Carl Maria von Weber an Alexander von Dusch in Karlsruhe
Dresden, Montag, 15. Januar 1821

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Lieber Bruder!

Welche Freude war es mir die alten wohlbekannten Schriftzüge wieder zu sehen, die so manche herrliche Erinnerung mitbrachten. Hatte mich auch früher schon deine „Cantemire“ selbst erfreut als interessant an sich und doppelt mir, in dem Beweise daß du noch für die Kunst lebst und wirkst – so zürnte ich doch auch ein wenig mit dir, daß du so gar nicht es der Mühe werth hieltst, deinem alten treuen Bruder davon zu sprechen. Es hat sich mir so manches Theure langsam und schmerzlich losgelöst, ich stehe immer vereinzelter in der Welt mit der warmen Gluth für das Wohl der Sache eben so wie jemals erfüllt, so oft verkannt, verletzt, vergessen und noch öfter mit Undank belohnt, daß es mir gar wohl thut, nähert sich mir eine alte liebe Gestalt.      Ich hätte längst auch selbst an Fesca geschrieben, hätte ich nicht die Scheu, zudringlich zu erscheinen oder gar einer lächerlichen Protectionsmiene beschuldigt werden zu können befürchtet. Nun ist dies Alles gehoben. Fesca hat mir freundliche Zeilen geschrieben, ich habe ihn mit heutiger Post um seine Oper bitten können und somit möge der Himmel weiter sorgen, daß man mir auch die Kräfte gibt und läßt sie würdig aufführen zu können. Die Cantemire selbst ist eine sehr schwierige Aufgabe. Ich will nun sehen in wie fern sie es auch in musikalischer Hinsicht ist. Was ich für das Werk thun kann soll gewiß geschehen und jede weitere Versicherung wäre hoffentlich bei dir überflüssig*.

Deine Zeilen erhielt ich in Kopenhagen*. Im Strudel der Reise fand ich keine Muße zu antworten.      Hier fand ich bei meiner Zurückkunft Vieles verändert. Eine neue Direction*, neue Ansichten. Ich müßte Bücher schreiben, wollte ich dich unseren Kunstzustand kennen lernen. Seit vier Jahren kämpfe ich mit aller Kraft, mit Aufopferung physischer und künstlerischer Gesundheit für das Wohl der Kunst überhaupt und der deutschen insbesondere. Ich kann sagen daß Vieles mir gelungen ist, daß mein Streben nicht ganz wirkungslos war. Was nun werden soll bei der ganz dem wälschen Ohrenkitzel sich mit Vorliebe hinneigenden Direction, weiß der Himmel. Vielleicht ist in wenig Monaten Alles mühselig Erbaute zerstört — — ich habe das Meinige gethan. — Wie Gott will. […]

Apparat

Zusammenfassung

dankt für Duschs Brief, der in ihm die Erinnerung an alte Zeiten wachgerufen habe; betr. Duschs Cantemire-Libretto: eben sei ein Brief an Fesca abgegangen, in dem er um Zusendung der Oper gebeten habe, für die er sich nach Kräften einsetzen wolle; habe bei der Rückkehr von seiner Reise in Dresden einiges verändert gefunden; klagt über die Vorliebe der neuen Direktion für die Musik der Italiener und fürchtet, dass alles bisher in Dresden von ihm Geleistete zerstört werden könnte

Incipit

Welche Freude war es mir die alten wohlbekannten Schriftzüge

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Verbleib unbekannt

    Provenienz

    • lt. Liste von Kaiser (vor 1918) im Besitz von Freiherrn v. Dusch, Karlsruhe
  • 2. Textzeuge: MMW II, S. 280–281 (unvollständig)

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