Korrespondenz-Nachrichten Aus Mannheim, 4. Oktober 1812
Aus Mannheim. d. 4ten Oktbr.
Iffland, unser Iffland, wird in wenigen Tagen hier erwartet, um mehrere Gastrollen zu geben,* namentlich den deutschen Hausvater, Wallensteins Tod, die Erben, Lorenz Stark, Versöhnung, König Lear, den Amerikaner, den gutherzigen Polterer, Don Rainudo, und den armen Poeten.
Da er den Hausvater zur ersten Gastrolle wählt, freut sich jeder hiesige schon im voraus auf die Wiederholung der leisen Anspielung, die er hier schon vor mehrern Jahren* einmal in seine, das Stück eröffnenden Reden gelegt hat: wie süß ist es mir, mich so wieder unter den Meinen zu sehen.*
In diesem Augenblicke gibt Herr Wolke‡, Herzogl. Weimarscher Hofsänger, Gastrollen* bei uns. Er gefällt sehr durch seine liebliche und gut ausgebildete, wiewohl etwas schwache Tenorstimme.
Unsern trefflichen Schauspieler Eßlair hat uns das Carlsruher Hoftheater entführt,* er wird in kurzer Zeit dorthin abgehen. Man bedauert seinen Verlust unendlich.
Die Geburt eines Erbgroßherzogs, eines Enkels Kaiser Napoleons*, wurde auf der hiesigen Bühne durch freies Schauspiel und ein allegorisches Ballet: „Das Kind des Herkules„‘‡* im Museum durch eine Tanzgesellschaft, in der kathol. Stadtpfarrkirche durch eine Missa und Te Deum von Gottfried Webers Composition,* und von dem Stadtvorstand sehr schön durch reichliche Brotaustheilung unter dieΔ Armen, gefeiert.
Apparat
Generalvermerk
Zuschreibung: zu G. Webers Texten in Jg. 12 der Zeitung für die elegante Welt vgl. Weber-Studien, Bd. 4/1, Vorwort, S. 44f.
Entstehung
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Überlieferung in 2 Textzeugen
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1. Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 12, Nr. 205 (13. Oktober 1812), Sp. 1638
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2. Textzeuge: Hamburgische Unterhaltungs-Blätter, Jg. 7, Nr. 87 (28. Oktober 1812), Sp. 694
Textkonstitution
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„Wolke“sic!
Einzelstellenerläuterung
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„Iffland , wird … Gastrollen zu geben,“Iffland trat in folgenden Rollen auf: am 22. Oktober 1812 als Graf Wodmar in Der deutsche Hausvater von Otto von Gemmingen, am 4. November als Wallenstein in Wallensteins Tod von Schiller, am 23. Oktober als Baron Henning in Die Erben von Johanna von Weissenthurn, am 25. Oktober als Lorenz Stark in Die deutsche Familie von Friedrich Ludwig Schmidt nach Johann Jacob Engels Lorenz Stark, am 27. Oktober als Wittburg in Versöhnung von Johanna von Weissenthurn (vgl. 1811-V-68), am 1. November als König Lear in dem gleichnamigen Trauerspiel (King Lear) von William Shakespeare, am 29. Oktober als Herb in Der Amerikaner von Wilhelm Vogel, am 5. November als Don Ranudo de Colibrados in dem gleichnamigen Schauspiel von August von Kotzebue und als Lorenz Kindlein in Kotzebues Der arme Poet. Als Morhof in Der gutherzige Polterer von Carlo Goldoni, den Iffland in einer eigenen Bearbeitung am 29. September 1811 in Mannheim gegeben hatte (vgl. 1811-V-68), trat er 1812 nicht auf, hingegen am 3. November als Dominik in Der Essigmann mit seinem Schubkarren von Christian Georg Helmolt, am 6. November als Bergheim in Der gutherzige Alte nach Jean-Pierre Claris de Florian und am 8. November als Fegesack in Der Geizige von Heinrich Zschokke und als Graf in Der Puls von Joseph Marius Babo.
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„wie süß ist … Meinen zu sehen.“Vgl. Otto von Gemmingen, Der deutsche Hausvater, Mannheim 1790, S. 39: mir ist so innig wohl, mich nach so langer Zeit, wieder im Schoße meiner Familie zu sehen.
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„Herr Wolke , … Weimarscher Hofsänger, Gastrollen“Karl Melchior Jakob Moltke trat am 4. Oktober 1812 als Tamino in Mozarts Zauberflöte, am 6. Oktober als Murney in Das unterbrochene Opferfest von Peter Winter und am 8. Oktober als Don Gusmann (Don Ottavio) in Mozarts Don Giovanni auf.
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„Eßlair hat uns … Carlsruher Hoftheater entführt,“Ferdinand Eßlair war am 11. Oktober 1812 zum letzten Mal in Mannheim aufgetreten.
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„Erbgroßherzogs, eines Enkels Kaiser Napoleons“Großherzogin Stephanie von Baden wurde am 29. September 1812 von einem Sohn entbunden; der Thronerbe starb jedoch bereits wenige Wochen später, am 16. Oktober.
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„Herkules„‘“recte „Herkules“,“
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„freies Schauspiel und … Kind des Herkules„‘“Am 29. September 1812 wurde Die silberne Hochzeit von August von Kotzebue gegen freien Eintritt gegeben, am 2. Oktober die Pantomime Das Kind des Herkules von Johann Christoph Menges mit Musik von Peter Ritter.
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„Missa und Te … Gottfried Webers Composition,“Gottfried Webers Te Deum laudamus op. 18 war bereits in der Karwoche 1812 in Mannheim aufgeführt worden; vgl. 1812-V-21 (Teil 4). Welche der drei Messen (op. 27, 28 und 33) von G. Weber aufgeführt wurde, war nicht zu ermitteln.
Lesarten
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Textzeuge 1: „unter die“Textzeuge 2: „an die“