Die Satzung des „Harmonischen Vereins“

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Harmonischer Verein. B.

Die so häufig einseitigen Partheiischen Beurtheilungen von KunstWerken, von Verlegern gedungene Lobpreiser ihres Verlags, und die Schwierigkeit dem wahrhaft Guten, auch ohne großen Namen, in der Welt Plaz und Würdigung zu verschaffen, bewogen, C: M: v: W:Joh: G: M: Beer. Gottfried W: und Alexander von Dusch, einen Verein zu knüpfen, der zum Besten der Kunst sich gegenseitig thätig unterstüzend, handeln und wirken könnte. Gleich großer Eifer für die Kunst, gleiche Ansichten derselben, die Nothwendigkeit besonders den Ästhetischen Theil derselben mehr zu pflegen, waren die HauptGründe des Vereins. – Das Schiksal erlaubte nicht, daß alle Theilnehmer an einem Orte vereint wirken konnten, und deßwegen hielt man es für nothwendig eine Norm zu zwekmäßigem Gang des Ganzen zu entwerfen und festzusetzen. Die wahre untadelhafte Ansicht des Vereins ist bey jedem Gliede vorauszusezen, und da manche schiefe Ansicht und Deutung möglich wäre, und auch manches Hinderniß nur durch Beharrlichkeit zu überwinden seyn wird, so wählte man zum Wahlspruch: Beharrlichkeit führt zum Ziel. – Mit Recht glaubt sich der Verein, der Harmonische Verein nennen zu dürfen, weil hier alles nur von Einem Eifer, Einer Ansicht beseelt, und in dem Entferntesten Eines ist. § 1. die strengste Verschwiegenheit über die Existenz des Vereins ist eine Pflicht die aus der Natur der Sache entspringt. Alle Wirkungen deßelben würden aufhören, wenn er bekannt wäre, denn schwerlich würde das Publikum einem solchen Verein Unpartheilichkeit und Wahrheit zutrauen.

§ 2. die Leitung des Ganzen wurde C: M: v: W: als Dirigens übertragen.

§ 3. Zum fixen Central Punkt ist Mannheim bestimt. wo Gottf: W: als Sekretär des Vereins, das Archiv bewahrt, die Casse hat, ein Buch über Einnahmen und Ausgaben führen wird, und die einkommenden Aufsäze und überhaupt alle Aktenstüke so ordnet und verzeichnet, daß der Gang der Arbeiten genau übersehen werden könne.

§ 4. Alle Schreiben an den Dirigens, werden offen unter der Adreße, H: Licentiat Weber in Mannheim eingeschikt, welcher in steter Berührung mit dem Dirigens sie ihm am schnellsten zusenden wird.

§ 5. da auf jeden Fall bedeutende Porto Auslagen pp vorfallen werden, so wird hiezu später ein fixer Beytrag bestimmt.

§ 6. Eigentlich consti[t]uirende MitGlieder können nur die seyn, die Componisten und Schriftsteller zugleich sind; besonders aber auch in Hinsicht ihres Karakters den wahren Gebrauch des Vereins nicht verunedeln.

§ 7. Außer diesen sollen auch noch litterärische Brüder aufgenommen werden, nämlich solche, welche ohne Componisten zu sein, MusikKenntniß mit schriftstellerischem Talente verbinden, und durch ihre Gedichte, und andere Litt: Arbeiten der Tonkunst nüzlich seyn können. Sie genießen durchaus gleiche Rechte und Antheile mit den übrigen Brüdern.

§ 8. In der Wahl neuer Brüder muß man die gröste Vorsicht beobachten, daher kann kein Mitglied aufgenommen werden, für das der Vorschlagende sich nicht aufs strengste verbürgt, und

§ 9. indem er ihn dem Dirigens vorschlägt eine genaue Auseinandersezung seiner Kunst und LebensAnsichten einsendet, welche der D: den andern B:[rüdern] zur Beurtheilung mittheilt.

§ 10. daß eher der Anzunehmende nichts von der Existenz des Vereins erfahre, versteht sich von selbst. hierdurch werden Mißbräuche verhindert, keineswegs aber Talentvolle Menschen von den heilbringenden Arbeiten des Vereins ausgeschloßen.

§ 11. Jeder Bruder muß sich einen Nahmen wählen, den er unter seine Rezensionen pp sezt, wenn er nicht seinen eigenen unterzeichnet. hiedurch wird möglichen Collisionen vorgebeugt, da jeder Bruder sogleich die Arbeiten des andern erkennt. |

§ 12. Sollte ein Bruder es nöthig finden, sich zur Unterschrift mehrerer Nahmen zu bedienen oder einen neuen wählen, so soll er es sogleich dem CentralBureau anzeigen, welches dieß den anderen MitGliedern eröffnet.

