Carl Maria von Weber an Hans Heinrich von Könneritz in Dresden (Entwurf)
Dresden, Mittwoch, 29. August 1821

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an H: Geheimen Rath v: Könneritz.

Hochwohlgebohrner Herr
Hochzuehrender H: Geh: Rath.

Auf des H: Geh: Raths Verlangen* an ihn geschrieben d: 29t August 1821 aber vom 11t datirt.
Auch nur das Roth bezeichnete gelaßen.

In der Beylage habe ich die Ehre Hochdenselben einen Ruf des Churfürstl: Hofes zu Cassel, zur Annahme der Direction der dortigen Oper mit einem Gehalt von 2500 rh: vorzulegen.

Ehe ich etwas weiter hierauf sich unmittelbar beziehendes bemerke, fühle ich mich gedrungen auszusprechen wie glüklich ich mein Verhältniß im Allerhöchsten hiesigen Dienste als Bürger und Mensch preise. wie mit jedem Jahr länger ich es höher achten und lieben lerne und wie über alles betrübend mir nur der Gedanke an eine Trennung von denselben sein würde.

Ich habe das Glük gehabt diese Gesinnung durch die That beweisen zu können, indem ich früher, wiederholte Anträge und Aussichten, zu bedeutenden Gehalt pekuniären Vortheilen, nach BerlinT, Weimar, Frankfurt pp von mir gewiesen habe*; und zwar zu einer Zeit wo manches sehr schmerzlich auf mich eingewirkt hatte. Aber nicht verhehlen glaube ich es auch zu dürfen daß meine Stellung hier als Künstler zu den peinlichsten gehört. die Gründung der deutschen Oper ist Allerhöchstem Orte zwar nachgegeben und zugelaßen worden, keinesweges aber aus innerer Neigung veranlaßt worden.viel drükkendes mit sich führt. Ich kann das aus meinen Erfahrungen entsprungene Gefühl nicht verscheuchen daß die deutsche Oper allerhöchsten Ortes nur geduldet wird. die KunstGattungen selbst mußten eine Art Opposition bilden, die nur zu oft von Parthei nehmenden zum förmlichen Wiederstreben statt zu wohlthätiger Reibung geführt wurde. ich mußte die höchst niederschlagende Erfahrung machen, daß je eifriger ich nach meiner Ueberzeugung meine Pflicht that, je unangenehmer, mißfälliger mußte ich fürchten Allerhöchsten Ortes zu werden, weil das mein Streben sehr leicht für Ankämpfen gegen das schon länger bestehende, […] ältere bewährte Rechte habende, angesehen werden konnte.

Die Werke* die ich vorzubringen wagte, wurden mit Stillschweigen übergangen. Beweis der Zufriedenheit konnte das nicht sein. Meine Dienstleistungen überhaupt, die laut meines Anstellungsdekretes* gleichförmig mit andern sein sollten, wurden wiederholt auf so für mich kränkende Weise anderst angeordnet. Ich mußte allerdings auch hiebey die Gerechtigkeitsliebe S: Majestät verehren, die den älteren Diener nicht kränken wollte, für mich blieb es aber doch daßelbe. Je mehr Beweise von Theilnahme und Achtung mir das Ausland gab und täglich giebt, je schmerzlich[er] vermißte ich dieses in dem Verhältniß dem ich alle meine Kräfte, mein Streben, meine Gesundheit im vollsten Eifer weihte. In künstlerischer Hinsicht nun scheint der Ruf nach Cassel einen freyen Wirkungskreis zu bieten. In Ökonomischer überwiegt der dortige Gehalt meinen jezigen um 1000 rh: Jederman hat Pflichten gegen sich und die Seinigen, ich enthalte mich aber aller weiteren Bemerkungen oder gar Vorschläge über diesen Gegenstand. Die Pflichten die jeder Familien Vater gegen sich und seinigen hat, entschuldigen es daß ich dieses hier wiederhol. anführe ich habe blosMein Ersuchen an Ew Hochwohlgebohren zu bitten geht also dahin, die ganze Sache S: Majestät dem Könige vorzulegen. Seine Weißheit, Gnade und Gerechtigkeit eines erhabenen Monarchen ist mir sicherster Leitstern, und ich baue unbedingt darauf.

Indem ich blos anzuführen wage daß allerdings der Künstler Theilnahme und Aufmunterung bedarf, ich und ist es eine Schwäche die ich da bekenne, so ist [es] vielleicht die die den Künstler eben macht. und ihn vom blos abgelohnten Handwerker unterscheidet

Ew: Hochwohlgebohren Vorsorge und Güte vertrauend, bin ich mit der vollkommnen Achtung CMvW:

Apparat

Zusammenfassung

übersendet Kasseler Angebot und erwägt dieses unter besonderer Betonung seiner bisherigen Treuebeweise für den König aber auch seiner leidigen Dresdner Erfahrungen, vor allem die deutsche Oper betreffend; bittet die Sache dem König zur Entscheidung vorzulegen (ohne um eine Entlassung zu bitten!)

Incipit

In der Beylage habe ich die Ehre

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Entwurf: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (XI), Bl. 74a/r u. 74a/v

    Quellenbeschreibung

    • Die im Original rot gekennzeichneten Abschnitte wurden mit geringfügigen Abänderungen für die Reinschrift, rückdatiert auf den 11. August 1821, verwendet.

