Carl Maria von Weber: Beantwortung der SylvesterFrage [...] Ein bürgerliches Familienmärchen (Silvester 1821)

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Beantwortung der SylvesterFrage.

Was hatten wohl die Tonkünstler vorgenommen wenn der Weltuntergang am 7t Xbr gekommen?

Ein bürgerliches Familien-Märchen.

Es war einmal ein Musikant. der war sehr unglüklich. Er aß fast nur was weniges, und des Schlafes bediente er sich kaum hinlänglich. Es wunderte sich aber Niemand darüber, den es ging ihm wie dem Räuber Jaromir. Schiksal die böse Fee hatte ihn in einem BriefCouvert überrascht, und seitdem war er immer so in Gedanken versunken, daß er gar nicht mehr ordentlich denken konnte. Eines Tages dachte er aber doch einmal. und zwar auf folgende Weise. Ach warum bin ich gebohren, oder warum giebt es überhaupt einen 7. Xbr der schlägt die Februare. und wozu dient überhaupt alles Fragen, frage ich, dachte er. Hierauf sezte er sich, und dachte weiter. Doch! geschehene Dinge sind nicht zu ändern. Die Frage ist gefragt, die Kugel aus dem Lauf, nun Freyschütze, triff, und hilf dir selber. Opern Machen ist keine Kunst, aber antworten, antworten.

Dieser Musikant hatte auch ein Weiblein das ihm den Kolofonium nachtrug, und überhaupt sein pflegte, wenn er etwas wurmig im Kopfe war, welches so der Musikanten Art zuweilen. | edler Herre mein, sprach das Weiblein /[:] dachte aber anders :/ sage mir doch zur Güte was dir den Butterzopf so verleidet. und laß mich Theil nehmen an deinem schmerzhaften Gedankenkrampf. Darauf Er zornentbrannt schrie, nur nicht gefragt oder gar nach der Frage gefragt. Kannst du lesen? so ließ. Und das dikke MusikantenWeiblein nahm fast bebend ein klein schier leeres Blättlein, mit 2 zierlichen Zeilchen versehen, und las

Was hätten wohl die Tonkünstler vorgenommen wär der Weltuntergang am 7t Xbr gekommen.

Sie lächelt dann darob und sprach, was fürchtest [du] dich Lieber? was kann dir geschehen.

antworte was du willst, wer kann dir beweisen daß du Unrecht habest. Ueberdieß ist der Gedanke gar nicht neu, sondern aus dem Shakespeare, und nichts weiter als eine Variation über das Thema Seyn oder nicht seyn, das ist die Frage. ja ja, das ist die Frage, sind Musikanten nach dem Weltuntergang. was werden sie vornehmen. gewiß anderes nichts als sie vorher vorgenommen, und was du dann thust, weiß ich – darauf der Musikant mit fremder Stimme aus sich heraussprach –

Was einmal in der großen Sphähren Musik vom allmächtigen Tonsezzer da Oben angeklungen worden wird nicht verhallen in Ewigkeit. die zitternde Saite hier wird drüben nicht mehr beben, und frei von dem irdische[n] Geräusch, das Sie vom Saitenhalter der Erde noch an sich trug, wird sie dort in ungestörten Tönen fortklingen in allen Zeiten.

– Amen.

Das Weiblein aber lachte heimlich, und dachte. was ist so ein Musikant für ein Kerl, Dur und Moll nur einen halben Ton auseinander, und ist denn das eine Antwort. frug Sie!

Apparat

Zusammenfassung

kleine Geschichte über einen Musiker und dessen Frau, die sich die Frage stellen, was passiert, wenn am 7. Dezember die Welt unterginge und darauf unterschiedliche Antworten geben

Generalvermerk

lt. Kaiser (S. CXIV) für die Feier des Silvesterabends im Liederkreis 1821 (Gastgeber G. A. E. von Nostitz) entstanden; wird durch den Eintrag im TB und durch die zusätzlichen Notizen auf dem Ms gestützt; lt. Hell-Schriften (S. LXVI) gab es im Liederkreis den Brauch, dass die Damen den Herren „komische Fragen“ zur Beantwortung aufgaben

Entstehung

25. Dezember 1821 (laut A und TB)

Überlieferung

  • Textzeuge: Entwurf: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (XII), Bl. 76a/r–76a/v

    Quellenbeschreibung

    • auf einzelnem Bl. r und v (Format 34,5x21,1 cm, WZ am unteren Rand: S, Kettlinien ca. 2,5 cm); Bleistiftvermerke von Winkler? am Rand

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • HellS I (Vorwort) 1828, S. LXVI-LVIII
    • MMW III, S. 230–231
    • Kaiser (Schriften), S. 424f. (Nr. 150)

Themenkommentare

Textkonstitution

  • „hatten“sic!
  • „Ein bürgerliches Familien-Märchen.“am Rand hinzugefügt
  • fast„kaum“ überschrieben mit „fast
  • „nur“über der Zeile hinzugefügt
  • „den“sic!
  • „Fee“über der Zeile hinzugefügt
  • gar nicht mehr ordentlich denken konnte„den Wald vor lauter Bäumen nicht sah, nehmlich die Gedanken“ durchgestrichen und ersetzt mit „gar nicht mehr ordentlich denken konnte
  • „dachte er.“am Rand hinzugefügt
  • zuweilen„zu öftern“ durchgestrichen und ersetzt mit „zuweilen
  • so„hie einen und“ durchgestrichen und ersetzt mit „so
  • „einen“unsichere Lesung
  • „ließ“sic!
  • „gar nicht neu, sondern“über der Zeile hinzugefügt
  • vorgenommen„gethan“ durchgestrichen und ersetzt mit „vorgenommen
  • dann thustthun“ durchgestrichen und ersetzt mit „dann thust
  • „thun“unsichere Lesung
  • „… einmal in der großen Sphähren“Weber schrieb zuerst: Spähren, nicht gestrichen, am Rand ergänzt: Sphähren
  • „da Oben“über der Zeile hinzugefügt
  • „worden“am Rand hinzugefügt
  • frei von dem„das“ durchgestrichen und ersetzt mit „frei von dem
  • s„ß“ überschrieben mit „s
  • trug„hatte“ durchgestrichen und ersetzt mit „trug
  • „sie“über der Zeile hinzugefügt
  • Dur und Moll„lachen und weinen“ durchgestrichen und ersetzt mit „Dur und Moll
  • frug Sie„schloß Sie fragend“ durchgestrichen und ersetzt mit „frug Sie

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