Vergleich des Freischütz von Apel und Kind/Weber

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Die Oper: der Freischütz.
(Vergleichung derselben mit der Volkssage.)

Offenbar hat der Dichter dieser Oper mit ihrer wundervollen Musik durch die Wahl seines Stofs gleich einem elektrischen Schlag in das deutsche Volksleben eingegriffen. Keine andere, auch der beliebtesten, hat so vielfach schnelle Aufführungen hintereinander erlebt. Auf der Berliner Bühne, wo sie zuerst gegeben wurde, hat sie schon ihr Jubliläum, die funfzigste Vorstellung, und auf andern schon über sechzig derselben gefeiert. Kein Wunder, daß auch Bühnendirectionen in mittlern Städten sich bestreben, ihrem Publikum Anschauung und Genuß davon zu gewähren. Denn wer erinnert sich nicht irgend eines Anklanges noch aus seiner Jugendzeit von der Volkssage des Freischützen und dem Zauberguß der Freikugeln? Als Erzählung ist sie in Apels und Launs Gespensterbuch neuerdings von Pustkuchen der Leserwelt gegeben worden*. In der dramatischen Bearbeitung des Dichters Kind mußte sie natürlich einige Abänderungen erleiden, wovon die wesentlichste den Ausgang mit dem Probeschuß betrift, der in der Erzählung tragisch ist, in der Oper aber, dem Zweck derselben gemäß, eine erfreuliche und mildere Wendung zum Triumph des Guten im Kampfe mit dem Bösen nimmt, wozu die Anordnungen des Dichters als Hauptgegenstand unverkennbar und absichtlich hinwirken.

