Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, Juni 1815
Korrespondenz-Nachrichten.
Prag den 29. Juny 1815.
Den 22. d. gab Mad. August‡ Schmidt in der Jungfrau von Orleans, als Johanna, ihre erste Gastrolle. Es ist eine schwere Aufgabe, diese Rolle hier, wo man in‡ selber die ersten Künstlerinnen Deutschlands bewunderte, nur mit mäßigem Beyfall zu spielen; doch Mad. Schmidt, | würdig ihren großen Vorgängerinnen angereiht zu werden, löste sie durch ihr schönes, tief studirtes, von jeder Nachahmung freyes Spiel. Rein, richtig und bedeutungsvoll ist ihre Sprache, wahr und ohne Manier ihr Gebärden Spiel. Sie wurde bey jedem Abgehen, wenn sie sprach, und bey ihrer Schluß-Scene stark applaudirt und am Ende einstimmig vorgerufen. Einfach und bescheiden war ihr Dank: sie bezog sich darinn auf die hohen Talente der Mad. Löwe und Schröder, und dankte gerührt einem Publikum, das im gewesenen Besitze so großer Künstlerinnen, sie mit diesem ausgezeichneten Beyfall beehrt. – Herr Bayer (Dunois) und Herr Polawsky (Karl VII.) bewährten wie gewöhnlich ihren anerkannten Ruhm.
– – – den 26. – das Mädchen von Marienburg. Mad. Schmidt gab die Chatinka als zweyte Gastrolle, und bestättigte auch in dieser Rolle unser Urtheil als tief denkende Künstlerinn. Das fein und richtig fühlende hiesige Publikum belohnte ihr Spiel enthusiastisch, und der Vorhang fiel während dem Rufen; „Schmidt, Schmidt![“] – sie dankte, indem sie der herrlichen Unterstützung des mitspielenden Künstlervereins erwähnte‡; – als sie ausgesprochen, wurde Herr Bayer (Czaar) und der brave Seewald (Pastor) gerufen: doch auch die vortreffliche Madame Brunetti als Fürstinn verdient ausgezeichnete Erwähnung, und wahrlich! mit dieser Vorstellung können wir bestimmt den ersten [Bühnen] Deutschlands den Rang streitig machen.
Den 28. – Partheyen-Wuth oder die Kraft des Glaubens, – von Ziegler. – Mad. Schmidt als Lady Laud. – Unvergeßlich bleibt uns als selbe Mad. Löwe, und eine schroffe Klippe ist zu erklimmen, um in dieser Rolle jener großen Künstlerinn gleich zu kommen; Mad. Schmidt ist seit jener Zeit die erste, die auch darinnen allgemeinen Beyfall erhielt, und am Schluße wurde sie extastisch‡ gerufen. Die übrige ¦ Gesellschaft trug mit Eifer das ihrige zur Verherrlichung desGanzen‡ bey. Morgen spieltMad.‡ Schmidt in Rolla’s Tod Elvire, und Uebermorgen in Haß allen Weibern. – Unser verehrungswürdiger Liebich betritt heute das erstemahl wieder, nach einer bedeutenden Krankheit, die Bühne, welche Nachricht gewiß jeden Freund der Kunst hoch erfreuen muß. – Des Herrn Krügers Hof-Schauspielers Ankunft soll zu unserer großen Betrübniß verschoben seyn; – des Herrn Rosenfeld, Tenoristen, hiesiges Engagement ist unbestättiget. –
Apparat
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Charlene Jakob
Überlieferung
-
Textzeuge: Wiener Theater-Zeitung, Jg. 8, Nr. 59 (18. Juli 1815), S. 234–235