Dramatisch-musikalische Notizen (Dresden): „Das Lotterie-Los“ von Niccolò Isouard

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Dramatisch-musikalische Notizen.

Als Versuche, durch Kunst-Geschichtliche Nachrichten und Andeutungen die Beurtheilung, neu auf dem Königl. Theater zu Dresden erscheinender Opern zu erleichtern.
Von Carl Maria von Weber.

Sonntag, den 11. Mai, zum Erstenmale: Das Lotterie-Loos, Oper in 1 Akt, nach dem Französ. mit Musik von Nicolo Isouard*.

Diesen Lieblings-Komponisten der jetzigen französischen Musik-Welt, der sich Familien Verhältnisse halber, früher meistensΔ blos Nicolo de Malte nannte – habe ich nicht das Vergnügen zum erstenmale dem hiesigen Publikum vorzuführen, indem seine erste Oper: L’avviso ai maritati, die er zu Florenz schriebΔ, schon 1795 hier aufgeführt wurde.

1775 zu Malta geboren, machte er auch da seine ersten musikalischen Studien, die er sodann in Palermo, Neapel, Florenz, und später in Paris fortsetzte. Den Resultaten derselben zu Folge, scheint ihn sein lebendiger reger Sinn mehr zu dem auf der Bühne wirken könnendemΔ, als zu der vollendeten Herrschaft über alle Geheimnisse der harmonischen Baukunst in ihrer classischen Vollkommenheit gezogen und gebracht zu haben.

Reiche Erfindungsgabe und eine gewisse Frische der Ideen bei Bezeichnung der Charaktere, haben beinahe allen seinen Werken den entschiedensten Beifall erworben: wenn gleich der Mangel an innerer Vollendung und Feile, sie dem strengerenΔ Forscher nur als geistvolle Skizzen durch die mit wahrhaft regem Leben bezeichnenden Melodie-Contouren zeigt, denen aberΔ jene begründete Haltung fehltΔ, die allein dem Meister angehörig ist.

In Italien und Malta schrieb er 10–12 Opern, die sich wenig verbreitet haben. In Frankreich hingegen 20–22, von denen die meisten sich großen Beifalls erfreuten. Namentlich des ausgezeichnetesten seine Cendrillon (Aschenbrödel, 1810), die in Paris 90mal hintereinander gegeben wurde, und auch in Deutschland beinahe durchgehendsΔ großes Glück machte*.

Ganz etwas Charakteristisches möchte aus der Bemerkung hervorgehen, daß trotz des Beifalls, den diese Oper überall erhielt, doch vielleicht die wenigsten Hörer derselben, wissen, wer sie komponirt hat; und daß – besondersΔ in Deutschland – seine Opern gern gesehen werden, ohne daß sein Name bedeutend verehrtΔ würde. –

Un jour à Paris. Michel Ange. Le Médicin turc. Cimarosa und neustens Joconde*, haben sich bei uns am meisten verbreitet.

Das Lotterieloos gehört offenbar mit zu den lieblichsten Schöpfungen, in welchen er sein ausschließend der Konversations-Oper angehöriges Talent auf das bestimmteste durch blühende Melodien und wahrhaft dem reinsten Frohsinn angehörige FarbengebungΔ bewährt.

Isouard privatisirt zu Paris, wo er auch als vorzüglicher Clavierspieler geschätzt wird, und man erwartet gegenwärtig von ihm auf dem großen Operntheater Δ die von Etienne gedichtete Oper: Alladin, ou la lampe merveilleuse.

Apparat

Zusammenfassung

nach einer knappen biographischen Notiz zum Komponisten, geht Weber ebenso auf dessen erfolgreiche Oper „Cedrillon“ und andere Werke kurz ein

Entstehung

7. Mai 1817 (laut A und TB)

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 111 (9. Mai 1817), Bl. 2v

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • HellS III, S. 100–102
    • MMW III, S. 145–146
    • Kaiser (Schriften), S. 289–291 (Nr. 114)
  • 2. Textzeuge: Entwurf: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A f 3. 23ζ

    Quellenbeschreibung

    • über dem Ms. Titel: „Dr. m: N:“; Incipit: „Sonntag d: 11t. May zum Erstenmale, Das Lotterielos Oper in 1 Akt“; datiert: „d: 7t: May 1817. Dresden. Nachts.“
    • von Jähns pag. mit 4; auf Bl. 2v von DBl. (Format 33,3x20,6 cm, WZ: bekröntes Wappenschild, Gegenmarke: KIRCHBERG, Kettlinien ca. 2,5 cm)

Textkonstitution

  • „könnendem“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… mit Musik von Nicolo Isouard“Vgl. TB-Eintrag, den Bericht in der Abend-Zeitung und Brief an C. Brandt vom 10./11. Mai 1817. 1813 fand in Prag unter Webers Leitung die Erstaufführung des Werkes statt, ebenso mit Therese Grünbaum als Adele, vgl. Prager Notizenbuch sowie Spielplan 1813T. Es gab in Webers Amtszeit in Prag noch mehrere Aufführungen, u. a. 1815 mit Wilhelm Ehlers als Plainville, vgl. Spielplan 1815T.
  • „… beinahe durchgehends großes Glück machte“Aufführungen in deutscher Sprache fanden in Eisenstadt am 9. September 1810 und in Frankfurt a. M. am 1. Januar 1811 statt (Übersetzung von H. Schmidt) sowie in Wien (2. April 1811). Weber hatte die EA am 7. Mai 1811 im Königlichen Hoftheater München besucht und besprochen.
  • „… turc. Cimarosa und neustens Joconde“Joconde wurde unter Webers Leitung 1816 in Prag (mit C. Brandt als Hannchen, vgl. Spielplan 1816T) und 1818 in Dresden erstaufgeführt (vgl. Bericht in der Abend-Zeitung).

Lesarten

  • Textzeuge 1: meistens
    Textzeuge 2: meist
  • Textzeuge 1: L’avviso ai maritati, die er zu Florenz schrieb
    Textzeuge 2: die er zu Florenz schrieb, L’avviso ai maritati
  • Textzeuge 1: wirken könnendem
    Textzeuge 2: wirkenkönnenden
  • Textzeuge 1: strengeren
    Textzeuge 2: strengern
  • Textzeuge 1: zeigt, denen aber
    Textzeuge 2: aber ohne
  • Textzeuge 1: fehlt
    Textzeuge 2: zeigt
  • Textzeuge 1: auch in Deutschland beinahe durchgehends
    Textzeuge 2: in Deutschland beinah durchgehends auch
  • Textzeuge 1: besonders
    Textzeuge 2: namentlich
  • Textzeuge 1: verehrt
    Textzeuge 2: geehrt
  • Textzeuge 1: Farbengebung
    Textzeuge 2: Haltung
  • Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.
    Textzeuge 2: zu Paris

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