Bericht über Webers Kopenhagener Konzert 1820

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Correspondenz-Nachricht.

Kopenhagen, den 10. October.

Am verwichenen Sonntag gab der berühmte Componist Carl Maria v. Weber, Königl. sächsischer Kapellmeister und Musikdirektor der deutschen Oper in Dresden, ein großes Vocal- und Instrumental-Concert, unter Anführung des Herrn Professor, Ritter und Musikdirector Schall, und unterstützt von den Mitgliedern der Königlichen Kapelle. Mozarts herrliche Ouverture zur Oper Titus eröffnete die harmoniereiche Unterhaltung. Darauf sang Fräulein Ziza Sextus Arie parto parto aus derselben Oper, welche von der talentvollen jungen Sängerin nicht ohne Geschmack ausgeführt ward, nur fehlte ihrer Stimme vorzüglich noch Weichheit, so wie ihrem Vortrage Leben. Der berühmte Concertgeber trug hierauf ein von ihm selbst componirtes Concert auf dem Fortepiano vor, die Ausführung war der Composition würdig, beide waren meisterhaft. Dieses Concert ist ohne Zweifel, eines der schönsten und genialsten, welche je für dieses Instrument gesetzt wurden; das majestätische Allegro, das schmelzende Adagio, in welchem das Violoncell das Hauptaccompagnement hat, und das vortreffliche Rondo, voller barocken, wilden, eben so schönen als kühnen Ideen, bilden ein herrliches Ganzes. Die Ausführung beurkundete den großen Künstler. Diese Diskretion im Steigen und Fallen, dieser Geschmack in den Uebergängen vom Forte zum Piano, dieses unvergleichliche Crescendo, diese Rundung und Weichheit im herrlichen Verein mit Kraft und Ausdruck ergriffen auf unbeschreibliche Weise, und erwarben dem Meister einen eben so enthusiastischen als allgemeinen stürmischen Beifall. – Die Ouvertüre der Oper der Freischütze von der Composition des geehrten Concertgebers, eröffnete die zweite Abtheilung. Sie ist von solcher außerordentlichen Schönheit daß sie allein hinreichend sein würde, das Glück dieser Oper zu begründen. Die Ausführung von Seiten des Orchesters war vortrefflich; alles ging wie aus einem Guß, und mit der größten Präcision. Darauf spielte Hr. C. M. v. Weber, ein von ihm selbst componirtes brillantes Rondo, welches ihm gleichfalls Gelegenheit gab, sein seltnes Talent an den Tag zu legen. Hr. Zink sang nun mit Geschmack eine große Arie aus der Oper Agnes von Paer; mit Hinsicht auf die schwierige Ausführung der Composition, ist diese Arie vielleicht ein Seitenstück zu Vitellia’s großer Arie im Titus. D’Alayrac scheint sich auch in seiner kleinen Oper „die beiden Worte“ in einer solchen brillanten Bravourarie, welche einen vorzüglichen Sänger erfordert, versucht zu haben. – Das Concert schloß würdig mit Phantasie und Variationen von C. M. v. Weber. Es waren, um ein Gleichnis zu gebrauchen, Göthische Fragmente*, ins Reich der Töne übertragen. Da ein solches Musikstück oft als ein Ausbruch der momentanen Laune oder Stimmung des Componisten zu betrachten ist, erregt es um so größeres Interesse und spannt die Erwartung, vorzüglich wenn diese wie hier vorbereitet war; daß sie vollkommen befriedigt, wo nicht übertroffen wurde, bedarf wohl keiner Versicherung.

Der ausgezeichnete Componist, der ohne Wiederspruch einen Rang unter den ersten jetzt lebenden Tondichtern verdient, und überdem einer der größten Fortepianospieler ist, arbeitet in diesem Augenblick an zwei neuen Opern: die Jägerbraut von Kind, und die drei Pinto’s nach dem Französischen von Theodor Hell*.

C..

Apparat

Generalvermerk

deutsche Übertragung der dänischen Besprechung in: Dagen, Jg. 1820, Nr. 242 (10. Oktober 1820)

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler
Korrektur
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Originalien aus dem Gebiete der Wahrheit, Kunst, Laune und Phantasie, Jg. 4, Nr. 127 (21. Oktober 1820), Sp. 1031

Textkonstitution

  • „s“sic!
  • „nach dem Französischen“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • Zizarecte „Zrza“.
  • „… Gleichnis zu gebrauchen, Göthische Fragmente“In der dänischen Vorlage ist von gotischen Fragmenten die Rede.
  • „… dem Französischen von Theodor Hell“Im dänischen Original ist hier von der geplanten Schauspielmusik zum Drama Die Makkabäer (von Hell nach dem Französischen) die RedeT. In Unkenntnis dieser Planungen wurde in der deutschen Übertragung statt dessen die Oper Die drei Pintos eingesetzt, die zwar ebenso auf einem Text von Hell basiert, aber keineswegs eine französische Vorlage aufgreift.

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