Friedrich Wilhelm Jähns an Emilie von Gleichen-Rußwurm in Schloß Greiffenstein ob Bonnland (Unterfranken)
Berlin, Freitag, 10. Dezember 1869
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- 1869-11-08: an eine Zeitungsredaktion
- 1869-11-30: von Paul
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- 1869-12-31: an einen französischen Verleger
- 1869-12-17: von Gleichen-Rußwurm
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Hochverehrte Frau Baronin.
Gewiß werden Sie mir schon zürnen; denn so viel Zeichen von unwandelbarer Güte und unverdienter Geneigtheit zu empfangen und darüber drei Wochen vergehen zu lassen ohne ein Wort der Freude und des Dankes, das ist mindestens ein Gegenstand gerechter Verwunderung. Aber Verzeihung! Gnade! Diesmal war die Sonne daran Schuld, die uns der düstre November – diesmal zu gering zumaß, gleichsam als wolle er uns Deutschen daran erinnern, daß er uns einst unsren sonnigsten Stolz hatte auferstehen lassen, unsern Schiller; aber er hat es doch mit seiner Tochter diesmal allzuscharf genommen und wollte mit seiner Sonne hinter Wolken durchaus die Schiller-Sonne nicht fertig malen, die ich meinem Briefe an seine Tochter hinzufügen wollte. Der Dezember hat es nun gut gemacht, was er verbrach und nun kommt mein froher, schönster, Freudeerfülltester Dank im Verein mit dem was seine Sonne endlich vollendet hat: Das Schiller-Denkmal, vorläufig, noch getrennt, in seinen einzelnen Theilen, und weit weit, weit hinter seinem Originale zurückstehend, aber doch in der jetzt allein nur möglichen Form, und in dem einzigen Exemplar, was sich bis jetzt außer in des Verfertigers Händen, nun in denen befindet, die vor Allen Übrigen der Welt das nächste Anrecht darauf haben, in den Ihrigen! – was mich sehr glücklich macht.
Erfüllt von der großen Freude, die Ihr theurer Brief vom vorigen 15. in Verbindung mit Ihren köstlichen Gaben, den endlen Werken des Unsterblichen und dem lieblichen Bilde seines Urenkelchens, in uns hier hervorrufen mußte, war mein Sinnen darauf gerichtet, Ihnen eine- bildliche Darstellung des Monumentes herbeizuschaffen. Der einzige Photograph, der es hier erst photographiren durfte, H: Carl Günther, war aber durch das düstre Wetter des Novembers u. Octobers verhindert, einigermaßen genügende Bilder von den getrennten Theilen des Monumentes herzustellen, zumal sie sämmtlich in dem engen Raum des Ateliers zusammengedrängt stehen. Erst vor einigen Tagen ist er damit fertig geworden; es ist bis jetzt noch in keines Menschen Hand als in den Ihrigen, da es vorläufig längere Zeit noch nicht in den Handel kommt, auch Begas, der jetzt in Rom, selbst noch nicht einmal die Erlaubniß zur Veröffentlichung gegeben hat. Ihnen aber übergiebt er H: Günther auf meine Bitte diese Erstlinge der in späterer Zeit zu Hunderttausenden nachfolgenden Photographieen, wenn das Monument, aufgestellt, einem Jeden zugänglich geworden sein wird. Da ich den Hn. Günther früher gar nicht kannte, so ist das sehr freundlich gegen mich von ihm gehandelt, obwohl ich darin persönlich für mich keine Bevorzugung annehmen darf, da ich nur der glückliche Erbitter war, und seine Gabe nur Ihnen und einzig nur Ihnen galt. Ich wünschte, Sie hätten ersehen können, wie freudig erregt der Mann sich augenblicklich entschloß, Ihnen die beikommenden Blätter zu widmen, als ich ihm mittheilte, zu welchem Zwecke ich dieselben erwünschte.
