Friedrich Wilhelm Jähns an Robert Musiol in Röhrsdorf
Berlin, Montag, 28. Oktober 1878
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Schönsten wärmsten Dank für Alles, für die Rosa-Beleuchtung von Weber’s Namen, die allerdings wohlthat - für die Cataloge, die ich noch ein klein wenig behalten möchte, - für den berüchtigten Traum W.’s, den er schon oft hat büßen müssen u. über den Sie meine Ansicht aus "J. - W" (pag. 368 Mitte u. 369 oben) kennen - wie ferner für die Schenkung Ihres "Schrank"-Aufsatzes, der ein sehr willkommner Beitrag zu meinem W.-Archiv ist, - für die Nachricht über die Benefiz - Aufführung der Euryanthe in Berlin für das Dresdener Weber-Standbild durch Meyerbeer u. die Lind, eine ziemlich verunglückte Aufführung von Seiten Meyerbeers u. der Lind, die sich in der That als reine Künstlerin u. aufrichtige Weber- Verehrerin dadurch documentirte, daß sie bei dieser Aufführung ruhig ihr Gastspiel-Honorar nahm, wo bei gleicher Veranlassung u. bei gleichem Zwecke die Bürde-Ney ihre ganze Abend-Einnahme, die ihr als ihr Benefiz zukam (runde zweitausend Thaler) dem schönen Zwecke schenkte. Aber die Lind war ja eine "aufrichtige" Freundin W.’s, denn sie hatte mir ja durch einen Dritten ein Autograph von Weber abquälen lassen (o schönes, schönes Autograph!!! daß du so ein Ende fandest!!!!) Ich könnte diese Geschichte nicht erwähnen, ohne sehr bitter zu werden; also lieber nicht, Ihre Ziffer, 6000 rh berliner Einnahme dabei ist unrichtig. Es waren nur "2000 Thaler": so sagt der amtliche Rechnungsabschluß des "Comité’s zur Errichtung des C. M. v. Weber-Denkmals" in No. 137 v. 18. Juni 1862 des "Dresdener Journals", der mir vorliegt. - Ferner Dank für den Hinweis auf den Brief W.’s an Rochlitz v. 27. Febr. 1817, den ich in der Kleinen Hamburger‡ Musikztg. v. Schuberth habe; daß Kahnt ihn später auch gab, wußte ich nicht. - Für Alles das vielen Dank also!
Nun aber Ihren "Schrank-Aufsatz"! - Er ist jetzt ganz vortrefflich u. ich mache dem Weber - Studium v. R. Musiol mein Compliment das ist nicht nur Studium, sondern da ist auch Wärme u. Liebe zur Hauptfigur dabei. Das kommt nicht grade allzuoft vor - ist aber das Wahre. - Ich soll die Arbeit aber M. M. v. W. zeigen. - Das habe ich mir jetzt reiflich überlegt; weil es gar nichts nutzt, sondern nur viel Weiterungen herbeiführen würde, rathe ich ganz davon ab. Der ganze Passus in Ihrer Arbeit der um den Ausruf "Etwas dunkel zwar, doch, es klingt recht wunderbar!" herum steht, würde M. M. v. W. nur sehr unangenehm berühren. Ich kenne ihn! Er hat schon so sehr viel Unangenehmes durch jene Biographie erfahren. Nun Sie kennen meine Ansicht davon. Ich will ihm den bittern Trank, den er freilich wie durch so vieles in seinem Werke, selber sich gemischt hat, nicht an die Lippen legen, denn er würde ihm von meiner Hand zugeführt doppelt bitter sein. Ich kenne ihn seit seinem 6ten Jahre; was habe ich in dieser Zeit an falschen d. h., durch mangelnde musikalische Kenntniß bedingten Anschauungen u. Aussprüchen von ihm oft tief gelitten, wie so oft Schmerz u. Unwillen niedergekämpft mit den Beweisen gegen ihn in der Hand. Ich aber will mit dem Sohne seines Vaters im Frieden bleiben! Wo ich es versucht habe, ihm mit den schlagendsten Gründen entgegen zu treten bei Behauptungen in Geschmack- wie in That-Sachen - stets war er vollkommen unzugänglich. Dabei ist er einer der liebenswürdigsten, geistreichsten Menschen, die ich kenne. Sein Fleiß, seine Arbeitskraft sind ungeheuer; seine Genialität in seinenaußermusikal. Schriften ist anerkannt in dem Fach, dem er berufsmäßig angehört, wie auf dem Gebiete der Darstellung von Natur u. Leben. - Die Verdienste selbst bei der Biographie seines Vaters sindselbst‡ recht sehr achtungswerthe. Die mit unendlichen Schwierigkeiten verbundene Ausgrabung der gänzlich verschütteten