Besprechung der Erstaufführung des Abu Hassan in Hamburg am 27. November 1824 (Teil 1)

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Hamburgische Theater-Zeitung.

Die an einem Abend gegebenen drei neuen Stücke sind: Der geheime Oberfinanzrath, Lustspiel in zwei Aufzügen, von van der Velde; Abu Hassan, Oper in einem Aufzuge, Musik von Carl Maria von Weber, und: Die Ueberbildeten, Lustspiel in einem Aufzuge, nach Moliere’sles précieuses ridicules“ frei bearbeitet von Robert.

Wahrlich sind hier drei Nebenbuhler von Ruf auf einmal in die Schranken getreten, und es läßt sich wohl sagen, daß jeder seinen ¦ Zweck erreicht hat. Die leichteste Waare darunter hat van der Velde geliefert […]. ¦

Die nun folgende kleine Oper: „Abu Hassan,“ ist in jeder Hinsicht interessant. Schwerlich sind unsern Lesern die goldenen ¦ Mährchen, mit welchen die schöne Scheherazade den despotischen Schach-Riar nach tausend und einer glücklichen Nacht zur Abschaffung eines empörenden Rituals brachte, unbekannt. Unter diesen Erzählungen ist nun die, wie der Calife Harun Alraschid und seine Gemahlin Zobeida eine Wette von Bedeutung eingehen, ob Abu Hassan oder seine Gattin verstorben, eine der vorzüglichsten. Das Califische Ehepaar ist vergnügt, daß das Ganze nur eine Schelmerei des anderen Ehepaars war, um sich aus der Verlegenheit zu helfen; beide Günstlinge werden durch reiche Geschenke wieder in guten Stand gesetzt, und Alles nimmt ein fröhliches Ende. Es muß damals bei den Orientalischen Despoten anders hergegangen seyn als jetzt; die gegenwärtigen sollen für Geniestreiche nicht so empfänglich seyn. Im Ganzen wüßten wir von dem Sujet gewiß nichts anders zu sagen, als daß es uns leid thut, daß, nach dem ganzen Zuschnitte zu urtheilen, das niedliche Stück nicht deutschen, sondern französischen Ursprungs ist, und wir müßten uns sehr irren, wenn wir uns nicht desselben, und zwar mit einer leidlichen Französischen Composition, dunkel erinnerten. Doch sey dem wie ihm wolle; die Wirkung ist da, und die Uebersetzung oder Bearbeitung, mit Ausnahme der hin und wieder holperichten Verse, recht gut gelungen. Für Deutschland hat diese niedliche Kleinigkeit ein besonderes Interesse, weil sie eine der früheren Arbeiten unseres Carl Maria von Weber ist. Seltsam genug, daß Manche, die sich nicht darum bekümmerten, daß diese Oper vielleicht vor vierzehn oder funfzehn Jahren geschrieben ward, Reminiscenzen aus dem Freischützen finden wollten, anstatt daß sie in dem Abu Hassan den Schöpfer des Freischützen finden sollten. Es ärgert gewissermaßen, daß erst der Credit des Freischützen diese Musik in Ansehen bringen soll, da sie doch durchaus genial, und, wenn auch hin und wieder die Unsicherheit des Anfängers durchblickt, hinreichend war, dem wackeren Künstler eine günstige Aufnahme zu bereiten. Die nimmer müden Reminiscenzenjäger wollen freilich enorme Plagiate finden; was uns anbelangt, so können wir uns noch immer nicht überzeugen, daß verwandte Gedanken ein Raub seyn sollen. Gluck und Mozart haben es mitunter nicht verschmähet, fremde Ideen zu benutzen, und der mit Recht so hoch gefeierte Spohr hat es in dieser Hinsicht noch viel weniger genau genommen. Mit den größten Dichtern mögte es dieselbe Bewandniß haben. Es kommt nur darauf an, ob die zufällig im Gedächtniß gebliebenen, einzelnen Reminiscenzen so in das Ganze verwebt sind, daß sie einen integrirenden Theil des Ganzen ausmachen. Wir haben nun freilich, weil uns diese Oper in Rücksicht der musikalischen und dramatischen Wirkung so sehr interessirte, nicht auf die etwaigen Reminiscenzen Acht gegeben, sondern uns vielmehr gefreuet, daß, der mannichfachen Härten und der überladenen Begleitung ungeachtet, überall Sinn, Melodie, (wenigstens in der Mehrheit der Gesangstücke) sich versinnlicht. Auch glauben wir bemerkt zu haben, daß eine gewisse, sich überall gleichbleibende Richtung des Genies sich offenbare, die, ohne sich selbst nachzuahmen, in der Preciosa wie in dem Freischützen den Componisten des Abu Hassan nicht verkennen läßt.

(Die Fortsetzung folgt.)

a.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler
Korrektur
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Originalien aus dem Gebiete der Wahrheit, Kunst, Laune und Phantasie, Jg. 8, Nr. 147 (8. Dezember 1824), Sp. 1175–1176

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