Madame Becker in Lemberg (darunter Gastspiel als Agathe)

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Correspondenz-Nachrichten.

(Madame Becker in Lemberg.)

Diese vertreffliche und oft gefeyerte Bravour-Sängerinn war für unsere Hauptstadt eine der angenehmsten Erscheinungen, obwohl ihr eine Borgondio, Catalani und Campi voranging. Sie kündigte ihre Kunstkraft auf die bescheidenste und uneigennützigste Weise an, indem sie während der Zwischenakte eines gegebenen Schauspiels zuerst eine, vom k. dänischen Kapellmeister Kuhlau für den Umfang ihrer Stimme eigends komponirte große Scene und Arie, dann eine Cavatine von Rossini mit seltener Virtuosität vortrug, und sich unter andern Vorzügen durch eine außerordentliche, und zugleich unglaublich reine Höhe ihrer Stimme, so wie durch die Sicherheit und Gewandtheit ihres Gesanges enthusiastischen Beifall erwarb. Bald darauf entzückte sie das Publikum als Amenaide im Tankred, unterstützte nachher die Benefice-Vorstellung des Hrn. Schnaidtinger mit dem Vortrage des Favorit-Bolleros von Piantanida, welches sie unübertrefflich sang, denn es dürfte wohl nicht so leicht eine zweite Sängerinn das, den Gehörsinn so ungemein lieblich ansprechende Zurückweichen der Töne bis zum beinahe Unmerkbaren der Art in ihrer Gewalt haben, als sie; weßwegen man sich auch die Wiederholung dieses schönen Gesangsstückes erbat. Später glänzte sie als Prinzessinn von Navarra im "Johann von Paris," und erregte nicht nur durch ihre vielseitig angebrachte ausgezeichnet gründliche Gesangmethode allgemeine Bewunderung, sondern bewies auch, daß sie mit sehr richtiger ausdrucksvoller Mimik ihre Rollen zu heben verstehe, und besonders für heroische Opern geeignet sey. In gleichem Grade zog sie als Konstanze in der "Entführung aus dem Serail," und einige Male als Agathe im "Freischützen" von Weber durch mahlerische Bezeichnung der Schwermuth alle Herzen an sich, und setzte endlich als Rosa in der "Sängerinn auf dem Lande," von Fioravante allen diesen Leistungen das schönste Diadem auf, indem sie nichts unangewendet lies, was aus dem Gebiethe dieser schweren Kunst in Absicht auf Empfehlung aufgefaßt und ausgedrückt zu werden vermag; und wenn man noch dabei ihr unermüdetes Streben so wie ihre Bereitwilligkeit, dem Publikum genügende Abendstunden zu verschaffen, in näheren Betracht zieht, womit sie sich wirklich besonders chrakterisirt, so wird diese würdige Künstlerinn, so lang das Schicksal noch ihre seltene Kehle mit Kraft und Ausdauer begünstigt, gegen andere ihres Gleichen, die jede Produktion mit schwerem Golde entschädigt wissen wollen, stets eine höchst lobenswerth hervorschimmernde Ausnahme bleiben.

S.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Mo, Ran

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens, Jg. 15, Nr. 95 (8. August 1822), S. 379

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