Wilhelm Pötzsch an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
München, Sonntag, 18. Juni 1882
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Bester Herr Professor!
In der Anlage erhalten Sie von Webers Qual altro attendi
Zwei Partituren u. einfache Orchesterstimmen: nämlich die ursprüngliche (von der ich Ihnen neulich berichtete) u. die meinige, welche ich zur Benützung für den Druck bestimmte, u. in der ich alle Fehler, welche in der alten enthalten, ausmerzte, u. wie schon gesagt, mich in der Hauptsache nach den damals gebrauchten Stimmen* richtete; auch deßhalb habe ich selbe mit beigelegt, weil ich von Ihnen ein Urtheil über die deutsche Uebersetzung hören möchte. —
Der Text in den letzteren Chorstellen (von pag 27 an) ist vorläufig noch nicht endgiltig festgestellt, es ist natürlich eine nichts weniger als wörtliche Uebersetzung aber ich meine, die angedeuteten (mit Bleistift geschriebenen) Worte klängen im Singen besser als das sich immer wiederholende „Nein!, nicht, niemals!!“
Nur eine A[e]nderung habe ich mir im Text erlaubt. pag. 29 (meiner Part.) steht ursprünglich im 1. Takt.
Verschiedene Italiener, die ich hierüber befragt, sagten mir aber, daß man italienisch das altrui nur so singen kann
|
Die Differenz der 2 Takte finden sie in der alten Partit. pag. 17. (wo die Singstimme 2 Takte zu früh anfängt (in meiner Partit. ist es auch‡ pag. 17.)*
Auf pag. 5 (meiner Part.) ist ursprünglich bei der Stelle im letzten Takt nicht angegeben ob x c oder cis sein soll, da es aber nach Fdur geht, glaube ich, ist a moll richtiger*.
Auf pag. 13 habe ich einstweilen Moderato statt Allegro stehen gelassen, was meinen Sie dazu?
Den Clavierauszug habe ich leider schon meinem Verleger eingehändigt, kann Ihnen deßhalb denselben nicht mitschicken; doch ist er ganz übereinstimmend mit meiner Partitur.
Freiherr Maria v. Weber in Dresden hat mir auf Ihren guten Rath hin neulich in der liebenswürdigsten Weise die Erlaubniß zur Veröffentlichung der Arie gegeben; ich will diesselbe nun in der k. Hofmusikalienverlagshandlung von J. Aibl (Spitzweg) in München herausgeben, später auch diesselbe von mehreren Guten Kritikern besprechen lassen (in den Zeitungen) damit sie recht bekannt wird.
Können Sie mir hierfür vielleicht Gute Adressen vermitteln?* (d. h. ich will hiermit nicht gesagt | haben, daß ich mich auch an schlechte Kritiker wenden will.) Diesselben fürchte ich wie meine vergangene Diphterie. —
Der von Ihnen angeführte Fehler im 4. 5. u. 6. Takt* nach dem 1. Eintritt des Chores ist ganz richtig im Baß a | d d cis cis | d d. — wahrscheinlich ist da Ihr Copist vom Tenor in den Violinschlüssel gerathen.
Daß ich auf den Gedanken kam die (blaue) Partitur sei Webers Handschrift, rührt von der Titelseite her, vorläufig bin ich noch immer der Ansicht, daß Weber dies selbst geschrieben, trotz des Schreibfehlers auf der 3. Zeile*
— composta per uso dell Signore — dieses dell, wird jedenfalls del heißen müssen*. unvorsichtigerweise habe ich schon dran rumradirt. — Nur der Achter in 1811 genirt mich (∞) In meiner Partitur habe ich die Fagotte zu den Holzbläsern gesetzt, u. die Hörner herunter zu den übrigen Blechblasinstrumenten, sind Sie nicht damit einverstanden?*
Beinahe hätte ich noch Metastasio vergessen. |
Ich fand (oder vielmehr zuerst H. Hofmusikalienverleger E. Spitzweg dahier) fand die Bemerkungen über den Text auf der hiesigen Staatsbibliothek in ziemlich umfangreichen Büchern über Metast. Werke. (die pagina Nummer kann ich Ihnen heute nicht angeben, s ist schon etwas länger her.) Doch fand ich ganz deutlich den Anfang u. später selbst die Arie Qual altro
in seinem „Demetrio“ 1. Akt, Scene 15.
