Aufführungsbesprechung Frankfurt/Main: „Oberon“ von Carl Maria von Weber am 23. September 1827 (Teil 1 von 2)

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Chronik der Frankfurter Schaubühne.

[…]

Sonntag den 23. (zum erstenmal wiederholt) Oberon, König der Elfen, Oper in 3 Akten von C. M. v. Weber. Dieser Oper ging es beinahe bei uns wie ¦ der Sonne auf Nova Zembla, wo nach der langen Nacht das Bild der Sonne allemal sechszehn Tage früher als die Sonne selbst am Himmel aufgeht. Denn acht Tage früher sahen wir an unserm theatralischen Horizont nur den Schatten dieser Oper* und heute erst ging für uns die Sonne Oberons, dafür aber auch in allem Glanze herauf, und erwärmte uns mit ihren wohlthuenden, belebenden und feurigen Strahlen, dergestalt, daß der Thermometerstand des Beifalls und der öffentlichen Meinung nach Reaumur vom Eispunkte 0 plötzlich bis auf 22°, nach Fahrenheit von 32° auf 82° stieg, eine fast unerhörte Erscheinung sowohl im Reiche der Natur wie im Gebiete der Kunst. Wir wollen hoffen, daß die schnelle Veränderung der Kunstatmosphäre keine schlimme Folgen für uns haben werde, wenigstens rathen wir wohlmeinend, da Vorsicht niemals schadet, dafür zu sorgen, den Stand des Thermometers nicht so plötzlich wieder zurücksinken zu lassen, indem es sonst leicht starke Erkältungen geben könnte. Da indessen diese Sonne eine weiten, weiten Bogengang zu machen hat, wir meinen den Gang durch zehn oder zwölf Abonnements suspendus und vielleicht gar wieder mit doppeltem Legegelde – letzters sorgt zugleich für gehörige Transpiration des zahlenden Publikums*) – ehe sie in das Meer gewöhnlicher Abonnementvorstellungen sinkt, so sind wir der schlimmen Folgen wegen einigermaßen beruhigt, da wir bis dahin so ziemlich abgekühlt sein werden, um dann die kältere Abendluft ohne Gefahr ertragen zu können. – Doch allen Scherz bei Seite – müssen wir gestehen, daß uns die heutige Vorstellung Oberons vollkommen in jeder Hinsicht befriedigte, und wir freuen uns, daß die Aufnahme derselben von Seiten des zahlreichen Publikums unsere frühere Beurtheilung bekräftigte. Es war wohl voraus zu sehen, daß das sonst löbliche Bestreben unserer Direction dem Publikum viel und Ungewöhnliches zu geben, einmal auf den höchsten | Punct getrieben, eine Catastrophe wie die bei der ersten Vorstellung des Oberon, wo der Maschinist den Musikdirector im Stiche ließ, herbeiführen mußte. Denn wer das Theater nur im Allgemeinen kennt, noch mehr aber wer die Kräfte des hiesigen ermessen kann, – wer weiß, wie viel dazu gehört, das Materielle einer beinahe neu erstandenen Bühne zu ordnen und in Gang zu bringen, – wird eingestehen müssen, daß die seit der Wiedereröffnung unserer Bühne uns gewordenen neuen Aufführungen, z. B. Die Belagerung von Corinth*, Rafaele, Fidelio, Ludwig XI.*, besonders bei täglichem Spielen, keine gewöhnliche Anstrengungen erforderten, mithin man die Darstellung der für das Scenarium so schwierigen Oper Oberon füglich etwas später hätte ansetzen können, ohne daß dabei die gerechte Anerkennung einer ungemeinen Thätigkeit entgangen wäre. Allein es scheint, daß hier der Eifer Alles aufzubieten, dem Verlangen des Publicums zu entsprechen und hauptsächlich der Theatercasse eine doppelte Einnahme an einem Abende nicht entgehen zu lassen, wofür sich sämmtliche Herrn Actionärs bei der Direction bedanken können, über die Möglichkeit einer solchen Leistung täuschte; denn, wie wir hören, mußten zu den scenischen Anordnungen die Nächte der vorigen Woche noch zu Hilfe genommen werden, da keine andere Tageszeit wegen der täglichen Vorstellungen zu den Decorationsproben erübrigt werden konnte. (Wir müssen hier abbrechen; Dem. Canzi ruft, und es wäre unhöflich die Dame warten zu lassen. Der Schluß über Oberon folgt.

[Originale Fußnoten]

  • *) Die Direction soll die erste Aufführung Oberons als schweißtreibendes Mittel bewährt gefunden haben.

Apparat

Zusammenfassung

über die Wiederholung des „Oberon“ in Frankfurt/Main am 23. 9. 1827 (Teil 1), die wesentlich besser bei Kritik und Publikum ankam als die EA

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Iris. Unterhaltungsblatt für Kunst, Literatur und Poesie, Jg. 1827, Nr. 195 (30. September), S. 777f.

    Einzelstellenerläuterung

    • „… nur den Schatten dieser Oper“Vgl. die eher negative Besprechung der EA am 16. September 1827.
    • „… B. Die Belagerung von Corinth“Die Belagerung von Korinth (it.: L’assedio di Corinto) ist eine „tragédie-lyrique“ in drei Akten von Gioachino Rossini auf ein Libretto von Luigi Balocchi und Alexandre Soumet; = Umarbeitung seines 1820 erschienenen Maometto secondo für die französische Oper (UA 9. Oktober 1826 an der Académie Royale de Musique in Paris).
    • „… , Fidelio , Ludwig XI.“Ludwig der Eilfte in Peronne: Schauspiel in fünf Aufzügen von Joseph Freiherr von Auffenberg (Druck: Karlsruhe 1827).

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