Da sind sie nun! Sie werden Ihnen, so schön sie sind, dennoch nur ein sehr ungenügendes Bild der wunderbaren Schönheit des Originals bieten. Dies ist ganz außerordentlich u. das bei Weitem alle übrigen Schiller-Monumente hinter sich zurücklassende. Nächst dem Friedrichs-Denkmale wird aber auch Berlin kein schöneres aufzuweisen haben. – Jetzt ist es denn auch nun entschieden, daß es von dem bisher bestimmt gewesenen Punkt fort- u. ein wenig mehr vorgerückt und der ganze Platz mit schönen Baum- und Blumen-Anlagen geschmückt wird. So schön derselbe schon ist, so wird er dadurch nun zu einem der schönsten Europas erhoben werden. Die auf beigelegten Blättchen aqusgesprochene Bemerkung, daß das Monument erst nach dem für König Fr. Wilh III aufgestellt werden dürfe, scheint mir alles logischen Zusammenhanges zu entbehren, weil dann auch Schinkels Statue ganz vor kurzen nicht hätte aufgestellt werden können.
Ich hoffe fest auf den 9 ten Mai, daß dieser Tag Ihn (und auch Sie) uns bringen wird.
Und nun ein paar erläuternde Worte zu den 5 Blättern in der Anlage! —
Blatt I. Schillerstatue allein 9 Fuß hoch. — Es scheint mir vom Künstler eine Portrait-Statueweniger beabsichtigt zu sein; deshalb an der gegebenen auch keine Geste, die nur irgend auf einen Act des äußerlichen Lebens deutete; die Statue, so wie sie vor uns stehen wird, scheint mir vielmehr einen zu künstlerischer Form verkörperter Reflex seines Gesammt-Seins u. -Wesens darzustellen, worauf am ausgesprochensten schon der Lorbeer auf dem Haupte deutet; daher nirgends ein Ausschreiten nach irgendwelchem Punkte hin; alles ist zusammengehalten, so sind die Rolle und selbst der Mantel fest an die Gestalt herangerückt, nur der Kopf ist leise und stolz seines Ziels bewußt nach oben gewendet! —
Die Wirkung ist eine wahrhaft mächtige, aber auch hochernste, wie sie es hier sein mußte, an dieser Stelle Deutschlands und Berlin’s, vor solch einem hochedlen Kunstwerk, wie es das Schinkel’sche Schauspielhaus ist, auf einem Platze, der so imposant von den beiden Thürmen zur Seite desselben abgeschlossen wird. (* NB gegenüber!)
Blatt II. Schiller mit Begas.
Dies Blatt kann später nicht wiederholt werden und bleibt darum wohl das Interessanteste. —
Zur Rechten von Begas: Die Philosophie, eine der die Schiller-Statue umgebenden 4 sitzenden Statuen; eine sybillenartige Gestaltung mit verwirtterten Zügen; sie wird an der Rückseite des Monuments links stehen. In der Photographie ist sie die am wenigsten gelungene, weil sie im Atelier eine zu ungünstige Stellung hat; im Original ist sie aber höchst charactervoll. Das kleinere Blatt III ist die Geschichte. Sie kommt rechts an die Rückseite, dagegen Blatt IV, die Tragödie, an die Vorderseite rechts, Blatt V, die lyrische Poesie an die Vorderseite links. Es ist in allen eine bewunderungswürdige Bewegung in der statuarischen Ruhe. – – Diese 4 sitzenden Statuen erheben das ganze Denkmal in die Reihe der hervorragendsten Kunstwerke, die die Sculptur dieses Jahrhunderts geschaffen hat. Die Schönheit einer jeden derselben ist eine besondere, ihre Characteristik ist höchst lebensvoll, die der lyrischen Poesie aber von einem ganz besonderen u. erobernden Zauber. — Damit Sei das Ganze sich in Verbindung mit dem wundervollen Hintergrunde, vor dem es sich erheben wird, stellen können, habe ich eine Darstellung des Schauspielhauses beigelegt, auf welcher sich auch das Gitter zeigt, das die bisher bestimmt gewesene Stelle bezeichnet und unter welcher auch der 1859 gelegte Grundstein ruht. Ich muß es nochmals sagen, es ist wohl eine der schönsten Stellen, die gedacht werden können für solchen Zweck ein wahrhaft königlicher Plan für den Thron eines Königs im Reiche der Geister! —