der Text der „Scena ed Aria d’Atalia“ f. Sopran
Recit: Misera me! Qual nuovo
Arie: Ho, spavento d’ogn aura ist aus dem Anfang d. 2. Theils von Metastasios „Givas‡, Ré de Giùda“
Die Texte zu den andern 4 ital. Concertarien* Weber’s sind nicht von Metastasio namentlich nicht die Texte zu den Tenor sowie Sopran-Arien‡ „Ines de Castro“.
Metastasio hat weder einen Operntext‡ „Atalia“ noch eine „Ines de Castro“ geschrieben; sonach wären „Atalia“, ‡ etc. nur Eigennamen. (Vielleicht kann ich Ihnen später, wenn ich von Bayreuth zurückkehre, noch einiges Diesbezügliche auffinden.)
Mit der höflichen Bitte, meine Partitur etwas durchzusehen, u. mir etwaige Zweifel oder A[e]nderungen, welche Ihnen zweckdienlich erscheinen darüber mittheilen zu wollen* schließt für heute mit herzlichstem Dank im VorausIhr ganz ergebenster
Wilhelm Pötzsch.
Apparat
Zusammenfassung
übersendet ihm Partitur u. Orchesterstimmen der Konzert-Arie für Weixelbaum mit der von ihm vorbereiteten Stichvorlage für Aibl und bittet J. um Durchsicht, erörtert im Brief verschiedene Details, die J. am Rande mit Bleistift kommentiert, auch bittet er ihn um Durchsicht der deutschen Übersetzung des Textes, erwähnt, dass Carl v. Weber ihm die Publikationserlaubnis schriftlich gegeben habe
Incipit
„In der Anlage erhalten Sie von Webers Qual' altro attendi“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Frank Ziegler
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. IX, Kasten 3, Nr. 1 (JV 126)Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
- am rechten Briefkopf Bl. 1r von F. W. Jähns (Tinte): „München | 18. Juni | 1882. | Herrenstr. 36. | IV.“
- am linken Briefkopf Bl. 1r von F. W. Jähns (Tinte): „Empf. Berlin | 20. Juni | 1882.“
- zahlreiche Unterstreichungen mit Rötel bzw. Bleitift sowie Randnotizen mit Bleistift von F. W. Jähns
Textkonstitution
-
„auch“über der Zeile hinzugefügt
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„n“durchgestrichen
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„Operntext“über der Zeile hinzugefügt
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„… geschrieben; sonach wären Atalia ,“gestrichenes unlesbares Wort
Einzelstellenerläuterung
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„… ist es auch pag. 17.)“Jähns bestätigte am Rande, dass diese 2. Partitur mit dem Autograph Webers übereinstimme.
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„… ich, ist a moll richtiger“Jähns bestätigte: „Gewiß!“ und ergänzte am Rand: „Die Stimme kann doch nicht anders singen als d. Orchester“.
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„… 4. 5. u. 6. Takt“Gemeint sind T. 96–98 (ab T. 97 Überlieferungsverlust im fragmentarischen Autograph).
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„… Schreibfehlers auf der 3. Zeile“Jähns vermerkte am Rand: „In der Partitur: Nirgends ein Wort von C. M. v. W.’s Hand; alles von Vater Franz Anton v. W“.
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„… wird jedenfalls del heißen müssen“Jähns vermerkte am Rand: „Das Aut. hat auch dell’.“
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„… sind Sie nicht damit einverstanden?“Jähns vermerkte am Rand: „Ist eigentl rationell W. setzt immer fast die Hörner vor die Fagotts“.
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„Givas“recte „Gioas“.
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„… den andern 4 ital. Concertarien“Pötzsch bezieht hier die deutschsprachige Einlagearie zu Méhuls Helene mit ein, da diese im Erstdruck mit italienischem Text erschien.
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„… erscheinen darüber mittheilen zu wollen“Jähns vermerkte am Rand bezüglich der Rollenbezeichnung in der Arie: „Barsene nicht Bartene“.