Ernst Pastenacy an Adolph Martin Schlesinger in Berlin
Königsberg, Donnerstag, 5. April 1821
Ew: Wohlgeboren,
werden sich kaum noch erinnern, daß ich im Januar 1820 aus Dresden nach Berlin kam und Sie dort mehrmals besuchte, ich hatte in Dresden Herrn Capellmeister’s Weber Bekanntschaft gemacht, und überbrachte noch Aufträge von ihm. Später im Herbst war meine frühere Schülerin, die Comtess Egloffstein, die in Dresden Herrn von Webers Unterricht genoßen, ebenfalls in Berlin*, und bestellte mehreres, wovon noch vor einigen Monaten die beiden letzten Theile des Judas Maccabaeus hierher gesandt wurden. |
Da mich nun, wie die Comtess Egloffstein, Herrn v Webers Compositionen, besonders aber seine neue Oper Der Freischütze sehr interessirt, so veranlaßt mich eine Anzeige, die ich in Kunstblättern gelesen, daß die Ouverture schon davon herausgekommen*, zu der Bitte:
mir 2 Exemplare davon, und wenn sie auch a 4 mains vorhanden ist*, auch unter dieser Gestalt sogleich mit erster Post zu übersenden.
Sollte, wie ich fast vermuthe, ein Clavierauszug der Oper schon unter der Presse seyn*, so würden Sie mich sehr verbinden, wenn Sie mir jede Piece, die fertig ist, sogleich in Duplo zusenden wollten, | und mir so bogenweise den Clavirauszug doppelt‡ werden laßen. Ich werde vierteljährig diese Sachen, zu denen sich manches andre finden dürfte, bezahlen, und es dürfte nicht unbedeutend seyn, da ich eine Musikalien Leihbibliothek besitze, zu deren Fortsetzung ich von Zeit zu Zeit bedeutende Musikvorräthe bedarf. In dieser Hinsicht bitte ich um gefällige Anzeige, der Bedingungen für Ihren Verlag und fremde Sachen. Ferner bitte ich von allen v Weberschen Compositionen, die bei Ihnen erscheinen, so wie sie die Presse verlassen, in Zukunft‡ mir sogleich zwei Exemplars zu übersenden. Die Adresse bitte ich zu machen:
An E. Pastenacy Torfmarkt nr. 14.
Das Ganze eingeschlagen, an Herrn PostSecretair Horn.*
Ergebenst die Erfüllung meines Gesuches erwartend verharre ich Ew: Wohlgeborendienstwilliger Diener
E. PastenacyKönigsberg d 5 April 1821.
Wenn das Verlangte 100 rh netto beträgt
vom Verlag 33% Sortiment 20% gegen
halbjährℓ Abrechℓ und Bezahℓ
Apparat
Zusammenfassung
Erinnert ihn an vorjährigen Besuch bei ihm, bei dessen Gelegenheit er ihm noch Aufträge von Weber, den er in Dresden kennengelernt hatte, überbrachte; er habe gehört, dass die Freischütz-Ouvertüre schon erschienen sei und bittet, ihm 2 Exemplare davon zu übersenden sowie auch von allen künftig erscheinenden Werken Webers jeweils 2 Exemplare, er betreibe eine Leihbibliothek und wäre auch an andern Werken interessiert und bittet um entsprechende Angebote, er würde vierteljährlich bezahlen
Incipit
„werden sich kaum noch erinnern“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz
Überlieferung
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Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz - Musikabteilung (D-B)
Signatur: N. Mus. Nachl. 95Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- am rechten Rand der Adressenseite quer zur Schriftrichtung Verlagsvermerk: „Koenigsberg d 5 April 1821 | Pastenavi [sic!] | beantw d 28 April 1821“
Dazugehörige Textwiedergaben
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EV in Weberiana 21 (2011), S. 233f.
Textkonstitution
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„doppelt“am Rand hinzugefügt
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„in Zukunft“über der Zeile hinzugefügt
Einzelstellenerläuterung
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„… Unterricht genoßen, ebenfalls in Berlin“In Webers Tagebuch ist im Jahr 1820 ein letztes persönliches Treffen mit Fanny von Egloffstein am 25. Juli erwähnt; danach dürfte sie nach Berlin abgereist sein. In ihrem Stammbuch (Stadtarchiv Dresden, Hs. 8. 1928. 1067) sind Einträge aus Berlin aus dem Zeitraum vom 16. bis 20. August 1820 enthalten.
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„… die Ouverture schon davon herausgekommen“Entsprechende Hinweise finden sich u. a. in der Beilage zum Freimüthigen, dem Literarisch-artistisch-musikalischen Anzeiger Nr. 3 vom 9. März 1821 sowie in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen Nr. 30 vom 3. April 1821 (1. Beilage).
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„… a 4 mains vorhanden ist“Schlesingers Ausgabe der Ouvertüre für Klavier zu vier Händen (arrangiert von Johann Philipp Samuel Schmidt, VN: 1115) erschien erst im Dezember 1821.
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„… schon unter der Presse seyn“Der vollständige Klavierauszug erschien im Oktober 1821; vgl. den Brief von Lea Mendelssohn Bartholdy vom 31. Oktober 1821.
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„… Herrn Post Secretair Horn .“Laut Berliner Adressbuch 1820 (S. 186) Gen. Post-Amts-Secretair J. C. Horn, Neue Grünstr. 23.