Rezension von Carl Maria von Webers Sonate für Klavier Nr. 1 C-Dur (WeV Q.2)

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Grande Sonate pour le Pianoforte, comp. et déd. à S. M. l. M. la Duchesse Marie Paulowna, Princesse hered. de Saxe-Weimar, par Charles Marie de Weber. Oeuv. 24. Berlin, chez Schlesinger. (Pr. 1 Thlr. 8 Gr.)

Soll ich diese Sonate im Allgemeinen charakterisiren: Ideenfülle und harmonischer Reichthum sind ihre Hauptzüge; dabey ist sie für den Spieler eine hohe Aufgabe, sowol in Ansehung des ästhetischen Ausdrucks, als des mechanischen Vortrags; nicht das, was man bey Klavier-Compositionen sonst brillant nennt, nämlich darauf angelegt, um durch eine Menge rauschender Läufe, allenfalls bey gehobnen Sordinen, Beyfall zu erobern, sondern mehr gemacht, einem engern Kreise erlesener Kunstfreunde, die das Höhere und Bessere in der Kunst wollen, Genuss zu gewähren; der Styl, zumal in den beyden ersten Sätzen, durchaus gross, die Schreibart beynah überall drey-, vier- oder mehrstimmig, und dies zwar noch obendrein so, dass beynahe jede Stimme ihren nicht nur eigenen, sondern auch eigenthümlichen und durch verschiedne Notengrösse sich auszeichnenden, besonders charakterisirten Gesang hat – z. B. im ersten Allegro: Satz I, T. 5f. u.s.w. und Satz I, T. 127 u.s.w. Der Anfang des ersten Allegro in C dur tritt gleich mit einer entscheidenden Schluss-Klausel auf: Satz I, T. 1–4 welche die gewisse Zuversicht verkündigt, welche dem ziemt, der es unternimmt, etwas so Bedeu|tendes, wie das, was folgen soll, vorzutragen. An diese – man könnte sie eine absprechende Ankündigung nennen, schliesst sich dann die oben zuerst ausgehobne, durch ihre ruhige Würde und Haltung wohlthunde Figur an, welche, blos in Verbindung mit der obigen 2ten Figur, mit eiserner Consequenz, und selbst alles Relief durch irgend einen gefälligen Nebengedanken verschmähend, durch das ganze Stück durchgeführt, und doch so sinnig und mannigfaltig geordnet und vielseitig gewendet wird, dass man keine Monotonie, sondern nur Einheit empfindet. – Nur dies möchte nicht gut berechnet seyn, dass der 1ste Theil in G dur beruhigend schliesst, wogegen beym Da capo, der auf diese Schluss-Klausel unmittelbar folgende, wie gesagt, ebenfalls aus einer Schluss-Klausel bestehende Anfang des ersten Allegro, einen unangenehmen Ruck giebt, und Mangel an Zusammenhang empfinden lässt. Spielte ich die Sonate, ich würde kurzweg die zwey letzten Takte des ersten Theils auslassen und schon nach dem drittletzten Takt ohne weitres Da Capo gehen: Satz I, T. 66 mit den daran anschließenden T. 1f. u.s.w.

Das Andante ist, dem Beyworte, Grande Sonate, entsprechend, ebenfalls im grossen Styl gedacht und geschrieben: doch in der That etwas lang. Weniger lang würde es vielleicht scheinen, wär’ nur das Thema, etwa in der Mitte, noch einmal wiedergebracht, was immer dem Zuhörer ein angenehmer Ruhe-, und ein Vereinigungs-Punkt seiner Ideen ist. Erst ganz gegen das Ende des Stücks kehrt das Thema, das man 4 Seiten hindurch nicht wieder gehört hat, wieder, und zwar in die Unterstimme verlegt. Aus beyden Urschen möchte mancher, auch aufmerksame Hörer es leicht gar nicht einmal wiedererkennen.

Das Scherzo, wenn gleich in seiner Art ebenfalls kräftig gedacht, ist doch schon mehr für jedermann, und wird durch seine pikante Würze diejenigen Zuhörer wieder ermuntern, denen es vielleicht Anstrengung gekostet hatte, dem Flug der beyden ersten Sätze zu folgen. Gränzt hier und da auch eine der kühnen Modulationen etwas an’s ¦ Harte, so besänftiget das allerliebste, schmelzende Trio doch wieder das Gemüth auf eine ungemein schmeichelnde Art.

Das Rondo presto endlich – eine einzige, ununterbrochene Sechszehntheil-Passage, worin von der ersten Note bis zur letzten (zehn Seiten lang) auch nicht ein einziges Achtel Ruhe ist – voll Feuer und Leben – muss vorzüglich mit Schatten und Licht vorgetragen – besonders die Rückeinlenkungen in das rondomässig oft wiederkehrende Thema durch gehöriges Enjambement herausgehoben, und so das Ganze zu Einem Gusse vereiniget werden; wie ich denn überhaupt zum Schluss dieser Anzeige noch den Wunsch beyfügen muss, dass diese Sonate von jedem Spieler doch ja mit all dem Ernste angegriffen und auf ihren Vortrag all der Fleiss verwendet werden möge, auf den eine Composition dieser Gattung Ansprüche zu machen berechtigt ist.

Gottfried Weber.

Apparat

Zusammenfassung

1813-Gottfried-06: Rezension von Carl Maria von Webers Sonate für Klavier Nr. 1 C-Dur (WeV Q.2)

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 15, Nr. 36 (8. September 1813), Sp. 595–598

Textkonstitution

  • „wohlthunde“sic!

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