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • MMW II, S. 335–337
    • Otto Lessmann: „Zur Erinnerung an C. M. v. Weber“, in: Allgemeine Musik-Zeitung. Wochenschrift für die Reform des Musiklebens der Gegenwart, Jg. 13, Nr. 52 (24. Dez. 1886), S. 542

Textkonstitution

  • „Auf des H: … Roth bezeichnete gelaßen.“am Rand hinzugefügt
  • „… nur das Roth bezeichnete gelaßen“Ergänzung des letzten Satzes mit roter Tinte. Die somit gekennzeichneten Textpassagen wurden in die Reinschrift des Briefes mit geringfügigen Abweichungen übernommen.
  • hierauf„auf“ durchgestrichen und ersetzt mit „hierauf
  • „mit“über der Zeile hinzugefügt
  • m„s“ überschrieben mit „m
  • „länger“durchgestrichen
  • betrübend„schmerzlich“ durchgestrichen und ersetzt mit „betrübend
  • sein würde„ist“ durchgestrichen und ersetzt mit „sein würde
  • Ich„ich“ durchgestrichen und ersetzt mit „Ich
  • und Aussichten„von“ durchgestrichen und ersetzt mit „und Aussichten
  • „Gehalt pekuniären“durchgestrichen
  • sehr„höchst“ durchgestrichen und ersetzt mit „sehr
  • „… schmerzlich auf mich eingewirkt hatte.“Von „In der Beylage [...]“ bis hier am Rande mit roter Tinte geklammert und mit Ziffer 1. bezeichnet.
  • „hier“über der Zeile hinzugefügt
  • „zu den peinlichsten gehört. die Gründung der deutschen Oper ist Allerhöchstem Orte zwar nachgegeben und zugelaßen worden, keinesweges aber aus innerer Neigung veranlaßt worden“durchgestrichen
  • „viel drükkendes mit“über der Zeile hinzugefügt
  • „sich führt.“am Rand hinzugefügt
  • „Ich kann das … nur geduldet wird.“am Rand hinzugefügt
  • allerhöchsten„von Seiten“ durchgestrichen und ersetzt mit „allerhöchsten
  • „Kunst“über der Zeile hinzugefügt
  • „das“durchgestrichen
  • „[…]“gelöschter Text nicht lesbar
  • „so“durchgestrichen
  • „kränken“durchgestrichen
  • „von Theilnahme und Achtungam Rand hinzugefügt
  • „Achtung“durchgestrichen
  • vermißte ich„fühlte ich“ durchgestrichen und ersetzt mit „vermißte ich
  • „alle“über der Zeile hinzugefügt
  • „… Gesundheit im vollsten Eifer weihte.“ab hier bis: „Gegenstand“ als Klammer 2. mit roter Tinte gekennzeichnet
  • „nun“über der Zeile hinzugefügt
  • „weiteren“über der Zeile hinzugefügt
  • „Die Pflichten die … hier wiederhol. anführe“am Rand hinzugefügt
  • „gegen sich und seinigen“durchgestrichen
  • „… ich dieses hier wiederhol. anführe“Das Wort „anführe“ ist korrigiert aus einem nicht lesbaren Wort. Die genaue Position des Randeinschubs wurde von Weber nicht vermerkt.
  • „ich habe blos“durchgestrichen
  • „… wiederhol. anführe ich habe blos“bis „unbedingt darauf“ mit roter Tinte als Klammer 4 gekennzeichnet.
  • „Mein Ersuchen an“am Rand hinzugefügt
  • „zu bitten“überschrieben
  • „geht also dahin“über der Zeile hinzugefügt
  • „Seine“durchgestrichen
  • e„te“ überschrieben mit „e
  • „… “bis „eben macht“ mit roter Tinte als Klammer 3 gekennzeichnet
  • Indem ich blos anzuführen wage„Ich darf es nicht bergen“ durchgestrichen und ersetzt mit „Indem ich blos anzuführen wage
  • „allerdings“über der Zeile hinzugefügt
  • „ich“durchgestrichen
  • „und ihn vom blos abgelohnten Handwerker unterscheidet“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „H: Geh: Raths Verlangen“Vgl. auch Tagebuch, 29. August 1821.
  • „… pp von mir gewiesen habe“Zum Abwägen zwischen Anstellungen in Berlin und Dresden vgl. den Brief an Caroline Brandt vom 1. Juli 1817. In Frankfurt/Main war 1817 (nach Ausscheiden von Carl Joseph Schmitt) das Amt des Musikdirektors vakant; ob Weber tatsächlich als dessen Nachfolger im Gespräch war, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit belegen. Eine mögliche Anstellung als Hofkapellmeister in Weimar ergab sich nach dem Tod von August Eberhard Müller; Weber soll 1818/19 zu den Mitbewerbern um dessen Amt gehört haben; vgl. Wilhelm Bode, Die Tonkunst in Goethes Leben, Berlin 1912, Bd. 2, S. 156 sowie Wolfram Huschke, Musik im klassischen und nachklassischen Weimar, Weimar 1982, S. 64.
  • „Die Werke“Gemeint sind die beiden Messen samt Offertorien, möglicherweise auch die Jubel-Kantate.
  • „Anstellungsdekretes“Betrifft Webers Gleichstellung mit Morlacchi als Kapellmeister, vgl. Brief vom König an Vitzthum vom 8. Februar 1817.

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