Friedrich Wilhelm Jähns an Robert Musiol in Röhrsdorf
Berlin, vom Sonntag, 17. bis Mittwoch, 20. September 1876

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Berlin 17. April September 1876.

Geehrter Herr.

Sie haben mich aufs Neue zu Dank verpflichtet durch die gütige Abschrift des englischen Artikels von F. L. Ritter über Weber. Er bringt freilich nichts Neues als die unrichtigen Daten über Geburt u. Tod; doch ist mir jede Äußerung über ihn (W.), je ferner die Zeit liegt, über welche sie lautet oder je näher der unsrigen, stets interessant, insofern solche Neues über vergangene Zeit oder den Meinungsstandpunkt des Augenblicks bringen kann oder bringt. Also herzlichen Dank! Was in Hoffmann ’s Schles. Tonk.-Lexikon noch etwa über W. sich findet, wird mir jedenfalls interessant sein; was Kossmaly’s Mittheilungen anlangt, so werden dieselben wenig von dem abweichen, glaube ich, was Dr. Kahlert an Max v. Weber mittheilte u. was ich Ihnen zur Ansicht mitsende u. möglichst bald zurück erbitte. Wie viel auch hier wieder Unrichtiges enthalten, sehen Sie aus meinen Randbemerkungen, die ich hätte vermehren können. Ein zuverlässigeres Material scheinen mir die Notizen des Aktuars Barnetzky zu Carlsruhe in Oberschlesien, jenem Orte, wo sich W., wie es allen Anschein hat, so glücklich fühlte, zu sein. Zuverlässig erscheinen mir diese für Max v. W. ebenfalls geschriebenen Notizen, da sie sich auf eigenes Erlebniß u. auf warme Liebe zu Person u. Sache stützen. Auch diese lege ich bei. Kahlert wie Barnetzky hat Max v. W. benutzt. Ich werde sehen, ob es mir gelingt, wenigstens den 1. Theil seines Werkes, worin Sie „Breslau“ finden, irgendwo geliehen zu bekommen, um es Ihnen zu senden, denn ich selbst kann es nicht entbehren, da ich es bei meinem „Nachtrag“ stets bei der Hand haben muß. – Mein Werk „C. M. v. Weber in seinen Werken“ sende ich in meinem Hand-Exempl. ebenfalls. Wollen Sie es als Andenken von mir bewahren! Ich bitte darum in der Überzeugung, daß Sie vieles darin nicht finden werden, was Sie grade suchen, z. B. über Breslau pp., aber vieles auch finden, was Sie nicht erwartet haben. Ein Urtheil werden Sie erst haben, wenn Sie sich sehr in dem Buch umgesehen haben; vor Allem lesen Sie, bitte, erst die Einleitung, dann zuerst dann etwa Freischütz, Euryanthe, Oberon pp. Überall werden Sie namentlich unter der Rubrik „Anmerkungen “ mehr finden, als Sie unter dieser wenig versprechenden Bezeichnung suchen dürften. Ehe Sie an Einzelheiten gehen, setzen Sie sich gefälligst von der Einrichtung des Buches in Kenntniß; damit werden Sie Sich viel vergebliche Mühe für später ersparen. Auch in Rücksicht darauf verweise ich auf die Einleitung. Der „Nachtrag“ wird viel Neues, (namentlich an „Ausgaben“ bringen, aber auch manches auf andern Feldern Überraschendes. Im Ganzen ist das Buch sehr correct gedruckt; nur eine Ziffer macht mir schweren Kummer, ich habe sie auf pag. 366 mit Bleistift geändert. Die erste aller Aufführungen fand in Wien statt: nicht 1825 sondern 1823; das ist ein fataler Fehler, obwohl er sich aus dem Ganzen natürlich als solcher ergiebt. Auch einige andere Bemerkungen, die in den Nachtrag kommen, habe ich kurz notirt, wo sie sehr wichtig sind und die ich erst jetzt nach unsäglichem 40 Jahre langem Forschen machen kann. – Um Ihnen über Max v. W’s Werk einige Fingerzeige zu geben, habe ich 2 Aufsätze beigelegt, die leider leider! des Wahren viel enthalten. Zu Gunsten der Bestrebung objectiv zu sein, hat er weit über das Ziel hinausgeschossen u. ist mit unerklärlicher Impietät gegen seinen Vater verfahren. Was das Musikalische anlangt, so ist er leider so gut wie nicht musikalisch, und Andere haben sein Urtheil bestimmt, mindestens geleitet. Culturhistorisch hat das Buch Interessantes aufzuweisen; das was die Jugendgeschichte (die frühere bis zu seinem Fortgange von Stuttgart) anlangt ist das Werk von höchster Bedeutung u. sein Verdienst ist einsehr großes. – Ich bitte aber dringend, u. ich hoffe Sie werden treu meine Bitte gewähren, diese meine eben ausgesprochenen Urtheile über Max v. W’s Buch als, vollkommen im tiefsten Vertrauen auf Ihre Discretion gegeben, zu betrachten. Niemals darf davon ein2 Wort in’s Publikum dringen; denn wir sind alte Jugend-Freunde und er ist der Sohn meines tief innig geliebten Meisters. Also ich bitte!!!! Hätte ich nicht die Pflicht Ihnen gegenüber den Schild vor dem gottbegabten Künstler zu halten, würde ich das, was ich über das Werk seines Sohnes so eben geäußert, nicht gesagt haben. Es ist ein übel Ding, sich selbst zu preisen; aber ich bin wahrlich nicht ruhmredig, wenn ich sage: ich bin wahrer als er! Und – gerechter. – Da ich Max v. W.’s Buch nicht habe anderweitig geliehn bekommen können, so schicke ich Ihnen mein Exemplar. Es ist freilich nicht so schnell gelesen – aber behalten Sie es nicht länger, als höchst nöthig; ich kann es nur sehr schwer entbehren, zumal unsre königl: Bibliothek momentan geschlossen ist.

