Carl Maria von Weber an Heinrich Baermann in München
Ems, Dienstag, 9. August 1825
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Mein lieber Bruder!
Deinen lieben Brief vom 14t Juny erhielt ich in Dresden in dem Augenblikke, wo die Ärzte ganz unvorhergesehen den Beschluß faßten mich nach Ems zu schikken. die Vorbereitungen zu einer solchen Reise und langen Trennung von den Meinigen, ließen mich zu nichts anderem kommen, und ich hoffte dir gleich in den ersten Tagen meines Aufenthaltes hier, schreiben zu können. Man ist aber so mit Nichtsthun im Bade beschäftiget daß man durchaus keine Zeit finden kann, und ich sehe mit Beschämung daß auch dein 2t Brief am 10t July seit dem 24t in meinen Händen, und doch noch unbeantwortet ist. Seit dem 15t July bin ich nun hier, und trinke und bade mit größtem Fleiße, ohne aber besondere Beßerung meines Halsübels zu fühlen, obwohl ich mich im Ganzen wohl und kräftiger befinde. Nun, — das Beste soll ja immer bei Badekuren nachkommen. der Himmel gebe es! — —
Um nur auch etwas Ursache zu haben mit dir zu zanken, muß ich dir den Vorwurf machen daß du meine Briefe nicht ordentlich beantwortest. Es wäre mir angenehm gewesen wenigstens erkannt zu wißen was ich in Dresden gethan um Poißls Wunsch zu erfüllen, und wenn es nicht ganz in dem Maaße geschah, so geschah doch Anderes, und Anständiges. ich bin fest überzeugt daß wenn Poißl in München das thut was ich gethan Er gewiß eher zum Ziele kommt, da man bei Euch nicht so bis zum Wunderlichen ängstlich in Vertheilung solcher Auszeichnungen ist*. — Statt alle deßen erfahre ich daß ich das Glük haben soll die Oper an die Direktion schikken zu dürfen. zu billigem Preise natürlich. Gott!, welch ein glüklicher Mensch ist ein deutscher Komponist. — Euryanthe wird abgeschrieben. Es dünkt mir daß ich sie auch Sr‡ Majestät Eurem huldvollen Monarchen zu Füßen legen könnte. — doch will ich mich noch besinnen und deine‡ Meynung darüber hören. dem Baron v. Poissl danke übrigens in meinem Nammen bestens, für die erneute Aufführung des Freyschüzzen*. Hoffentlich komt noch diesen Winter seine Prinzeßin von Provence auf die Bühne, wenn das Maschinenwesen keine Hinderniße giebt*. da ich nur noch 10-12 Tage hier bleibe, so bitte ich dich mir nach Dresden zu antworten. wo ich auf jeden Fall die Partitur der Eury: sogleich absenden werde. ich könnte | Euch auch die ausgeschriebenen Orchester Stimmen überlaßen*, aber ich errinnere mich daß Eure Stimmen auf eine andre Art geschrieben sind. Solltest du zur Sendung an den König rathen, so wäre es vielleicht dem B: Poissl angenehmer die Oper durch unsern Gesandten überreichen zu laßen? ich weiß nicht wie es bei Euch Styl ist, wie man es bei uns am besten zu machen hat, habe ich Euch berichtet. doch nun genug, und bis an den Hals genug von meinen Angelegenheiten.
Gott gebe daß es dir und den deinigen wohl gehe. deiner liebenswürdigen Gattin danke ich herzlichst für Ihren schönen Zuruf, den ich gewiß vollkommenst zu würdigen weiß. wollte der Himmel ich könnte Euch einmal mündlich mein Herz ausschütten. doch, ich bin es ja schon gewohnt nie mir selbst leben zu können.
Lebe wohl, laße mich bald von dir hören. grüße alle Bekannten bestens, und behalte lieb deinen alten treuen Freund und Bruder CMvWeber Bad-Ems d: 9t August 1825.
Apparat
Zusammenfassung
die bisher erfolglose Kur habe ihn zur Schreibfaulheit verleitet; über seinen Einsatz für Poißl in Dresden und dessen Bemühungen um W’s Oper in München; würde Euryanthe gerne Max I. überreichen, wenn Baermann es gutheißt; betr. Aufführung des Freischütz in München und Plan, Poißls Oper in Dresden aufzuführen; dankt für Brief von B’s Frau
Incipit
„Deinen lieben Brief vom 14t Juny erhielt ich“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 32Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
- PSt: MBS.R.I.
- auf der Adressenseite Antwortvermerk mit Bleistift: „den 16t August | beantwortet“
Provenienz
- Henrici Kat. 114 (6./7.Dez. 1926), Nr. 598 (Heyer I); dort von der Bibliothek erworben
- Henrici Kat. 2 (6.-7.Mai 1910), Nr. 360
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Nohl 1867, S. 294–296
Textkonstitution
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„Sr“„d“ überschrieben mit „Sr“
-
„… mich noch besinnen und deine“dreifach unterstrichen
Einzelstellenerläuterung
-
„… in Vertheilung solcher Auszeichnungen ist“Vgl. Der baierische Volks-Freund. Ein Unterhaltungsblatt für alle Stände, Jg. 2/1, Nr. 66 (2. Juni 1825), S. 267: „Se. Majestät der König von Sachsen haben dem königl. baier. Hoftheater-Intendanten, Freyherrn von Poißl, für die Ihm zugesandte Partitur der Zauberoper: die Prinzessin von Provence, mit einer kostbaren, mit Brillanten besetzten goldenen Dose beschenkt.“ Vgl. auch die Notiz in der Abend-Zeitung, Jg. 9, Nr. 131 (2. Juni 1825), S. 524.
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„… die erneute Aufführung des Freyschüzzen“Nach der Aufführung am 12. Januar 1823 hatte die Oper in München über zwei Jahre geruht, bis sie am 11. und 12. Juni 1825 dort erneut auf die Bühne kam; vgl. u. a. Die Grazien. Blätter aus Baiern zum Nutzen und Vergnügen, Jg. 2, Nr. 95 (15. Juni 1825), S. 378f., Nr. 96 (16. Juni 1825), S. 384 sowie den Bericht in der Abend-Zeitung vom 1. und 2. Juli 1825.
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„… die ausgeschriebenen Orchester Stimmen überlaßen“Weber hatte für die Königsberger Aufführung der Euryanthe u. a. das Stimmenmaterial für Carl Devrient anfertigen lassen (vgl. den Brief vom 13. Mai 1825 sowie die Tagebuchnotiz zur Bezahlung vom 28. April 1825).