Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
München, Donnerstag, 10. August 1815 (Nr. 15)

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An

Mademoiselle Carolina Brandt

Sängerin und Schauspielerin

zu

Prag.

gegen Recipisse.

Meine theure Lina!

Mit schwerem Herzen kam ich hier an, da ich keinen Brief von dir fand. mit noch bangerem erwartete ich den heutigen Posttag und er brachte, — Nichts von dir, aber doch Gott sey Dank durch einen Brief Liebichs die erquikende Beruhigung mit, daß du nicht krank seyst, sondern d: 3t herrlich im Gutsherrn* gespielt und gesungen habest. — da wird freylich mein geliebtes Mukkel viel zu thun gehabt haben, und nicht gefürchtet haben daß ihr Carl sich gleich so kindisch könnte.      Verzeihe wenn mein Brief von Augsburg dich villeicht geängstiget hat, ich schrieb ihn wirklich in großer Beklemmung und Sorge um dich.      Nun bin ich schon zufrieden da ich weiß daß nicht Krankheit dich abgehalten hat einige Posttage nicht mit Deinem Carl zu plaudern.

Ich habe heute schon mancherley preßante trokne GeschäftsBriefe schreiben müßen, und auch mancherley zu Laufen gehabt, du weißt wie das mit Abreisen und Ankommen geht.      da habe ich mir denn das liebste zulezt gespart, um mit dem Gedanken an meine Lina schlafen zu gehen, und ihr eine herzliche innige gute Nacht gewünscht zu haben.      Ich habe nun Gottlob alle Geschäfte die mich unter die Menschen führten, vollendet, und will nun still zu Hause sizzen und den Monat über arbeiten.

d: 8t wo ich No: 14 an dich abschikte, war Abends mein Concert in Augsburg. schön besezt, gieng alles gut. und die Zufriedenheit allgemeinT.      Dann pakte ich ein. d: 9t früh reisten wir ab und kamen Nachtische hier an. Abends war Don Juan, Mad[.] Sessi die Donna Anna. gefiel nicht*.      Heute, habe ich mich so im Taumel und Trübsinn herumgetrieben bis endlich Liebichs Brief ankam, und die frohe Gewißheit über deine Gesundheit, mir wieder Ruhe und Kraft gab an Arbeit zu denken.

Auch habe ich heute früh vom Vice König, Prinz Eugen, einen brillanten Ring mit seiner Chiffre E. erhaltenT.      Schade daß er heute früh kam, sonst würde er mich recht gefreut haben. aber so las ich das begleitende schmeichelhafte Billet sehr zerstreut.

Ich bin recht froh daß ich wieder hier bin. denn obgleich wir in Augsb: recht gut aufgehoben waren, so bin ich dir doch hier näher, und habe keine doppelten Posttage zu warten. freylich hatte ich dort länger Hoffnung, von Verspätung in München pp aber ich soll ja nicht hoffen.      es ist schwer sich so etwas | aber abzugewöhnen.      Die Freude des Wiedersehens zwischen Harlas und Bärm: nach der kurzen Trenung von 4 Tagen, hat mich sehr ergriffen. ich schlich mich ganz leise weg um sie sich selbst zu überlaßen, und meine Gefühle in mich verschließen zu können.

O ich möchte mich so in mich selbst einhüllen können, daß ich allen Wesen als ein undurchdringlicher kalter Nebel da stünde.

Die wärmsten Annäherungen meiner Freunde sind mir meist die wehe thuendsten. wenn sich so gar Niemand um mich bekümert, ganz allein, oder in recht großer Gesellschaft da ist mir am wohlsten. wenn ich all das Gaukelspiel der Menschen um mich herumtanzen sehe; Ihre Träume und Nichtigkeit belächeln muß, wie sie einander Dinge sagen von denen sie eigentlich schon in dem Augenblik nichts wißen. wie sie sich mit Formen und Höflichkeiten plagen, Erbärmlichkeiten zum wichtigsten machen, und so endlich von dem Tummelplaz abfahren, ohne je geahndet nur zu haben, zu was sie der Schöpfer schuf. — Wenn ich dann so auf mich selbst zurük gehe, mit allem meinem Streben mit allem Willen gut und vollkommen zu werden, doch auch sehe daß ich vielleicht auch nur ein Narr bin, der sich um seine Chimäre dreht, dann wird’s mir oft heiß vor der Stirn, und nur manch lichter Augenblik, in dem ich fühle daß doch einst wenigstens eine tröstende Beruhigung durch mein Streben in meine Seele in jenem entscheidenden Augenblik fließen muß, — giebt mir wieder den Muth, fortzuwandeln.

Verzeihe lieber Mukkel, ich träume dir da meine Träume vor, die du mich ja doch selbst so gut kennst, oder wenigstens kennen könntest. –

Mit meiner Gesundheit geht es recht gut, und mein Magen macht nur selten Sprünge.      Liebich klagt sehr über Clement und meint es wäre Zeit daß ich den Szepter wieder ergriffe. — auch naht die Zeit mächtig heran, mit Riesenschritten.

Es wird spät, und ich bin sehr angegriffen, muß also schon meiner geliebten Lina gute Nacht sagen.      Schlafe ruhig und zufrieden, erwache froh und heiter, und kannst Du ein 4tel Stündchen gerne mit Deinem Carl plaudern, so denke daß dieß die lezten Freuden seines Lebens sind, und daß nur zu bald auch diese ihm ganz entzogen werden.      ich drükke dich in Gedanken innigst an meine treue | Brust, und küße Dich Millionenmal. schlafe wohl, recht wohl und süß. und vergiß nicht ganz deinen unveränderlich dich liebenden Carl.
gute gute Nacht.!!!

Apparat

Zusammenfassung

Tagebuch 8.-10. August: äußert sich über sein Augsburger Konzert – Rückreise nach München – Opernbesuch; habe vom Vize-König einen Brillantring erhalten; larmoyante Stimmung

Incipit

Mit schwerem Herzen kam ich hier an

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 61

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelloch
    • PSt.: a) R. 4. MÜNCHEN. | 11 AUG. 1815; b) Chargé
    • Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • a) MMW I, S. 485 (Auszug)
    • b) Muks, S. 183–186 (Nr. 32)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… 3 t herrlich im Gutsherrn“Caroline Brandt: Rolle der Babett.
    • „… Donna Anna . gefiel nicht“Vorstellung im Hof- und Nationaltheater; zur Bewertung vgl. auch AmZ, Jg. 18, Nr. 8 (21. Februar 1816), Sp. 122.

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