Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 19. bis 20. April 1817
Am 19. April. Tancred, von Rosini. Ueber diese Oper können wir nach allem was wir neulich darüber sagten, nichts hinzufügen, als daß man ihre lieblichen Melodien immer gern wieder hört. Mad. Weixelbaum sang diesmal als Gastrolle die Amenaide, und Herr Weixelbaum den Argirio. Es ist in den Künsten nicht gut und nicht wohlthuend, Vergleichungen anzustellen, denn zum reinen vollen Kunstgenuß gehört Hingebung und kein kaltes Wägen und Messen, und der Künstler hat keine sichtbare Weltlaufbahn zu betreten, sondern sein Ziel ist, zu Herz und Seele zu sprechen, und dies ist auf den mannigfaltigsten Wegen zu erreichen, daher ist es nicht gerade angenehm, Rollen, welche kurz zuvor erst von einheimischen Künstlern mit Fleiß und Liebe einstudirt und trefflich ausgeführt wurden, so schnell darauf von Fremden darstellen zu sehen; zu leicht wird man gegen die Einen oder Andern unbillig, und das leidige Vergleichen drängt sich störend auf! Doch fern von jeder Engherzigkeit räumen wir gern ein, daß Mad. Weixelbaum ganz himmlisch sang, mit silberreinen, höchst lieblichem Ton und daß sie Kraft mit Sanftheit im Vortrag schön zu einen wußte; sehr selten wird man alles so nett und doch zugleich so weichverschmolzen ausführen hören, wie von dieser trefflichen Künstlerin, es ist dabei seelenvolle Wärme in jedem ihrer Töne, wenn auch selten leidenschaftliche Flamme, und besonders erfreulich war es zu bemerken, wie viel Unterschied sie in dieser heroischen Rolle in den Styl ihres Gesanges zu legen wußte, gegen den idyllischen der Adeline. – Herr Sassaroli sang und spielte den Tancred mit Innigkeit und edeln Ausdruck. Daß seine schöne Stimme leicht, besonders im Anfang, etwas zu tief intonirt, ist wohl sehr verzeihlich, da er stets gewohnt ist zur Kirchenstimmung zu singen, wo die Instrumente fast einen halben Ton tiefer stehen, doch siegt er schnell über diese Gewohnheit; reizend schön war es, wie in beiden Duetten Tancreds und Amenaidens Stimme verschmolzen.
Am 20. April. König Yngurd, s. Nr. 93.
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbericht Dresden: „Tancred“ von Rossini am 19. 4.1817 mit Weixelbaums als Gäste / Erwähnung „Yngurd“ 20.4.1817
Entstehung
vor 3. Mai 1817
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Hafenstein, Deborah
Überlieferung
-
Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 106 (3. Mai 1817), Bl. 2v