Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Freitag, 12. September 1817 (Nr. 89)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt.

dermalen Mitglied des Ständischen

Theaters

zu

Prag.

Kohlmarkt 514.

2t Stok.

Vielgeliebte Mukkin!

Ich bin so außerordentlich mit dir beschäftigt, daß ich gar nicht zu dir kommen kann. Die Arbeitsleute machen mir den Kopf toll, um mich herum nichts als Zerstörung, Staub und Lärm, von einer Stube in die andere retirire ich, und werde bald nicht mehr wißen wohin. seit 4 Tagen habe ich nicht einmal mein Tagebuch eingetragen*. dein lieber Brief No: 3 – 90. hat mir wegen seines heiteren Sinnes viel Freude gemacht. Die Fremden kommen mir immer ungelegen, denn ich bin nicht gleich so scharmant, und gesehen haben sie mich ja*. alle Tage auf dem Baade, haben sie gute Augen gehabt. – inzwischen da du sie einmal empfiehlst muß ich wohl das möglichst freundliche Gesicht hervorsuchen.       Daß du bös warst, wußt ich wohl, denn du bist noch immer das verzogene eigenwillige Kind, das den Tisch schlägt an dem es sich gestoßen hat, zum Glük dauert es nicht lange und du komst selbst wieder zur Vernunft, und wenn wir beisammen sind, vergehts noch schneller, ich laße dich dann allein in deinem Nest wenn du den Raptus hast, und kom erst wieder bei guter Stund. gelte?      Die Hoffnung zum früher kommen laße ja nicht zu feste Wurzel faßen, noch immer weiß ich nichts bestimtes. daß du bei Gustel* bleiben kannst ist gut, und wußt ich im Voraus.

Jezt kann ich dich gewiß nicht mit einem bösen Auge ansehen, denn ich habe mir vorgestern die HünerAugen wett machen laßen*, worüber [ich sehr] froh bin.      Von Brühl habe ich endlich einen Brief erhalten, worin er immer die Hoffnung noch nicht aufgiebtT, aber nun ist die Reihe an mir nicht zu können, denn habe ich einmal mein Nest so fest gebaut, ist es schwer mich wieder heraus zu bringen. – Meine Matraze geb ich nicht der Magd, vielleicht hat sie ihr Bett. Der Bediente hat sein eigenes, und schläft allerdings bei uns im Hause.      Es ist mir lieb daß dir selbst der Wiener Plan nicht gescheit vorkömt, du wirst meine Bestätigung jezt schon darüber haben.      Ich werde knapp in 4 Wochen mit All dem Einrichten fertig, weil es so von Grund aus geschehen muß. in einem Zimmer ist eine förmliche Tischler Werkstatt aufgeschlagen. Die Wahl der Farben pp macht mir viel Kummer, wenn es dir nun [am] Ende gefällt, und auch mir, ich bin [etwas schwer zufrieden zu stellen] in solchen Dingen, denn ich habe [zu viel Schönes in meinem Leben geseh]en. Gestern habe ich wieder [etwas rein für dich gekauft* und di]r einen großen Kleider Schrank bestellt. aber troz [alle dem wirst] du noch viel viel zu thun übrig [haben. das TheeZeug ist sehr schön] ausgefallen, und auch das Porzellän [für den Tisch ist nicht übel, freilich n]icht so schön als ich es wollte, aber [das] kam [mir zu hoch, H: Morlachi] ist abgereißt*, und übrigens ziemlich [Ruhe und Frieden bis auf das diese viele] Arbeit, Briefe pp mir über den Kopf [wächst da ich gar nichts […] al]s meine Proben halten, und übrigens [beklage dich] […] nicht über den kurzen Brief, und bedenke [daß ohnedieß] […]

[Grüße mir] Dr. und die Mutter aufs beste. [Gott segne dich + + + und erhalte dich gesund und] heiter, sey brav und behalte lieb deinen dich über alles liebenden
Carl.