Was das Kossmaly-Carlo-Lexikon über Anton v. W. bringt, daß er nemlich in Carlsruhe in Schl. gestorben sei, ist rein aus der Luft gegriffen. 1810 ging Carl Maria mit seinem Vater Fr. Anton zuvörderst nach Manheim; dort wohnte er erst mit dem Vater zusammen. Als er aber bald seine musicalischen Kunstreisen bis in die Schweiz hinein antrat, (sie dauerten volle 3 Jahre) ließ er den Vater, für ihn sorgend, fortan in Mannheim, wo Franz Anton am 16. April 1812 auch verstarb, 78 Jahre alt. Er war am 26. Sept. 1734 geboren. – Sie sprechen in Ihrem Briefe von einem Biographen Carl Maria’sBernsdorf“. Was oder in welcher Form u. welchem Umfange hat er denn über C. M. geschrieben? –

Der Dichter u. Schriftsteller Max Jähns ist in der That mein Sohn. Seine glänzend betretene Laufbahn als Dichter hat er längst verlassen; dagegen ist er einer unsrer ausgezeichnetsten Militär-Schriftsteller, der bereits einen weitverbreiteten Ruf hat. Er ist königl: Hauptmann erster Classe im Großen General-Stabe der Armee, unmittelbar unter Moltke, und zugleich militärischer Professor der Kriegs-Geschichte der höchsten Militärischen Bildungsanstalt Deutschlands: der Berliner Kriegs-Akademie. Im nächsten Jahre hoffe ich wird er Major sein. Eins seiner Jugendwerke als Dichter lege ich Ihnen für Ihre Bibliothek bei „Ein Jahr der Jugend“. Die Schiller-Lotterie gab es 1861 heraus. Es ist eine Auswahl aus etwa 500 Gedichten, die unter diesem Titel gedruckt werden sollten, und die mein Sohn für die Schiller-Lotterie traf, da er die Chance hatte, seinen Namen in dieser nothwendig so zu beschränkenden Gestalt sehr bekannt zu machen, da 42.000 Exemplar[e] als Gewinne der Schiller Lotterie ausgegeben wurden. – Später sende ich Ihnen, wenn Sie es wünschen sollten, einmal das Epos „Reinhart“, von welchem auf dem Umschlag des „Jahrs der Jugend“ die Rede ist.

Und nun bleibt mir für heut wohl nichts zu bemerken übrig als wie Sie zu sagen: (Selbstverständlich) Ihr
hochachtungsvollst
ergebener F. W. Jähns

Apparat

Zusammenfassung

dankt für Abschrift eines englischen Artikels von F. L. Ritter über Weber (nicht in Biblio!), schickt ihm hs. Notizen von Kahlert und Barnetzky über Webers Breslauer u. Carlsruher Zeit. Gibt Charakteristik der Biographie von Max Maria von Weber, schickt ihm sein Handexemplar des WV als Geschenk und leiht ihm seinen Max Maria von Weber. Weist im Koßmaly-Carlo Lexikon Fehler nach im Artikel Franz Anton v. W.. Fragt nach dem Bernsdorf-Artikel. Des weiteren Mitteilungen über seinen Sohn Max

Incipit

Sie haben mich aufs Neue zu Dank verpflichtet

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 930 (J 7)

    Quellenbeschreibung

    • 2 DBl. (7 b. S. o. Adr.)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Weberiana 25, S. 31f. (Auszug)

Textkonstitution

  • „April“durchgestrichen

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