Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 7. bis 8. Juni 1817

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Am 7. Juni. Auf dem Linkeschen Bade. Le cantatrici villane. Die oft, aber stehts mit erneutem Vergnügen gesehene Oper von Fioravanti. Sie ward mit erhöhter Liebe dargestellt und aufgenommen, da schon der Tag selbst, der Tag der 1815 erfolgten glücklichen Rückkehr unsers theuren Landesvaters und seiner geliebten Familie alle Herzen zu höhern Empfindungen stimmte. Ueberraschend und unangekündigt sprachen sich diese auf der Bühne selbst durch eine deutsche Cantate aus*, welche – freilich etwas lose – an den Schluß der italienischen Oper geknüpft war, und die rein empfundene Freude über die Feier des heutigen Tages enthielt. Madame Sandrini trug die Soloparthie des Rezitativs und der Arie mit Gefühl und Innigkeit vor, und entwickelte eine sehr angenehme und richtige Aussprache des Deutschen. Es ertönte allgemeiner Beifall, und alle Herzen fühlten sich hingerissen in die Schlußworte einzustimmen:

Er, der GerechteUnd sein geliebtes Haus,Bleibe zum Segen,Uns immer nah’.

Noch vor Beginn der Oper hatte der Landesvater schon die heutige Einnahme bei derselben zum Besten der hiesigen Armen bestimmt.

Am 8. Juni. Auf dem Linkeschen Bade. Die Weihnachtsfeier. Original-Schauspiel in 4 Aufzügen, von Schmidt.

Der Gedanke, ein paar Verlobte, die durch Zufälle getrennt, seit 30 Jahren sich nicht wiedergesehen haben, nun beide alt geworden sind, und doch vom Anblicke am letzten Tage, wo sie schieden, noch ergriffen und voll von diesem Bilde, sich jedes das andere noch in der Blüthe der damaligen Zeit den ¦ ken, so daß sie jetzt, als sie einander unverhofft wiederfinden, sich nicht erkennen, auf der Bühne darzustellen, und doch zuletzt den Zug der Herzen, der früheres Verhältniß so lieb auch macht für spätere Jahre, vorwalten zu lassen, ist recht gut, und der Dichter dieses Stücks würde eine erfreuliche Arbeit geliefert haben, wenn er sich blos daran festgehalten, und sein Schauspiel auf höchstens 2 Akte beschränkt hätte. So aber, wie dieses Verhältniß gleichsam nur Episode oder Nachtrag, eine andre Verwickelung, die schon sehr oft zum Gegenstand eines Schauspiels gedient hat, aber Hauptsache, und das Ganze in 4 Akte ausgedehnt wird, gewinnt das Stück weit geringern Beifall, und unterhält nur in einzelnen Scenen, wenn es auch so gut gespielt wird, als es wirklich der Fall war. Neben Herrn Julius als dem Fremden, der jedoch wenig Gelegenheit hatte sein Talent zu entwickeln, müssen wir Mad. Hartwig, in der Rolle der Sabine Sellheim, jener alten Verlobten, um so mehr auszeichnen, da dieses Rollenfach für die wackre Schauspielerin noch ziemlich neu ist. Sie zeichnete den Charakter sehr wahr, und unter dem fröhlichen Lächeln war die Vereinigungs-Scene der beiden bejahrten Brautleute, voll sanfter Rührung. Dem. Julie Zucker zeigte in ihrer nicht unbedeutenden Rolle als Röschen recht viele gute Anlagen, und sprach in einigen Scenen mit reizender Natürlichkeit. Auf eien Bewegung müssen wir sie jedoch aufmerksam machen, die sie allzuoft wiederholte, es ist nämlich die, des Haltens der Hand hinter das Ohr, um Verleenheit auszudrücken. An und für sich nicht ganz graziös, darf sie nur höchst selten, und in den entscheidensten Augenblicken des Vergessens angebracht werden, durchaus aber nicht als Gewohnheit, als Angewöhnung sich zeigen, wie es so leicht bei öfterer Wiederholung der Fall wird.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden: „Le cantatrici villane“ von Fioravanti am 7. 6. und „Die Weihnachtsfeier“ von Schmidt am 8. 6. 1817

Entstehung

vor 24. Juni 1817

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Veit, Joachim

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 150 (24. Juni 1817), Bl. 2v

    Einzelstellenerläuterung

    • „… durch eine deutsche Cantate aus“F. A. Schuberts Cantate zur Feier des Jahrestages der Rückkehr Sr. Majestät des Königs aus der Gefangenschaft.

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