Aufführungsbericht Leipzig: Preciosa, zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät des Königs am 23. Dezember 1822 (Teil 1 von 2)

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Aus Leipzig.

(Fortsetzung.)

[…]

Zur Feier des Geburtfestes Sr. Majestät unsers allergnädigsten Königs erschien zum ersten Male auf unserer Bühne: Preziosa, Schauspiel in 4 Akten mit Gesang und Tanz von Pius Alexander Wolff. Das Publikum nahm diese Darstellung um so günstiger auf, da es sich schon lange auf ein Stück gefreut hatte, das seines rhythmischen Redeklanges und der von Carl Maria v. Weber dazu componirten trefflichen Melodieen wegen, auf mehreren deutschen Theatern gerechten Beifall fand. Wo Euterpe und Terpsichore an Thaliens Hand mehr Auge und Ohr bestrickend, als gemühterschütternd, leicht und grazienhaft vorüber schweben, darf man auf keine große Charakterbildungen oder jene Theilnahme Ansprüche machen, die eine kunstreich verflochtene Fabel erweckt. Und dennoch gelang es dem Dichter, in diesem, die äußern Sinne hauptsächlich in Anspruch nehmenden Drama, einige hervorstechende Charaktere zu zeichnen. Mit wenig Pinselstrichen malt er uns z. B. in dem Polizeimeister Don Contreras und seiner Dulzinea Donna Petronella ein kleines lebendiges Bildchen, mit Bettelstolz gepaarter spanischer Grandezza, und in dem Schloßhauptmann Pedro eine Art von Don Quixote de la Mancha, dessen Erzählung von der „großen Retirade“, gepaart mit seinem „Donnerwetter!“ höchst komisch wirkt. Auch die Zigeunermutter ist eine lebendige, charaktervolle Figur des ganzen Bildes. Der verehrte Dichter würde zufrieden gewesen seyn, wenn er Mad. Schmelka in dieser Rolle gesehen hätte. Nicht allein das Aeußere, sondern auch Ton und Haltung, die kupplerartige Freundlichkeit gegen ihr Preziöschen und den verliebten Ritter, das schlaue und sklavische Verbeugen gegen die Glieder der beiden vornehmen Häuser, alles dieß und hundert andere kleine Schattirungen beweisen, daß die Darstellerin die Rolle vortrefflich aufgefaßt habe. Nicht minder brav erschienen uns die Hrn. Brand und Koch als Don Contreras und Pedro. Nicht alle Figuren des dramatischen Gemäldes strahlen objectiv wie die genannten hervor, doch ward von keinen der Darsteller etwas unterlassen, den ihnen zugetheilten Charakter durch passendes Spiel zu heben. Der Dichter soll, wie wir hören, das früher in Prosa geschriebene Stück überarbeitet haben. Die Mode, spanischen Klang auf deutsche Breter zu pflanzen, verführte ihn, sich des gereimten trochaischen Tetrameters zu bedienen, wobei es ihm schwer werden mußte, nicht an der Klippe der Reimsucht zu scheitern. Wir gestehen, daß er im Wohlklang der Verse den beßten der neuern Dichter an die Seite zu sezten ist, aber wenn z. B. die an Calderon erinnernde Schilderung von Preziosa’s Reizen in dem Munde des Zigeunerhauptmanns (durch Herrn Jerrmann brav, nicht salzsiederisch* dargestellt) poetisch klingt, so sticht sie doppelt gegen das Rohe ab, woraus der übrige Theil des Charakters geweht ist und nothwendig seyn muß.

(Der Beschluß folgt.)

K.

[Originale Fußnoten]

  • *)Man sehe unsern letzten Bericht.

Apparat

Zusammenfassung

„Aus Leipzig“, Fortsetzung, darin: Preciosa, zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät des Königs

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Ran Mo

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 7, Nr. 3 (3. Januar 1823), S. 12

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