Jugendgeschichte seines Vaters ist eine bedeutende kunsthistorische That. Ich habe einen vollkommnen Überblick grade dieser gehabt. Daß er bei dem ersten Bande das Lebensbild zu tief griff u. bei dem 2ten allzu hoch, daran hatte eben der Nicht-Musiker in ihm schuld und auch die Einflüsterungen alter Feinde Carl Maria’s die ihm wurden. Ich habe mich damals, als er das Lebensbild schrieb, ganz fern von ihm gehalten; ich war ja der "blinde, urtheilslose Enthusiast", auch trennten uns die Wohnorte. - Die schönste Zeit meines Lebens ist die gewesen, die ich u. meine Frau in der Verbindung mit Carl Maria’s Gattin in Dresden fast jedes Jahr bis zu ihrem Tode zubrachten. - Das sind so zarte Fäden, die so tief in’s Innerste hinabreichen - - - nein, es soll nichts sein zwischen ihm u. mir! -
So denke ich, lassen Sie den Aufsatz ruhig erscheinen. Wenn ich ihm denselben vorlege, so wird sich eine sehr unerquickliche Correspondenz zwischen ihm u. Ihnen entwickeln, die schließlich ganz unnöthig sein wird. - Wünschen Sie es dennoch, so geschehe Ihr Wille; lieber wäre es mir freilich, (wenn Sie den Aufsatz jedesfalls vor dem Druck zu seiner Kenntniß gelangen lassen wollen) daß Sie ihm einfach denselben zuschicken. Er wohnt: Kaiserin-Augusta Str. 78. Er ist nur noch bis Sonntag hier, dann reist er auf 6 Wochen nach England. Damit Sie ganz freie Hand haben, sende ich Ihnen hiemit den Aufsatz. Sie haben ihn dann morgen Dienstag. Senden Sie ihn sodann sofort wieder an mich, oder direct an Weber; im ersteren Falle hat W. ihn Donnerstag bestimmt, im 2 ten schon Mittwoch. Sie müssen dann ihm sehr ans Herz legen, daß er Ihnen die Arbeit sofort zurückschickt, sagen Sie jedoch nichts von seiner englischen Reise. - Freilich wäre es mir lieber, wenn er nicht annehmen könnte, daß ich den Aufsatz gelesen; denn schließlich wird er das, was ihn verletzen würde, gewissermaaßen halb mir zurechnen, da er glauben wird, daß ich es hätte verhindern können. - Doch bestimmen Sie; was es sei, es geschieht! -
Eine kleine Änderung bitte ich zu machen auf der letzten Zeile des Bogen 2, zweite Seite. Es steht da: "wie Alles über Weber Erschienenen"; ich bitte dafür zu setzen: "wie eine sehr große Menge von über Weber Erschienenen".
Ich bin auf Ihren Entschluß sehr neugierig, weil ich selbst so überaus unschlüssig gewesen bin, was ich in dieser Sache thun sollte.
- Am besten scheint es mir immer : der Aufsatz wird gedruckt, ohne daß Sie ihn an W. schicken ! Das scheint mir, was man so sagt, am - Gesundesten !
Und nun leben Sie wohl, lieber Freund. Doch noch eins! Gestern war ich zu einer musikal. Matinée bei X. Scharwenka, welche er mit einem neuen Trio op. 45 von sich eröffnete (für Pfte. Violine u.Cello) in A., ein reiches Werk von großer u. glänzender Wirkung. Großer Beifall. Leider weiß ich den Verleger nicht. Vielleicht werfen Sie ein Wort darüber in die Musiker Zeitung. Oder schreiben Sie an ihn u. erbitten sich das Trio, um es ausführlich zu besprechen. Doch ad libitum! - Sch. wohnt übrigens Regenten Str. 1.
Und nun nochmals Ade. Alles Gute ins Haus! Treu der Ihre F. W. Jähns.
Das beiliegende Blatt spediren Sie wohl gütigst an den rechten Mann nach Pest.
Die Beantwortung dieser Frage ist mir fast noch wichtiger als die wegen der Aufführung des Freischütz.
Ihr letzer Brief war No. 70 an mich,
Eheu !
Apparat
Zusammenfassung
dankt für Schrank-Aufsatz. Benefiz-Aufführung der Euryanthe in Berlin zugunsten des Weber-Denkmals in Dresden hat ihn geärgert, da die Lind ihr Gastspiel-Honorar nahm. Sie hatte ihm durch einen Dritten ein Autograph Webers abquälen lassen („o schönes, schönes Autograph!!! daß du so ein Ende fandest!!!!“), dankt für Weber/Rochlitz-Brief vom 27. 02. 1817 in der Kleinen Musikzeitung von Schuberth.
Incipit
„Schönsten wärmsten Dank für Alles“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit