Aufführungsbesprechung Mannheim: Konzert Carl Maria von Webers am 9. und 28. März 1810

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Konzerte Carl Maria von Webers am 9. und 28. März 1810 in Mannheim und seine Mitwirkung beim Museumskonzert vom 2. April 1810

Mannheim. Wir wurden im Laufe des Monats März durch zwey Concerte des Hrn. Carl Maria v. Weber* erfreut, worin er uns mehrere seiner genialen Compositionen zu hören gab, und sich zugleich als achtungswerthen Virtuosen auf dem Fortepiano zeigte. Der Styl seiner Compositionen nähert sich dem, aus Beethovens frühern oder mittlern Zeiten; er ist gelehrt und doch fliessend, neu und ungewöhnlich, ohne bizarr zu seyn – letzteres mit wenigen Ausnahmen. Vorzügliche Auszeichnung verdient und erhielt eine grosse Symphonie, welche er in beyden Concerten gab, und welche, zumal beym wiederholten Anhören, ausnehmend anziehend ist. Besonders glücklich sind die Blasinstrumente benutzt, wiewol zu wünschen wäre, dass Hr. v. W. von Trompeten und Pauken etwas sparsamern Gebrauch machte. Die an sich so beschränkte und bey aller Beschränktheit doch so hervorstechende Natur dieser Lärminstrumente fordert dieses; fordert, dass dies beissende Gewürz nur zu Bezeichnung der kräftigsten Stellen gebraucht werde; jeder andere Gebrauch scheint uns, entweder der Natur des Instruments, oder der Composition Gewalt anzuthun. – Eine andre vorzüglich gerathene Composition gab uns Hr. v. Weber im Museum* – einem seit anderthalb Jahren entstandenen literarisch-gesellschaftlichen Institut, mit welchem sich die unter dem Namen des musicalischen Conservatorium bestandene Gesellschaft der hiesigen Dilettanten verbunden hat. Es war dies das bekannte Gedicht von Rochlitz, der erste Ton*, als musikalisches Declamatorium behandelt. Sein Inhalt ist kurz dieser: der Schöpfer hatte aus dem Chaos die Welt entwickelt, doch das weite Reich war öde, war stumm; lebensvoll, erscheint es tod. Da erhörte der Schöpfer das stille Sehnen seiner Geschöpfe und verlieh ihnen auch noch das Vermögen, ihre Empfindung auszusprechen. Jede, so geäusserte Empfindung wird Ton; die Menge und Verschiedenheit derselben, Jubel, Lob und Dank. – Diesen in der That dem Musiker ausgezeichnet vortheilhaften Stoff hat Hr. v. Weber höchst glücklich benutzt und verarbeitet. Die Schilderung der abwechselnden Situationen und Empfindungen ist meisterhaft gehalten; die wenigen mit eingeflossnen Tonmalereyen sind treffend und reizend; und sehr glücklich ist die Idee, bey dem Jubel, mit welchem das Gedicht schliesst, einen Sing-Chor an die Stelle der Declamation treten zu lassen. –

Nächst dem finden wir auch noch ein Clavier-Quartett mit Violin, Viola und V.cell auszeichnenswerth. Hr. v. Weber hat hier besondere Einsicht in Behandlung des Haupt-Instruments an den Tag gelegt. Die baldige öffentliche Bekanntmachung dieses Werks ist um so mehr zu wünschen, da das Clavier-Quartett* überhaupt das Genre ist, in welchem dieses Instrument am meisten, und gewiss mehr als selbst im förmlichen Concerte, interessiren und gefallen kann, und doch dergleichen Compositionen so selten sind. Wenn gleich das Ausreichen weit entfernter Intervalle, welches Hrn. v. W. bey der ausserordentlichen Dehnbarkeit seiner Hand so leicht wird, manchem andern Spieler beschwerlich werden möchte: so sind doch Aenderungen hierin so leicht, dass das Werk darum an allgemeiner Brauchbarkeit nichts verlieret. Hr. v. W. hat als Künstler und als Mann von vielseitig interessanter Bildung sich unsre vorzügliche Achtung erworben, und wir sind versichert, dass es ihm nicht fehlen kann, auf seiner dermaligen Kunstreise seinem noch zu wenig bekannten Namen die Celebrität zu verschaffen, welche er wirklich verdient.

Apparat

Generalvermerk

Zuschreibung: G. Weber bemerkt in bezug auf C. M. v. Webers Ersten Ton in 1811-V-87: schon im Jahrgang 1810 der allg. Mus. Zeitung habe ich über die erste Aufführung dieses Werkes […] gesprochen und in 1812-V-21: Ref. war der erste, welcher dieses […] Werk öffentlich ankündigte, (allgem. mus. Zeitung 1810). Bereits Walter schrieb den Text G. Weber zu (übernommen von Lemke, S. 276); vgl. Walter (1924), Sp. 42.

Kommentar: G. Weber rezensierte C. M. v. Webers Sinfonie Nr. 1 C-Dur (JV 50) und das Klavierquartett (JV 76) später ausführlicher, vgl. AMZ, Jg. 15, Nr. 34 (25. August 1813), Sp. 553–559, und 1812-V-25. Das Konzert am 9. März 1810 besprach er auch in der Rheinischen Correspondenz (1810-V-03).

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 12, Nr. 32 (9. Mai 1810), Sp. 502–504

    Einzelstellenerläuterung

    • „zwey Concerte des … Maria v. Weber“Am 9. und 28. März 1810, vgl. die Konzertzettel, Faksimile bei: Walter (1924), Sp. 38. Zum Konzert am 9. März vgl. auch 1810-V-03.
    • „im Museum“Das Karl-Stephanie-Museum war 1808 aus der schon 1803 gegründeten Casino-Gesellschaft und dem Lesekabinett hervorgegangen. Namensgeber waren Großherzog Karl von Baden und seine Gattin Stephanie Adrienne Luise. G. Weber gehörte mit Philipp von Hertling und Georg von Weiler zum musikalischen Sektionsausschuß. Das Ziel seines 1806 gegründeten Konservatoriums, an bestimmten Wochentagen große klassische Musikwerke aufzuführen, wurde mit in die Satzung des Museums aufgenommen und das Konservatorium ging im Museum auf; vgl. dazu Walter (1924), Sp. 29–32. C. M. v. Weber trat laut TB am 2. April 1810 im Museum auf, wo ich mein Quartett spielte und den ersten Ton aufführte, welcher vortrefflich executirt wurde.
    • „Gedicht von Rochlitz … der erste Ton“C. M. v. Weber, Der erste Ton (JV 58), Text von Friedrich Rochlitz.
    • „Clavier-Quartett“Wurde am 2. April 1810 im Mannheimer Museum aufgeführt.

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