Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad: 14.-21. Juni 1818
Am 14. Juni. Auf dem Linkeschen Bade: Kabale und Liebe. Unser lieber Gast, Dem. Schwarz, gab die Luise, besonders in der Scene mit Wurm und bei der Lady Milfort, mit Studium und Kenntniß. In den gefühlvollern Scenen schien uns doch die Wärme des Spiels nicht genügend. Vollkommen brav, und mit der wahrsten Characterisirung stellte ihr Vater, der K. K. Hofschauspieler Herr Schwarz, den Musikant Miller dar, und ließ uns nur bedauern, daß wir ihn blos in dieser einzigen Rolle sehen sollten. Der allgemeinste Beifall ward ihm nach Verdienst zu Theil.
Am 17. Juni. Die Entführung aus dem Serail. Oper von Mozart. Herr Gerstäcker den Belmonte.
Am 18. Juni. In der Stadt: Johanne von Arc. Als Benefiz für Dem. Schwarz, welche die Hauptrolle mit Einsicht und bravem Spiele gab. Mit Vergnügen erkannte dies auch die Versammlung an.
Am 20. Juni wurde die Entführung aus dem Serail, als Benefice für Herrn Gerstäcker, zu letzten Gastrolle wiederholt. Er verbitterte uns aber das Vergnügen, das er durch Gesang und Spiel uns gewährte, gar sehr durch – das böse Beiwörtchen: „letzte.“ – In dieser Oper wurde die Rolle der Constanze beidemale von Dem. Hähnel, aus dem Singechor, ausgeführt. Junge angehende Künstler oder Künstlerinnen sind (im strengern Sinn) kein Gegenstand der Kritik, sondern mehr der Aufmerksamkeit. Hier kann (ohne Pedanterie) nicht die Rede seyn von dem, was sie leisten, sondern nur von dem, was wir für die Zukunft von ihnen zu erwarten durch ihre erste Leistung berechtigt werden. Von Gesicht und Gestalt (besonders für eine Prima Donna) sehr vortheilhaft von der Natur begünstigt, hat uns Dem. Hähnel als Sängerin eine wohlklingende, reine und geschmeidige Stimme, vorzügliche Höhe und einen bereits schon nicht unbedeutenden Grad von Kunstfertigkeit (besonders in der bekannten Bravour-Arie) gezeigt, und uns dadurch (wenn sie sich vor dem alles ver¦nichtenden Stillstehn in der Kunst in Acht nimmt) zu bedeutenden Erwartungen für die Zukunft berechtigt. Was ihr als Schauspielerin jetzt freilich noch abgeht, wird sie durch Aufmerksamkeit auf gute Vorbilder (die sie hier hat) mit der Zeit leicht gewinnen, besonders wenn eine unsrer hiesigen trefflichen Künstlerinnen das aufblühende Talent hierin freundlich unterstützt. Ueber einen Künstler, wie Herr Gerstäcker, kann man nur entweder sehr Weniges oder nur sehr ausführlich sprechen, indem man entweder nur das Resultat des Totaleindrucks, den seine Darstellungen auf uns gemacht haben, in einem allgemeinen Urtheil ausspricht, oder die Eigenschaften und Vorzüge desselben bis auf die kleinsten Nüancen im Einzelnen entwickelt, welches letztere hier freilich sehr interessant, aber für diese Blätter zu weitläufig wäre. Den großen Ruf den Herr G. sich so früh und schnell erworben, hat er auch hier, (meiner Ansicht nach, die ich freilich keinesweges Andern als untrüglich aufdringen will) vollkommen gerechtfertigt und begründet. Mit einer wahrhaft schönen, in allen Registern gleich angenehmen und dabei gleich kräftigen Stimme verbindet er Geschmack und Kunstfertigkeit in hohem Grade. Als Joseph (besonders in der Romanze) und als Belmonte sprach sein Gesang innig zum Herzen, so wie er als Sargin durch Kunstfertigkeit glänzte. Auch zeichnet sich Herr G. noch ganz besonders durch seine seltne Deutlichkeit, Bestimmtheit und Vernehmlichkeit, in der Aussprache aus, wodurch der Zuhörer jedes Wort, jede Sylbe zu verstehen und aufzufassen im Stande ist. Eine Tugend, die sich doch alle Sänger und Sängerinnen zu eigen machen bestreben sollten. Möge der wackre Künstler nur recht bald einmal wieder zu uns zurückkehren. Der enthusiastische Beifall, den man ihm zollte, und womit man ihn in jeder Vorstellung hervorrief, wird ihm ein Beweis seyn, wie sehr Jedermann seine Vorzüge anerkennt.
Am 21. Juni. Auf dem Linkeschen Bade: Der ewige Jude. Schauspiel in 3 Akten, mit Musik vom Herrn Cantor Uber. Wir werden bei der zweiten Vorstellung unser Urtheil über den Text wie über die brave Musik fällen.
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad: 14.-21. Juni 1818, dabei besonders über „Die Entführung aus dem Serail“ von Mozart
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas
Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 155 (1. Juli 1818), Bl. 2v