Ignaz Franz Castelli an Friedrich Kind in Dresden
Wien, Dienstag, 13. November 1821

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Herrn Hofrath Kind

in

Dresden.

Sehr werther Freund!

Vielen Dank für die mir übersandten beyden lieblichen Gedichte. Das Reh wird Salieri componiren. Ich werde beyde Blümlein in meinem kleinen Gärtchen von einander abgesondert, /: nach Ihrem Verlangen :/ placiren.

Der Freyschütz ist gegeben, jämmerlich zusammengeschnitten gegeben, in einer Zeit gegeben, wo man den italienischen Firlefanz höher achtet, als alles Hohe und Heilige der Kunst und dennoch hat er außerordentlich bey der ersten, und noch immer unbegränzter nach jeder folgenden Vorstellung, deren bereits 5 statt gehabt haben, gefallen. Wie man Ihr Buch verbalhornen mußte, ich sage mußte, denn die Censur litt es nicht anderst, davon können Sie sich aus folgenden Andeutungen überzeugen. Geschossen wird im Freyschützen nicht mit Kugeln, – sondern mit – – Polzen. Es werden also in der Wolfsschlucht auch keine Kugeln gegossen, sondern Polzen aus einem Zauberbaume genommen. Die Jäger erscheinen mit Armbrüsten. Das böse Wesen darf gar nicht erscheinen, woher so Manches der Handlung im Dunkel bleibt und besonders der Schluß unverständlich wird. Weber hat seine charakteristischen Paukenschläge bey dem jedesmahligen Erscheinen des Teufels für uns ganz ohne Wirkung angebracht. So weit geht es bey uns daß man auf der Bühne nicht einmahl mehr ein paar Schüsse machen darf um ja nicht etwa ein paar Hofdamen, welche im Theater in süßen Schlaf gefallen sind, daraus aufzuschrecken. Sie thun auf jeden Fall wohl daran, wenn Sie das Buch je eher, je lieber drucken lassen. Webern bitte ich Sie in meinem Nahmen zu sagen er habe einen vollendeten Sieg über den musikalischen Zucker unserer Zeit davon getragen, und Kenner und Layen vereinigen sich zu seinem Lobe. Ich wünsche ihm Glück dazu.

Die Muse erhalt’ ich richtig, aber das Taschenbuch fehlt mir noch.

Mit neuem Jahre, wenn mein Convers: Blatt aufhöhrt rechnen Sie auf meine thätigste Mitwirkung bey allen Ihren Unternehmungen.

Ewig der Ihrige IFCastelli.

Apparat

Zusammenfassung

dankt für Übersendung 2er Gedichte, das „Reh“ werde Salieri komponieren; ausführlich über die Wiener Aufführung des Freischütz, der durch die Zensur sehr verstümmelt sei; statt Kugeln werden Bolzen geschnitten u. mit Armbrüsten geschossen; der Teufel dürfe nicht erscheinen, daher seien die „charakteristischen Paukenschläge“ ohne Wirkung; Kind solle doch das Buch schnellstmöglich drucken lassen; er solle Weber von dem Erfolg berichten; erwähnt, dass 1822 sein Conversationsblatt aufhöre

Incipit

Vielen Dank für die mir übersandten beyden lieblichen Gedichte

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Wien (A), Wienbibliothek im Rathaus (A-Wst)
    Signatur: H.I.N. 3734

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Castelli, I. F., Memoiren meines Lebens. Erfundenes und Empfundenes. Erlebtes und Erstrebtes, hg. von Josef Bindtner, München 1913, Bd. 1, S. 481–482 (nur Auszug)

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