Rezension: „I. Der Friede; II. Wonne der Wehmuth; III. Grand Sonate pour le Pianoforte; IV. Acht deutsche Gesänge“ komponiert von Xaver Schnyder von Wartensee

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I. Der Friede. Ein Quartett für zwei Sopran, Tenor und Baß, mit obligater Clarinett- oder Flöre und Pianoforte-Begleitung;

II. Wonne der Wehmuth von Göthe. Ein sentimentales Quartett für Sopran, Alt, und Baß;

III. Grand Sonate pour le Pianoforte;

IV. Acht deutsche Gesänge für eine Singstimme, mit obligater Clavierbegleitung;

sämtlich komponirt von Xaver Schnyder von Wartensee und im Verlag bei Simrock in Bonn und Cölln.

Die bereits öffentlich erschienenen Compositionen des Herrn Schnyder sind ihrer Gründlichkeit, ihres geistigen und melodischen Werths halber, von dem Kreise der Kenner wie von dem großen Publikum mit ausgezeichnetem Lobe und Wohlwollen aufgenommen worden. Ein gleiches Schicksal verdienen ohne Zweifel auch die hier bemerkten neuen Werke des Tonsetzers, welche jene Vorzüge im gleichen Grade und sogar in höherer Potenz besitzen. Wir beziehen die letzere Behauptung ins Besondere auf die in No. III. enthaltene contrapunctfrische Gelehrsamkeit, der die Bewunderung der Kenner und Freunde des innersten Wesens der musikalischen Kunst nicht entgehen kann.

No. I. Der Frieden ist ein höchst anmuthiges Gesangquartett mit einer nicht zu schwierigen Clavierbegleitung, zu der oft das obligate Blaßinstrument, in Anfang- und Zwischensätzen, mit lieblichen Melodieen eintritt. Einem ernst u. oft düster gehaltenen Andante folgt das sehr freundliche Allegretto, welches im lieblichsten Wechsel aller Stimmen Gelegenheit giebt melodisch hervorzutreten. Gewiß wird in jedem musikalischen Kreise dieses Tonstück ausgezeichnetes Vergnügen gewähren. – Hat in dem ebenerwähntem Gesangquartette uns ein freundlich idillischer und lirischer Geist umweht, so steigt No. II. dagegen in seiner elegischen Rührung hinab zu den Tiefen des Herzens, in welche es des Dichters wohlverstandenes Lied umgebildet zu Tönen niedergelegt. Und dieses Verschmelzen des Gedichtes und der Töne zu einem Ganzen ist es eben, was uns den ästhetischen oder einzig wahrhaften Künstler verkündet. -

Raum und Zweck dieses Blattes gestatten nicht, eine ausführliche Darstellung von No. III. zu liefern. | Wir bedauern dieses um so mehr, da ein so grandioses und umfassendes Werk, wie die oben angezeigte Claviersonate in der That ist, nur durch ein zergliedertes Urtheil kann gewürdigt werden. Auch mag allein der sehr fertige und verständige Clavierspieler eine solche Composition in allen ihren Einzelheiten vollendet genug vortragen, um hier sich selbst genügend zu verstehn. In dem ersten Allegro werden zwei Hauptgedanken mit großer Kunst und dennoch in den angenehmsten melodischen Verhältnissen nebeneinander durchgeführt, bis sie endlich im Beginne des zweiten Theils zusammentreten und hier ein ächt tonkünstlerisches Bild liefern, wie wir es bei den größten Componisten in diesem Fache nur zu finden gewohnt sind. Das Gemüth bleibt aber auch hier immer das vorherrschende Prinzip, dem die verständige Berechnung untergeordnet ist. Dem hierauf folgenden Allegretto ist eine besondere Klarheit und Sinnigkeit eigen. Ein großes Kunststück wird sich kenntnißreichen Musikern in dem zweiten Trio offenbaren, welches wir hier, um sie nicht einer Ueberraschung zu berauben, nur andeuten. In dem rauschenden und sehr schwierigen Finale hat der Componist seiner Kunst und ¦ Gelehrsamkeit im weitesten Umfange Raum gegeben. Fugen, Umkehrungen aller Art, Verkürzungen und Verlängerungen, kurz die verwickelsten Aufgaben des Contrapunkts sind hier mit einer Leichtigkeit gelöst, welche fast keine Bedenken ahnen läßt und zugleich immer den Foderungen des Wohlklangs getreu bleibt. Es ist kaum zu bezweifeln, daß dieses Werk in kurzem in den Händen aller erfahrnen Clavierspieler, deren wir so viele zählen, seyn wird. -

In No. IV. entfaltet sich, wie in Herrn Schnyders früher angezeigten Compositionen Uhlandscher Gedichte, wiederum aufs Reichste die schöne und seltne Gabe der Melodie und der seelenvollsten charakteristischen Auffassung. Eine merkwürdige Gelegenheit zu Parallelen bietet die Doppelcompsition von Göthes Haideröslein, und zugleich einen Beweiß daß der Tonsetzer gar nicht verlegen ist um neue Weisen. Aber aus den heiligsten Tiefen des Gemüths gegriffen ist No. 8. Röschens Sterbelied von F. Rückert. Hier weinen in Wahrheit die Töne und sie leben in wehmüthiger Sehnsucht und sterben in ungestillter Klage. -

Apparat

Zusammenfassung

Rezension: „I. Der Friede; II. Wonne der Wehmuth; III. Grand Sonate pour le Pianoforte; IV. Acht deutsche Gesänge“ komponiert von Xaver Schnyder von Wartensee

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Kühnau, Dana

Überlieferung

  • Textzeuge: Wegweiser im Gebiete der Künste und Wissenschaften (Beilage zur Abend-Zeitung), Jg. 6, Nr. 86 (26. Oktober 1822), S. 342–343

Textkonstitution

  • „Foderungen“sic!
  • „Haideröslein“sic!

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