allein — Ja das ist auch ein Pechvogel, dem fliegen die gebratenen Tauben wieder aus dem Munde heraus wenn er denkt er darf nur zumachen.

Doch nun genug für heute. Gott erhalte Euch alle gesund und froh
Gedenkt mit Liebe Eurer Mutter Weber

Alex grüsst herzlich
Küsst die Kinder herzlich, und grüsst die ganze Familie.

Apparat

Zusammenfassung

klagt ihm ihr Leid über eine angebliche von Winkler überbrachte Äußerung Meyerbeers, dass er die Oper nicht vollenden werde; weiß nicht, was sie davon halten soll, misstraut Winkler; dieser habe an Meyerbeer geschrieben, die Entwürfe – so wie sie sind – herauszugeben und die Familie zu entschädigen; Max Maria von Weber lehnt aber jedes „Almosen“ ab; bittet J. mit Lichtenstein über die Angelegenheit zu sprechen; Erörterung einer Anfrage von J. über die beiden Messen, sie will sich die andere Messe von Roth geben lassen und ihm senden; über die Tagebücher will sie nichts entscheiden, erst nach ihrem Tode soll darüber befunden werden, von ihr aus sollte sie J. bekommen; persönliche Mitteilungen über Max Maria von Weber und Alexander (hat seine Singstimme entdeckt)

Incipit

Wenn ich nicht regelmäßig schreibe

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. App. 2097, 67

    Quellenbeschreibung

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 66 des Konvoluts)
    • 6 S.
    • auf S. 1 Vermerk „Empfangen den 13. Nov. 41.“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Weberiana 27 (2017), S. 71f. (Auszug)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… bis jetzt, nur eine gestochen“Die G-Dur-Messe war 1835 bei Haslinger in Partitur und Stimmen erschienen; der Stimmen-Erstdruck der Es-Dur-Messe erschien erst 1844.
    • „… unglücklich denn sein Bruder Fritz“Der Lithograph F. T. Brauer.

      XML

      Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
      so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.