Orgelpräsentation durch Georg Joseph Vogler am 1. November 1812 in München

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Längst schon erwarteten die hiesigen Kunstfreunde mit gespannter Erwartung eine vollständige öffentliche Produktion der großen Orgel, welche der als Akustiker, als Compositeur und als Orgelspieler gleich große Vogler in der hiesigen großen Hofkirche nach seinem System erbaute. Gestern am Allerheiligen Tage endlich wurde diese Neugierde befriedigt. Vogler selbst spielte beim feierlichen Hochamt die Orgel. Wahrhaft erschütternd und herzerhebend war die gigantische Kraft des erhabnen Tonwerkzeugs, und leicht übertönte es einen Aufzug von vier Trompeten und Pauken, in welchen es begleitend einfiel, und doch wie schmelzend weich und rührend wieder das Cantabile beim Graduale! wie süße Andacht ergriff wieder aller Herzen bei den schmelzenden Modificationen eines bis jetzt unerhörten Piano, Crescendo, Deficiendo u. s. w., wo der Ton bald gänzlich zu erlöschen, bald allmählig anwachsend neues Leben zu erhalten schien – wie täuschend die Register, welche einzelne Instrumente nachahmen – sogar ein Violoncell-Solo auf der Orgel gespielt, welches die Zuhörer für wirkliche Violoncell-Töne hielten, bis sie erst hernach erfuhren, daß es ein Orgelregister gewesen! –

Welches Gehalts übrigens die Voglerschen Fugen und Contrapunktischen Orgelphantasien sind, bedarf nicht erst einer Beschreibung, folglich ist auch die Versicherung unnöthig, daß während dieses Hochamtes der Cultus eines seiner erhabensten Feste feierte.

G. Gst.

Apparat

Generalvermerk

Zuschreibung: Sigle

Kommentar: G. Weber, der am 1. November 1812 nicht in München weilte (was vermutlich auch der Grund dafür ist, daß er im Gegensatz zu seinen sonstigen Gewohnheiten in der Zeitung für die elegante Welt mit seinem Pseudonym unterzeichnete), erstellte diese Notiz nach Zeitungs-Berichten oder nach einer nicht erhaltenen Mitteilung Meyerbeers, der Vogler auf seiner Reise begleitete. Als Vorlage diente G. Weber u. a. eine Nachricht in der Baierischen National-Zeitung, Nr. 264 (6. November 1812), S. 1135, aus der er (nie gehörte Feinheiten und Modifikationen von Piano, Crescendo, Deficiendo) nahezu wörtlich zitiert. Diese Nachricht wurde – möglicherweise auf Initiative Gottfried Webers – nachgedruckt in: Badisches Magazin, Jg. 2, Nr. 266 (14. November 1812), S. 1056 (hier fehlt der letzte Absatz). Ein zweiter Nachdruck, der um einen einleitenden Absatz über den Orgelbau ergänzt ist, erschien in: Musicalische Zeitung für die österreichischen Staaten, Jg. 1, Nr. 15 (15. November 1812), S. 116. Die Datierung des vorliegenden Berichts (2. November 1811) ist entweder fingiert oder gibt das Datum eines eventuellen Briefes von Meyerbeer an G. Weber wieder.

Zu Voglers Orgelumbau in München vgl. auch AMZ, Jg. 14, Nr. 43 (21. Oktober 1812), Sp. 707. Dieser Bericht wurde wiederum – möglicherweise auf Initiative von G. Weber – nachgedruckt in: Hamburgische Unterhaltungs-Blätter, Jg. 7, Nr. 91 (11. November 1812), Sp. 727, und AMZ, Jg. 15, Nr. 2 (13. Januar 1813), Sp. 34–40.

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 12, Nr. 237 (27. November 1812), Sp. 1895

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