Giacomo Meyerbeer an Carl Kaskel in Dresden
Berlin, Montag, 26. Januar 1852

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Theurer geliebter Bruder!

Ich habe dein liebes Schreiben nebst Einlage des H. G. Adv: Otto gestern Abends erhalten. Ich kann dich versichern, daß es keine Nachläßigkeit meiner Seits war, die so oft versprochene Reise nach Dresden nicht zur Ausführung gebracht zu haben. Jedesmal wenn ich kommen wollte, trat irgend ein oder das andre von meinem Willen ganz unabhängige Hinderniß ein. Ich hatte sehnlich gewünscht selbst nach Dresden zu kommen, nicht bloß um dem Verlangen der Frau Kapellmeisterin von Weber nach zu kommen ihr, die durch den Contract bestimmte Conventionalstrafe von 2000 Thalern, die Originalskizzen der Pinto’s u die andre Musick von Weber welche sie mir zur Zeit hatte zustellen lassen, um sie bei dem Arrangement der Pinto’s anzuwenden, zu übergeben, sondern auch, um ihr außerdem meine Ansichten mitzutheilen u mit ihr zu berathen, auf welche Weise in der ganz unnötigen Sachlage das Manuscript der Pinto’s für die Familie am zweckmäßigsten u nützlichsten veröffentlicht werden könnte. – . Nach dem Innhalte deines gestrigen Briefes aber, u der Beilage des Her[r]n G. Adv: Otto, muß ich mich natürlich drauf beschräncken direct u nur das zu thun was Frau von Weber verlangt, das heißt, die Bezahlung der stipulirten Conventionalstrafe nebst Rückgabe des Manuscripts u der andren Musick, auf jede weitere Mitwirkung die nicht mehr verlangt wird, verzichtend.

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Ich benütze daher die Abreise eines Verwandten, welcher morgen nach Dresden abgeht, um ihm folgende Gegenstände mitzugeben – damit sie auf eine sicher[e] Weise morgen Abend in deine Hände kommen – welche du die Güte haben wirst, der Frau von Weber recht baldigst zu übergeben, nämlich:

1) die 2000 R der Conventionalstrafe : 2) die Originalskizzen der Pinto’s. 3) Eine Abschrift dieser Skizzen vor einigen Jahren von H. Musickdirektor Jähn’s angefertigt. 4) die andere mitgetheilte Musick von Weber. 5) […] Einen kleinen Schein welchen du mir den Gefallen thun wirst Frau von Weber oder ihren Herrn Sohn zu bitten gütigst zu unterzeichnen, besagend daß ich diese Gegenstände abgeliefert habe.

. – . Wenn Frau von Weber bei meinem langjährigen Zögern die versprochene musikalische Vollendung der Pinto—s zu bewerkstelligen, Frau von Weber zweifelt ob ich es überhaupt thun werde, so habe ich ihr zu diesem Zweifel gerechte Veranlassung gegeben. Aber daß sie glaubt, jetzt wo sie bloß die pecuniaire u materielle Verpflichtung unsres Contractes, d.h. die Bezahlung der Conventionalstrafe u die Wiedergabe der Musick verlangt, zu gerichtlichen Schritten schreiten zu müssen, um diese von mir zu erhalten, hat mich sehr geschmerzt. Doch begreife ich daß Frau von Weber bei ihrem kränkliche[n] Zustand wünscht | jegliche Angelegenheit der Ihrigen förmlich geordnet zu sehen. . – . beruhige daher die theure verehrte Frau, u sage ihr daß 24 Stunden nach Empfang dieses Briefes das Geld u die Musick in ihren Händen sein wird. Ich nicht nur allein, sondern auch meine ganze Familie nimmt den innigsten schmerzlichsten Antheil an ihre körperliche Leiden, sage ihr das im Namen meiner alten Mutter[,] meiner Frau u in dem Meinigen.

Lebe wohl theurer geliebter Bruder Dein dir ewig ergebener
GMeyerbeer

Apparat

Zusammenfassung

Meyerbeer bestätigt den Eingang eines vorausgehenden Advokatenschreibens im Namen von Caroline von Weber – das Schreiben des Juristen Franz Otto war einem Brief von Carl von Kaskel beigelegt, hat sich selbst aber offenbar nicht erhalten. Meyerbeer bedauert, die Pintos nicht vollendet zu haben und erläutert die Gründe dafür. Er kündigt die Rückgabe der Materialien und die Zahlung der Vertragsstrafe an (vgl. hierzu die Ausleih- bzw. Rückgabeliste sowie eine entsprechende Erklärung).

Incipit

Ich habe Dein liebes Schreiben nebst Einlage des H. G. Adv: Otto gestern Abends erhalten.

Generalvermerk

Der vorliegende Brief markiert den Schlusspunkt der über Jahrzehnte andauernden, jedoch nicht erfolgten Vollendung von Webers Opernfragment Die drei Pintos durch Giacomo Meyerbeer und auch die damit einhergehenden Auseinandersetzungen zwischen Caroline von Weber und Meyerbeer (vgl. hierzu auch Weberiana 27, S. 43–92).

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Salome Obert

Überlieferung

  • Textzeuge: Washington, D.C. (US), The Library of Congress, Music Division, ML95 .M39 (US-Wc)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Meyerbeer‑Briefe, Bd. 5 (Henze‑Döhring), S. 513

Textkonstitution

  • „ochene“unsichere Lesung
  • „ganz unnötigen“unsichere Lesung
  • amgelöschter Text nicht lesbar
  • ugelöschter Text nicht lesbar
  • „Hände“über der Zeile hinzugefügt
  • „[…]“gelöschter Text nicht lesbar
  • „Frau von Weberdurchgestrichen

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