Apparat

Zusammenfassung

klagt über die viele Arbeit in der neuen Wohnung und mit den Handwerkern, hat einen Brief von Brühl erhalten, in dem jener die Hoffnung noch nicht aufgiebt, aber nun kann er nicht mehr nach Berlin gehen, da er sich eingerichtet habe

Incipit

Ich bin so außerordentlich mit dir beschäftigt

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A a 2, 21

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelspur und -loch
    • durch Wasserschaden einzelne stark verblasste Passagen
    • am unteren Rand der Adressen-Seite Zusatz von F. W. Jähns (Tinte): „Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.“, auf der Briefseite zum Datum (mit Bleistift): „Dresden.“

    Provenienz

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

Textkonstitution

  • ß„s“ überschrieben mit „ß
  • s„ß“ überschrieben mit „s
  • „ich sehr“ergänzt von den Hg.
  • „am“ergänzt von den Hg.
  • „etwas schwer zufrieden zu stellen“ergänzt von den Hg.
  • „zu viel Schönes in meinem Leben geseh“ergänzt von den Hg.
  • „etwas rein für dich gekauft und di“ergänzt von den Hg.
  • „alle dem wirst“ergänzt von den Hg.
  • „haben. das TheeZeug ist sehr schön“ergänzt von den Hg.
  • „für den Tisch ist nicht übel, freilich n“ergänzt von den Hg.
  • „mir zu hoch, H: Morlachiergänzt von den Hg.
  • „Ruhe und Frieden bis auf das diese viele“ergänzt von den Hg.
  • „wächst da ich gar nichts […] al“ergänzt von den Hg.
  • unleserliche Stelle
  • „beklage dich“ergänzt von den Hg.
  • unleserliche Stelle (ca. 20 Zeichen)
  • „daß ohnedieß“ergänzt von den Hg.
  • unleserliche Stelle
  • „Grüße mir“ergänzt von den Hg.
  • „Gott segne dich + + + und erhalte dich gesund und“ergänzt von den Hg.

Einzelstellenerläuterung

  • „… nicht einmal mein Tagebuch eingetragen“Gemeint ist wohl die Reinschrift im Tagebuch, nicht aber die fortlaufend festgehaltenen Notizen, denn im bezeichneten Zeitraum unterscheiden sich die Einträge nicht vom sonst Üblichen.
  • „… gesehen haben sie mich ja“Mit den Fremden könnten Prof. J. N. Zizius und sein Begleiter Schweizer aus Wien gemeint sein, die vermutlich über Prag nach Dresden gereist waren und auch Kontakt zu Caroline Brandt gesucht haben dürften. In Webers Tagebuch werden sie zwischen dem 9. und 13. September 1817 mehrfach erwähnt.
  • „… bestimtes. daß du bei Gustel“Möglicherweise könnte August Pomsel gemeint sein; seine Funktion als Brautführer bei der Weberschen Hochzeit spricht für ein entsprechendes Vertrauensverhältnis. Es wäre denkbar, dass Pomsel und seine Frau als vorübergehende Gastgeber für Caroline Brandt im Gespräch waren; vielleicht thematisierte Weber dies auch in seinem Brief an Mad. Pomsel vom 8. September 1817.
  • „… die HünerAugen wett machen laßen“Im Tagebuch ist die „HünerAugenOperation“ am 11. September eingetragen.
  • „… etwas rein für dich gekauft“Laut Tagebuch hatte Weber einen Teppich sowie Vorhangstoff gekauft.
  • „… hoch, H: Morlachi ist abgereißt“Morlacchi hatte Urlaub erhalten, um zwei Opernaufträge in Italien ausführen zu können. Für Neapel schrieb er La Boadicea, für Mailand Gianni di Parigi. Er kehrte erst im Juni 1818 nach Dresden zurück; vgl. AmZ, Jg. 20, Nr. 29 (22. Juli 1818), Sp. 530.

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