Anton Bernhard Fürstenau an Carl August Böttiger in Dresden
London, Donnerstag, 13. April 1826

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Geehrter Herr Hofrath!

Ihrem Wunsche und meinem Versprechen zu erfüllen unterlasse ich nicht, Ihnen den Erfolg von Webers Oberon mitzutheilen, nur muß ich bitten, mit meinem geschreibsel zufrieden zu sein, da ich wohl verstehe, in Tönen, nur nicht in Worten zu sprechen. – Das Herrn von Weber bey seinem ersten öffentlichen Erscheinen die glänzendste Aufnahme wiederfuhr, wird Fama Ihnen schon mitgetheilt haben, doch nichts gleicht dem Jubel, womit er gestern, als den 12. April empfangen wurde, als er ins Orchester trat, um seinen Oberon zu dirigieren. Das schon seid mehreren Wochen alle Plätze im Theater vergeben waren, können Sie leicht denken, und daher eine ungeheuere Anzahl von Menschen versammelt. Damen schwenkten mit Tüchern und Herren mit Hüthen, und Weber suchte vergebens die Ouverture anzufangen. Endlich wurde es ruhig, und eine Todesstille herrschte im ganzen Hause. Die Ouverture (ein Meisterstück, gleich der Freischütz Ouv:) wurde herrlich ausgeführt, indessen mit dem letzten Strich der Instrumente, ging der Jubel von vorne wieder an, und legte sich nicht eher, als bis Weber auf immerwährendes Dacapo-Rufen, dieselbe noch einmal gab. – Ihnen nun jedes Musikstück anzuführen, würde zu umständlich sein, und es sey genug, wenn ich Ihnen sage, das jede Nummer mit dem lebhaftesten Beifall aufgenommen wurde, und dieser sich bis zum Ende der Oper immer steigerte, und das ausser der Ouverture noch die große Tenor Scene im ltn, das Quartett im 2n und die Arie der Fatime im 3n Akt wiederholt werden mußten, zu gedenken, das mehre Stücke hinsichtlich der Verwandlungen, obgleich es dringend gewünscht wurde, nicht wiederholt werden konnten. Der Jubel begleitete Weber aus dem Orchester, und legte sich nicht früher, als bis Weber noch einmahl auf dem Theater, geführt vom Regisseur, erschien.

Ein Urtheil über die Musik selbst werden Sie mir erlassen, weil ich mich unfähig fühle, ein Werk wie dieses, und überhaupt nach einer Vorstellung, würdig zu schätzen, doch so viel, das die Musik sehr Klar und Verständlich und selbst dem nicht Musikkenner ist, mich hat sie wahrhaft Entzückt, Begeistert und Ergriffen. – Übrigens ist die Oper durch Pracht und Glanz herrlich ausgestattet, und ich muß gestehen, das ich dergleichen ähnliches niemahls sah, obgleich ich die bedeutendsten Theater Europas besuchte. Das interessanteste ist der Sturm, der Sonnenaufgang (herrlich durch Webers Töne dargestellt) der Mondenaufgang, die Darstellung des Hafens und die Ansicht von Babilon. – Das Meer wird auf eine täuschende Weise dem Auge mitgetheilt, so wie die Landung eines Korsaren Schiffes, wodurch die Geliebte des Hüon geraubt wird. Hüon, welcher gebunden am Ufer des Meeres zurück bleibt, entschläft, und durch Oberons Zauberkraft umwachsen ihn Blumen und alle mögliche Stauden – Gewächse. Nun beginnt eine reizende Musik, und allmählich füllt sich Meer und Bühne mit Elfen und Silven, welche durch Gesang und Tanz entzücken. Alles wurde herrlich gegeben und erhielt durch die vorzüglich reizende Musik einen Anstrich des überirdischen, und man glaubt nicht mehr auf dieser Welt zu sein, wird nur erst dann zurück gerufen, wenn der Vorhang fällt, und der Jubel des Publikums erschallet.

Sie ersehen aus allem diesen das die Oper einen der glänzendsten Succes gehabt hat, und wird nun lange Zeit tagtäglich hintereinander gegeben werden. Obgleich man in Deutschland und auch in anderen Ländern den Engländern einen schlechten Geschmack für Musik andichtet, so fand ich doch das Gegentheil; denn das wahrhaft Gute und Schöne wird hier sehr geschätzt, und die Deutschen mögen nur ruhig sein, und nicht auf ihrem Urtheil zu sehr pochen, den wie manches Gute findet schweren Eingang, wogegen so manches flatterhaft Fremde Goutiert wird.

Ihre Freu[n]de, an welche Sie die Güte hatten mich zu Empfehlen, übergab ich Ihre Briefe, hatte aber noch keine Gelegenheit, dieselben wieder zu sehen.

Ich empfehle mich Ihrem freundlichen Andenken, und bitte nicht zu vergessen Ihren ergebenen
A. B. Fürstenau.
103 great Portland Street, Portland Place. London.

Den 14n Gestern war die 2. Vorstellung des Oberons, und Weber abermals gerufen, und der Beifall ungetheilt

Apparat

Zusammenfassung

detaillierter Bericht über die Uraufführung des Oberon in London, die Reaktionen des Publikums, den großen Erfolg Webers; über den musikalischen Geschmack in England

Incipit

Ihrem Wunsche und meinem Versprechen zu erfüllen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. App. 37, 218, 15

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Kopie: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
      Signatur: Weberiana Cl. V (Mappe XIX), Abt. 5 C, Nr. 89 A
    • Schmidt, Ludwig: „Briefe von und über Carl Maria von Weber“, in: ZIMG 3. Jg 1901/2, S. 93–99
  • 2. Textzeuge: Schneeberger, Bernhard Maria Heinrich: Die Musikerfamilie Fürstenau. Untersuchungen zu Leben und Werk, Teil I, Münster u. Hamburg 1992, S. 271–273

Textkonstitution

Textwiedergabe vorläufig nach Schneeberger

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