Die Begebenheit trägt sich gegen das Ende des 30jährigen Kriegs in einer biedern und rechtlichen Försterfamilie in den böhmischen Gebirgen zu, deren Urältervater, Namens Kuno, sich einst bei dem böhmischen Herzog Ottokar verdient machte, indem er auf Verlangen des Herzogs einen Hirsch, auf welchem nach den alten barbarischen Strafgesetzen ein Wilddieb geschmiedet war, so glücklich schoß, daß der Hirsch verendete, ohne daß der Unglückliche verletzt, vielmehr derselbe ge|rettet wurde, was ihm der Herzog aus Mitleid besonders zur Pflicht gemacht hatte. Der Herzog belohnte ihn dafür nicht allein mit der Försterstelle, sondern auch daß sie in seiner Familie erblich bleiben sollte, jedoch unter der Bedingung, daß jeder neue Nachfolger zu Erlangung des Dienstes vorher einen Probeschuß thun müsse, weil die Neider und Feinde des glücklichen und belohnten Schützen behaupteten, er habe den Schuß nur mit Hülfe des Bösen gethan. Um diesen Probeschuß dreht sich nun der ganze Inhalt der Oper. Der Jägerpursche Max, der bei dem Förster Kuno, (einem Nachkommen jenes Urältervaters) aus Liebe zu seiner Tochter Agathe die Jägerei gelernt hat, weil der Vater sie keinem andern als einem Jäger geben will, hat sie von ihrem Vater endlich zur Braut erhalten, und soll nun als dessen Eidam und künftiger Nachfolger den Probeschuß als Förster thun. Allein kurz zuvor versagt ihm seine erlangte Geschicklichkeit; er thut überall nur Fehlschüsse, selbst bei einem Sternschießen im Dorfe; worüber er in der Arie: „Schau der Herr mich an als König“ &c. von den Bauern verhöhnt wird. Ingrimm, Furcht und Niedergeschlagenheit wegen des bevorstehenden Probeschusses, und der Liebe Verzweiflung über die Gefahr, durch einen Fehlschuß mit der Försterstelle seine Braut zu verlieren, lassen ihn endlich der Verführung eines Kameraden, des Jägers Caspar, Gehör geben, der ihm räth, mit Freikugeln zu schießen, und mit ihm dieselbe zu gießen, wozu er ihn auch mit arglistigen Lockkünsten gewinnt. Diese Kunst ist nach der alten Volkssage nur durch ein Bündniß mit dem Bösen, hier unter dem Namen Samiel, möglich. Caspar hat sich demselben schon seit langer Zeit verkauft, deren Frist eben abgelaufen ist; weshalb er mit Samiel um noch drei neue Jahre handelt, wofür er ihm den Max verschaffen will. Dieß giebt nun die abentheuerlichste und schauervollste Parthie der Oper, ganz im Sinne der Volkssage, wobei jedoch schon der veränderte Ausgang vorbereitet wird. In der Erzählung wird der Bräutigam von dem Bösen selbst, unter der Gestalt eines alten Invaliden, verführt, in der Oper durch Caspar, der ihm die eigentliche Bewandniß mit dem Guß der Freikugeln, die Versagung an den Teufel, verschweigt. In der Erzählung gießt der Verführte die Kugeln selbst; in der Oper gießt sie der Verführer Caspar, und Max ist nur ausserhalb des Beschwörungskreises gegenwärtig. Er zaudert sogar noch beim Hinabsteigen in die Wolfsschlucht, wo der Guß um Mitternacht geschehen soll. Das Bild seiner verstorbenen Mutter erscheint ihm warnend, und nur eine darauf folgende von Samiel erregte Trugerscheinung, in welcher seine Braut Agathe als Wahnsinnige sich vom Felsen hinabstürzt, reißt ihn zu ihrer Rettung fort und nach, und er kömmt in der Wolfsschlucht an; (wodurch sein Verbrechen wieder gemildert wird.) Der Guß geschieht; alle Schauer der Hölle und die furchtbarsten Schreckensgestalten umgeben die Szene, und die Musik begleitet sie mit den schroffsten Gängen und den schrillendsten Tönen. Caspar gießt sechs Kugeln, welche treffen. Die siebente ist die Trugkugel des Teufels; sie soll äffen und bei dem Probeschuß des Max seine Braut treffen. Darum nimmt Caspar bei der Theilung der Kugeln mit Max, arglistig nur drei und überläßt dem Max vier mit der Teufelskugel. Allein des Bösen Werk gelingt nicht. Der frommen Braut Agathens Gebet, dessen Kind|lichkeit sich auch wieder in der schönsten Arie ausspricht: „Und ob die Wolke sie verhülle“ &c. rettet sie und den Max. Er soll zum Probeschuß nach einer weißen Taube schießen. Statt derselben wird zwar, so wie der Schuß fällt, die hinter ihm stehende Braut von Angst und Schreck leblos niedergeworfen, aber nicht von dem Schuß, mithin auch nicht getödtet. Die Taube entfliegt, und die Satans-Kugel trift ihren Urheber, Caspar, der bald darauf, vom Grimm des Bösen ergriffen, fluchend und entseelt niederstürzt. Max gesteht, was er begangen hat, und soll dafür auf immer Braut und Land meiden. Allein ein frommer Eremit der Gegend spricht versöhnend und entschuldigend für ihn. Das Ganze endigt mit dem herrlichen Chor des Danks und der Freude: „Ja laßt uns zum Himmel die Blicke erheben“ &c. Der Probeschuß wird abgeschafft, und für Max die Trauung durch ein zur Büßung bestimmtes Probejahr verschoben. In der Erzählung wird die Braut getödtet und die Kugel im zerschmetterten Kopfe gefunden; ihre Eltern bringt Schreck und Gram ums Leben, und der unglückliche Bräutigam verliert den Verstand und kömmt ins Irrenhaus.

Die jetzige hiesige Theater-Direction* hat durch neue Costümirung, Apparate, Dekorationsmalerei (besonders der Wolfsschlucht) und die Besorgung des dazu nöthigen starken Orchesters und zahlreichen Statisten-Personals die Vorstellung auf’s möglichste vorbereitet.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler
Korrektur
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Allergnädigst bewilligter Chemnitzer Anzeiger, ein Intelligenz- und Wochenblatt für Chemnitz und umliegende Gegend, Jg. 24, Nr. 3 (18. Januar 1823), S. 17–19

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Pustkuchen der Leserwelt gegeben worden“Novellenschatz des deutschen Volkes, hg. von Ludwig Pustkuchen, Bd. 2, Quedlinburg, Leipzig 1822, S. 249–294.
    • „… Die jetzige hiesige Theater-Direction“In Chemnitz spielte von Herbst 1822 bis Ende Januar 1823 die Gesellschaft von Otto Herrmann.

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