Aufführungsbesprechung Wien, 1823: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber
Preciosa und die beiden Gastmahle waren nicht französischen, doch auch exotischen Ursprungs. Ueber das Lob und Tadelswerthe des interessanten Zigeunermädchens darf ich wohl nichts mehr aufführen. Dieses romantische Schauspiel ist an zu vielen Orten gegeben, um nicht vorauszusetzen, daß dessen Inhalt bekannt sey, aber eben so wie den Inhalt des Stücks wissen die Leser dieses Blattes auch, daß Preciosa überall ein Kassestück wurde, folglich einen, vorzüglich für Theaterverwaltungen, äußerst gewichtigen Werth hatte. Zu Wien trat dieser Fall nicht ein, und das Schauspielhaus war selbst bei der ersten Vorstellung zur Hälfte leer. Dagegen mußte aber die Ouvetüre wiederholt werden, denn der Zettel sagte: Musik von Weber! Ob es ohne den Umstand auch geschehn wäre? In Verlauf des Stücks ging es wie gewöhnlich, d. h. nach jedem Akt hörte man im fünften Akt toben, und dazwischen einige Stimmen so lange schreien, bis ein oder andere Schauspieler erschien, sein unterthänigstes Kompliment zu machen; diesmal traf Dem. Betty Schröder, weil sie am meisten beschäftigt war, auch am öftersten die – Ehre? nein, das kann bei so bewandten Umständen nicht mehr dafür gelten, daher sagen wir: die Reihe. Ob man Recht hat, solche Stücke zu wählen, wenn man sie nicht ordentlich besetzen kann, und Anfängerinnen Rollen geben muß, in welchen die Stich und Neumann glänzen, ist eine andere Frage. Daß der Erfolg des Stücks dabei leidet, davon kann sich J der‡ überzeugen, der das Schauspielhaus an der Wien besucht. Seitdem die Pferde nicht mehr mitspielen, erschien kein Stück, welches so viel Zuschauer herbei lockte, daß zum Kassestück geworden wäre. Wir bedauern, daß es so ist, aber es ist so, und wird gewiß nicht besser, so lange man ohne erste Liebhaberin, ohne ersten Liebhaber, ohne zärtlichen Vater, Trauer-, Schau- und Lustspiele geben will.
(Die Forts. folgt.)
Apparat
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Amiryan-Stein, Aida
Überlieferung
-
Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 23, Nr. 171 (2. September 1823), Sp. 1376