Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: 8. – 13. Juli 1816 (und Gastauftritte bis 8. August 1816)

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Theater.

[…]

Prag. – (Verspätet.) Den 8. July: Otto von Wittelsbach, Trauerspiel in 5 A. von Babo. Herr Hellwig gab den Otto als Gastrolle, und gefiel besonders in der Scene, wo er im Grimme über den Verrath des Kaisers den Tisch sammt allen Bechern auf die Erde warf.

Den 9. Zum Besten des Herrn Costenoble: Der Geitzige, und: der arme Poet, von Kotzebue. Es war das letzte Mahl, daß wir diesen braven Künstler sahen, der uns gleichsam zum Abschiede noch in zwey der heterogensten Charaktere vor die Augen trat, und in beyden den reichsten und verdientesten Beyfall einerntete.

Den 11.: Der Schwätzer, Lustspiel in 5 A. von Weidmann. Herr Hellwig gab den St. Georg als Gastrolle, und erregte die größte Verwunderung über den Umfang seines Rollenfaches; von der Darstellung des heutigen Charakters können wir leider nicht dasselbe sagen, denn es fehlte ihm fast durchgehends die Gewandtheit und der leichte höhere Conversationston, den wir an Herrn Polawsky bewundern, und der allein dieser Rolle und dem ganzen in allen seinen Theilen veralteten Stücke einiges Interesse zu ertheilen vermag. Wir können nicht leugnen, daß es als ein großes Vergehen gegen Kunst und Publicum angesehen wer¦den muß, ein Stück dieser Art als Gastdarstellung zu geben, wenn man in demselben nicht etwas Großes zu leisten vermag. In den letzten Scenen des dritten Actes sang und tanzte er ein Solo, und verdankte vorzüglich dem letztern die Ehre des Hervorrufens im Zwischenacte; zu Ende war alles still.

Den 12.: Abällino, der große Bandit, Schauspiel in 5 A. von Zschokke. Herr Hellwig gab den Abällino und hatte im Flodoardo von Florenz einige recht glückliche Momente. Den Banditen nahm er, wie die meisten, zu grell und zu scharf. – Seine letzte Gastrolle war am 14. der Sherif Hamilton in der Parteyenwuth, worin er abermahls nur geringen Beyfall erntete. Ein geistreicher Theaterfreund äußerte über die Herren Costenoble und Hellwig: „Er habe noch [nie] zwey Regisseurs von so verschiedener Beschaffenheit gesehen; der erste habe einen beschränkten Rollenkreis und sey jeden Abend ein anderer Mensch, der andere spiele alles, und sey immer derselbe.“

Den 13.: Camilla, Oper in 3 A. von Paer. Herr Häser gab den Herzog zur ersten Gastrolle und ward mit verdienter Theilnahme aufgenommen. Er gehört auf jeden Fall unter die vorzüglichen Erscheinungen des singenden Teutschlands, und hat einen so geistvollen Vortrag, als man ihn nicht oft hört. Nur wäre – vorzüglich in teutscher Musik – zu wünschen, daß er hier und da etwas minder freygebig mit Verzierungen wäre. Sein Spiel hat sehr gewonnen, und eignet sich vorzüglich zu ernsten und Anstandsrollen. Er gab ferner noch den Johann Schneck (zweymahl), worin er in einer großen Falsett-Arie die größte Bewunderung erregte – Figaro, Don Juan, Titus (zweymahl), den Seneschal in Johann von Paris, Jacob in Mehuls Joseph und seine Brüder, den Oberpriester in der Athalia, und Richard Boll in der Schweizerfamilie* und erntete jedes Mahl, wenn nicht enthusiastischen Beyfall der Menge, welche überhaupt dem Baßsänger seltener zu Theil wird, doch die herzlichste Theilnahme der unbefangenen Freunde und die Zufriedenheit der Kenner dramatischer Tonkunst.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 121 (8. Oktober 1816), S. 500

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Richard Boll in der Schweizerfamilie“Auftritte (in Reihenfolge der Nennung) am 15. Juli und 8. August (Johann Schneck in den Schwestern von Prag), 19. Juli (Figaro), 23. Juli (Don Giovanni), 17. und 29. Juli (Titus), 25. Juli (Seneschal), 27. Juli (Jacob), 31. Juli (Oberpriester) und 2. August (Richard Boll).

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