Daß Sie nicht hieher kommen sollten zur Aufstellung des Monumentes, kann ich mir gar nicht denken; hoffentlich führt Sie der nächste Mai zu unsrer Stadt, und das werden dann hohe Festtage sein, auch für mich u. Die Meinigen. Alle sind gerührt, daß ihrer durch Sie so freundlich gedacht wurde und ich soll Ihnen ihre innigsten und dankbarsten Grüße senden. Wären wir alle doch so glücklich, Sie am nächsten 9ten Mai hier zu sehen! – Wie aber konnte ich statt des 9ten Mai’s in meinem neulichen Briefe nur den 5ten schreiben?! – Doch! Ich weiß es! Der Tag, an dem mein „musikalischer Schiller“ einst dahin schied, es ist der 5te Juni, und so identificirt sind mir beide theure Gestalten, daß ich selbsthier verwechseln konnte! —
Daß Herr von Wurmb nebst Gemalin daß Monument sich neulich hier im Atelier angesehen,erfuhr ich dort, und so werden diese Herrschaften Ihnen vielleicht schon Nachrichten über das Kunstwerk gesendet haben, und ich habe deshalb wohl Ursach, mich zu fürchten, daß ich mit meinem Berichte als mit einer Doublette komme. Der Gegenstand u. die Absicht entschuldigen mich aber, so denke ich. —
Daß Ihr Herr Sohn sich jetzt in Weimar aufhält, ganz der Kunst ergeben, hat mich sehr interessirt zu hören. Bei seinem ausgezeichnetem Talent, von welchem Sie, hochverehrte Frau Baronin, mir so deutliche Beweise bei meinem mir unvergeßlichen Aufenthalte auf Schloß Greiffenstein verehrten, u. die ich als Reliquien bewahre, bei diesem Talente können Sie gewiß sehr Bedeutendes erwarten und haben bereits Belege dafür. —
Daß all’ Ihre Wünsche und Hoffnungen nach dieser Seite sich erfüllen, wird mich sehr glücklich machen, zu hören, eben so wie von dem Gedeihen des lieblichen kleinen Enkelchens, mit desssen Pflege ich Sie mir zu Ihrer großen Freude beschäftigt sehr wohl vorstellen kann. —
Möge der Himmel Alles was Ihnen theuer ist beschützen und
erhalten! Mit den dankbarsten und verehrungsvollsten Empfehlungen der Meinigen
verknüpfe ich den eignen warmen Dank für die erneuten mich so sehr beglückenden
Beweise Ihrer Güte und zugleich die Bitte mich Ihrem theuren Herrn Gemale in’s Gedächtniß rufen zu wollen als
Ihrer Beider
in wahrster und innigster Verehrung
ergebenen F. W. Jähns.
*F NB. Der Theil des Marmorblocks am linken Fuße der Statue Blatt I, worin die runde Öffnung, wird zuvörderst zum Aufwinden bei der Aufstellung benutzt und später herausgeschlagen.
Ebendort: Unter der Treppe des Ateliers stehen ziemlich unkenntlich die allerdings defecten ersten beiden Scizzen der Statue — hinten an der Wanddie 3te Scizze, die dann zur Ausführung gewählt wurde.
Apparat
Zusammenfassung
schickt ihr Fotos des Photographen Günther von den einzelnen Teilen des Schiller-Denkmals von Begas, die Aufstellung soll vermutlich am 9. Mai 1860 auf dem Gendarmenmarkt erfolgen. Gibt ausführliche Erläuterungen zu den einzelnen Teilen. Aufstellung des Denkmals darf nicht vor dem für Friedrich Wilhelm III. erfolgen! (beiliegender Zeitungsausschnitt)
Incipit
„Gewiß werden Sie mir schon zürnen“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Weimar (D), Stiftung Weimarer Klassik, Goethe- und Schiller-Archiv (D-WRgs)
Signatur: GSA 83/1329Quellenbeschreibung
- 7 Bl. (13 b. S. o. Adr.)
- auf Bl. 7v ist ein undatierter Zeitungsausschnitt aufgeklebt, der besagt, dass die Aufstellung des Schiller-Denkmals erst erfolgt, nachdem das Monument für Friedrich Wilhelm III. enthüllt worden ist.