§ 13. Zwey Monate nach der Aufnahme /: resp: 2 Monate nach Abschließung des Vereins :/ ist jeder Bruder verpflichtet, seine Biographie worinn hauptsächlich seine Kunstbildung entwikkelt ist, dem Archiv einzusenden, und am Ende eines jeden Jahres die Fortsezzung pünk[t]lich zu liefern. der Central Sekretär wird die säumigen MitGlieder daran zu mahnen haben.

§ 14. der HauptZwek des Vereins, und folglich die Hauptpflicht eines jeden Bruders, ist, das Gute zu erheben und hervorzuziehen, wo er es immer finden mag, und besonders ist hier auf junge angehende Talente Rüksicht zu nehmen.

§ 15. Hingegen da die Welt mit so viel schlechten Produkten überschwemmt wird, die oft nur durch Autoritäten und elende Rezensionen gehoben werden, so ist es eben so Pflicht, dieß aufzudeken, und davor zu warnen, wo man es findet. doch hoffen wir daß dabey auch aller gewöhnliche Rezensenten Ton vermieden werde.

§ 16. Nächst diesem ist Verbreitung und Würdigung der Arbeiten der Brüder eine angenehme Pflicht.

§ 17. Jedes Werk das aus der Feder eines Bruders fließt, muß dem Dirigens unverzüglich bey seiner öffentlichen Erscheinung von dem Verfaßer angezeigt werden. wobey er die [Fortsetzung von Gottfried Webers Hand:] Ansichten seiner Arbeiten bemerkt. der Dirigens überträgt dann deßen Recension in einem bestimmten Blatte einem andern Bruder, u[nd] zeigt es dem Verfaßer an.

§. 18. von jeder Recension Aufsaz p. schikt der Verfaßer derselben eine eng geschriebne Abschrift in 8vo Format an das Archiv, woraus die Wirkung u[nd] das Fortschreiten des Archivs zu sehen, jedem Mitgliede belehrend und willkommen seyn wird.

§. 19. Partheilichkeit muß aufs strengste vermieden werden, daher das zu tadelnde nicht in den Recensionen nicht übergangen werden darf: aber wenigstens mit Bescheidenheit gesagt, und nicht im beißenden hämischen Tone unsrer Zeit Recensenten gethan werden muß.

20. Sollte aber, welcher Fall nicht wohl denkbar ist, ein Bruder etwas wirklich schlechtes geliefert haben, so soll ihm der Dirigens dieses offen sagen, und ihn zur Zurüknahme der Arbeit bewegen. Hat der Verfaßer Einwendungen gegen das Urtheil des Dirigens so holt dieser ein weiteres Gutachten von zweyen Brüdern ein. Wenn alsdann einer von diesen zweyen, mit dem Urtheile des Dirigens einverstanden, dem Verfaßer zur Zurüknahme des Werkes räth, dieser aber sich dazu dennoch nicht entschließt, so soll alsdann gegen ihn nach §. 15. verfahren werden.

21. obwohl die Tendenz des Vereins in gar keiner Hinsicht auf irgend eine politische Existenz Einfluß haben soll, so ist es doch vorauszusezen, daß jeder Bruder wo er den andren findet, demselben mit allen Kräften dient, und dadurch sich über den so häufigen erbärmlichen Künstlerneid erhaben zeigt.

                              Central Archiv. den 30t 9br. 1810.

Apparat

Zusammenfassung

von Weber, Meyerbeer, G. Weber und Dusch bei Gründung des „Harmonischen Vereins“ aufgesetzte Statuten, die Ziele des Vereins und die Möglichkeiten der Umsetzung gegenseitiger Unterstützung beinhalten; umfasst Festlegung der Leitung (C. M. v. Weber) und Schriftführung (G. Weber) ebenso wie Festlegungen über Mitgliederauswahl, Pflichten der Mitglieder, gegenseitige Würdigung ohne Parteilichkeit etc.

Generalvermerk

zur Datierung vgl. Brief von C. M. v. Weber vom 21. August 1810, in dem er den Versand der Statuten ankündigt; weitere Erwähnung im Brief an Gänsbacher vom 24. September 1810; Fertigstellung der Statuten lt. Brief an Gottfried Weber vom 1. November 1810; im Brief von Carl Maria und Gottfried Weber an Gänsbacher vom 7. Dezember 1810 erfolgte Niederschrift der Statuten von der Hand Carl Marias und Gottfried Webers; vgl. auch Weber-Studien Bd. 4/1

Entstehung

8. Oktober bis 30. November 1810 (lt. Ms. und Briefen s.o.)

Überlieferung

  • Textzeuge: Eigenhändige Kopie: Wien (Österreich), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Bibliothek (A-Wgm)
    Signatur: Weber an Gänsbacher 4

    Quellenbeschreibung

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • MMW I, S. 228–232
    • Kaiser (Schriften), S. 11–15 (Nr. 18)

Themenkommentare

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