Carl Maria von Weber an Franz Danzi in Karlsruhe
Hosterwitz, Mittwoch, 26. Mai 1824
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Herzlich geliebter Freund und Vetter!
Haben Sie innigen Dank für alle Liebe, Sorge, und Noth, die Sie mit meiner Euryanthe gehabt haben; und vorzüglich aber auch für die schonende Weise mit der Sie mir den eigentlichen Erfolg derselben zu verbergen suchten*.
ich bin aber darauf an den meisten Orten gefaßt, denn das jezige Kunsttreiben ist so wunderlich durcheinander gewirbelt, die eigentliche Andacht der Hörer und Ausführer, so fast gänzlich erloschen, und‡ man will von der‡ Kunst nur gleich einer Bayadere jezt‡ gekitzelt sein, daß ich mich ordentlich wundre wenns einmal wo anders ist, und ein ernstes Streben, wirklich eingreifft. In Dresden war dieß der Fall. Wie’s weiter wird, wollen wir abwarten, und am Ende muß es ja nicht sein daß man Opern macht.
Kennte ich Sie nicht, mein innig verehrter alter Freund, deßen Einsicht ich immer und immer gerne meine Ansicht unterordnen werde; so würde ich entsezlich über die Besezzung des Lysiart durch Weixelbaum!!! lamentiren. Aber es war gewiß auf diese Art am besten, und ich sage, Herr dein Wille geschehe.
Am Ermunterndsten und tröstlichsten ist mir das, was Sie mir selbst über Eury: sagen. Sie wißen daß eigentlich nur Ihr Beifall, Ihre Aufmunterung mich eigent‡ in Stuttgart der Kunst erhielten, und wie theuer und wichtig mir daher jedes Wort von Ihnen, dem Treumeynenden ist. dem Zeitgeist habe ich übrigens gewiß nicht huldigen wollen, habe ich es doch gethan, hat mich der Teufel unbewußt geritten; obwohl ich gerade über dem Modulationspunkt, sehr strenge über mich wache. aber ich wills gewiß noch mehr thun, laße ich mich‡ wieder zu einer Oper verführen. |
Noch immer bin ich allein im Dienst. also entsezlich geplagt. kaum zu glauben ist es daß ich diese Strapaze, nun bald 8 Monate, so aushielt. aber ich fühle es auch gehörig an einer totalen Abspannung, und Gleichgültigkeit gegen Freud und Leid. den July werde ich im Marienbade Erholung suchen. Frau und Kind sind gottlob gesund. Meine Hoffnung Sie liebster Kollege dieses Jahr zu sehen, ist auch durch diese DienstVerhältniße verhindert worden in Erfüllung zu gehen.
Was künftiges Jahr geschieht?, wer kanns wißen? ich nicht, ich weiß nur das gewiß daß ich mit alter inniger Treue, Liebe, und Hochachtung, unveränderlich bin und bleibe, ganz
Ihr
Weber.
Hosterwitz bei Pillnitz.
d: 26t May 1824.
Apparat
Zusammenfassung
Dank für Danzis Bemühungen um Euryanthe und Beurteilung des Werkes, die ihm so wichtig sei; Weber habe nicht wissentlich dem Publikumsgeschmack huldigen wollen (insbes. „Modulationspunkt“); Urteil über Kunstbetrieb; Überlastung durch Arbeit, da seit fast acht Monaten allein im Dienst; Privates und Reisepläne
Incipit
„Haben Sie innigen Dank für alle Liebe“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. II A f 1, 12aQuellenbeschreibung
- 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
- PSt: a) DRESDEN | 28 Mai 24; b) HalbrundSt.: CARLSRUHE
- auf Bl. 1r am linken Rand Bleistiftnotiz von F. W. Jähns mit Hinweis auf seinen Band mit Brief-Kopien Weberiana Cl. II B (dort steht auf S. 84 ein Hinweis auf den Teilabdruck des Briefes bei MMW)
Provenienz
- auf der Adressenseite unten rechts von F. W. Jähns (Blei): „von W. Küntzel“
Dazugehörige Textwiedergaben
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in: Reipschläger, Erich: Schubaur, Danzi und Poissl als Opernkomponisten. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der deutschen Oper auf Münchener Boden, Diss. Rostock 1911, (Druck: Berlin 1911), S. 105–106
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MMW II, S. 539-540 (unvollständig)
Textkonstitution
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„und“über der Zeile hinzugefügt
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„von der“„die“ durchgestrichen und ersetzt mit „von der“
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„jezt“durchgestrichen
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„eigent“durchgestrichen
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„mich“über der Zeile hinzugefügt
Einzelstellenerläuterung
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„… Erfolg derselben zu verbergen suchten“Zur Beurteilung der Karlsruher Erstaufführung der Euryanthe am 21. März 1824 vgl. die Berichte in der Presse.