Aufführungsbesprechung Hamburg, „Preciosa“ von Carl Maria von Weber: Anfang 1822

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Aus Hamburg. (Beschluß.)

[…] Es wäre recht gut, wenn eine scharfe kritische Sense dergleichen Nesseln* vom Parnasse – und diese haben wir gar zu uns aus der Fremde herübergepflanzt – heruntermähte, denn sie sind wucherndes Unkraut, unter dem die Blüthe des guten Geschmacks erstickt. Man versuche es einmal, dem größern Publikum ein halbes Jahr hindurch solche Mord-, Spektakel- und Knall-Effekt-Stücke zu geben, und man wird sehen, daß Göthes, Schillers und anderer guter Meister Schöpfungen ganz ohne Beifall und Wirkung bleiben, wenn man sie hernach aufführt. Nicht scharf genug kann die Kritik mit Sachen der Art verfahren, ja es ist ein gutes und löbliches Werk, sie mit Stumpf und Stiel auszurotten. Selbst die Preciosa, obgleich doch noch von mehrerem Gehalte, als diese Waise, würde mit in diese Ordnung gerechnet werden müssen, wenn Webers geniale, innige Komposition ihr nicht einen unvergänglichen Nimbus um das Haupt gegeben hätte, und man sie nicht fast als Oper zu betrachten hätte; daß man an Opern aber nicht die Forderung machen darf, daß Sinn und Verstand darin sey, scheint ja leider schon ausgemacht zu seyn, denn außer dem Don Juan, der auch als Dichtung tief und bedeutend ist, haben wir kaum eine erträgliche Oper. Gott besser’s! Wenn ich ein Fürst wäre, der Liebe zu den Künsten hätte, so würde ich bedeutende Preise auf gute und vernünftige Operntexte setzen; das würde Dichter und Komponisten zugleich befeuern, und endlich einem sehr fühlbaren Mangel abhelfen. Aber das Zeitalter der Mäcene ist vorüber, und die leidige Politik beschäftigt alle hohe Häupter so sehr und so ganz, daß die armen Künste Gott danken müssen, wenn ihnen ein verborgenes Schauspielplätzchen erlaubt wird. – […]

Preciosa ist noch immer, nach so häufiger Wiederholung, ein gutes Zugstück*; wie es heißt, werden wir in Demois. Pohlmann bald eine singende und tanzende Preciosa erhalten, und das ist wirklicher Gewinn, denn Singen und Tanzen gehört nun einmal so nothwendig zu diesem Stücke, als Worte zu einer Rede. […]

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Amiryan-Stein, Aida

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 22, Nr. 47 (7. März 1822), Sp. 375

    Einzelstellenerläuterung

    • „… scharfe kritische Sense dergleichen Nesseln“Gemeint ist das „Drama in drei Akten nach dem Französischen des Victor, bearbeitet von Castelli, Musik von Ritter SeyfriedDie Waise aus Genf, das am 19. Januar gegeben wurde. Die Besprechung dieses Stückes beginnt in Nr. 45 (4. März 1822), Sp. 359f. und ist in Nr. 46 (5. März 1822), Sp. 367f. fortgesetzt.
    • „… häufiger Wiederholung, ein gutes Zugstück“Im Hamburg gab es vor März 1822 insgesamt 21 Aufführungen: am 8., 10., 12., 15., 17., 19., 22., 25. und 28. Oktober 1821, 2., 5., 9. und 26. November, 1., 14., 18. und 25. Dezember sowie 10., 16., 20. und 30. Januar 1822.

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