Aufführungsbesprechung Hannover: „Oberon“ von Carl Maria von Weber am 6. November 1827

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Correspondenz-Nachrichten.

Aus Hannover.

[…]

Neu waren in diesem Theatermonde zwei Sachen, zuerst eine Bagatelle unter den Bagatellen: Der Kuß an den Ueberbringer; warum nicht der alte Titel: „Der Kuß auf Sicht“? Zu verbessern ist an dem Stücklein doch nichts; und dann – –

Weber’s Schwanengesang, die Oper: Oberon. Mit jedem Tage war die Neugier auf dieses letzte Werk des beliebten Meisters gespannter geworden, und daher kam es denn auch, daß bei der ersten Aufführung die Stimmen getheilt waren und die überspannte Erwartung hie und da unbefriedigt schien, wenn auch jeder Mund Lob zu spenden gezwungen wurde. Dieser tadelte die einförmige Exposition, und meinte, warum man uns nicht an Karls Hofe hätte sehen lassen, was wir aus Puck’s Munde gar breit hören mußten? Ein Zweiter meinte, ein Elfenkönig bedürfe solcher Erzählungen gar nicht und müsse so etwas von innen heraus wissen! Einem Dritten waren zu viel Chöre da und zu wenig Arien und Duo’s. Einem Vierten mußte der Katarrh schwer auf dem Ohre liegen, denn er vermißte das Melodische und Angenehme. –

Referent war nicht allein befriedigt, sondern fast entzückt, welches ihm nicht leicht passirt. Er kennt keine Musik, die so den Charakter des Romantischen in sich trüge, und zugleich so meisterlich ausgearbeitet worden, wenn auch einige fast zu ängstlich gesuchte Passagen sich vorfinden möchten, die als Kinder des aufgereizten Zustandes des Componisten anzusehen sind. – Wie viele Ouverturen giebt es, die so brillantirt sind als die zum Oberon, und doch so viel Melodie und Wohlklang darbieten, und so kunstgerecht dem Kritiker vorliegen? Wo giebt es ein Chor dieser Gattung, das mehr zum Herzen spricht, mehr die Phantasie aufregt, als das erste Elfenchor? Und welche Schönheiten bieten sich in Hüon’s erster Arie, seinem Gebet, in Rezia’s großer Scene, in den Arien der Fatime, im Terzett des dritten Aktes? Welche Mannigfaltigkeit in Charakter, Tonsatz, Melodie und Instrumentirung! Und vor allen, welcher Gedankenreichthum in den Zwischenspielen, welche der Direction zu Balletts, Gruppirungen, Decorationsaufwand den größten Spielraum lassen! Und eine vorzügliche Tugend, das Interesse steigert sich bei dem Fortgange des Stücks, die Musik entfaltet mit jedem Akte mehr ¦ Reiz und Schimmer, und der letzte Akt ist der ansprechendste.

Die Aufführung auf unserer Bühne wird hoffentlich noch besser werden; solch Werk bauet sich nicht schnell bis zum Giebel fertig. Herr Grill sang seinen Oberon tadellos, doch fehlt ihm als kräftigem Manne natürlich das ätherische, geistige der Form, und das ist Schade. Der dienende Puck war in den Händen der Dlle. Hanf wohl aufgehoben, nur erschien sie zu ernst und der rosafarbene, weibliche Anzug unpassend; schon Puck’s Name drückt des neckenden, schadenfrohen Wesens Chrakter aus, wenn wir ihn auch nicht vom Vater Wieland her kennten. Herr Rauscher wird uns den Hüon noch vollendeter geben, dessen sind wir in den nächsten Aufführungen gewiß; vorzüglich wollte es mit der Prosa noch nicht fließen. Uetzer’s Scherasmin war gut, das Spiel dreist und wahr; noch etwas Salz hinzu, und es bleibt kein Wunsch. Die Rezia der Dlle. Böhm giebt den Beleg zu dem, was wir früherhin im Allgemeinen über diese Sängerin äußerten. Die große Scene derselben ist uns verloren, denn die Stimme der Dlle. Böhm ist für dergleichen viel zu schwach und gebrechlich. – Oberon sollte sofort für die Weber’schen Erben wieder gegeben werden*, aber die Rezia ist vom ersten Male ruinirt worden und liegt fast vierzehn Tage schon im Bette. – Mad. Nicola gewann als Fatime den Preis, das heißt, ihre Gesangstücke wurden am lebhaftesten applaudirt und sogar da Capo gerufen; sie sang trefflich, doch ist auch zu gestehen, daß die Parthie der Fatime die ansprechendsten Sachen zugetheilt bekam.

Das Orchester verdient besonders Lobpreisung, Wärme im Aufgreifen, Eifer in der Ausführung fehlte nirgend. Auch die Ausstattung des Decorateurs muß gelobt werden; wenn auch nicht verschwenderische Pracht die Augen blendete, so wurde dem Auge doch durch den Wechsel schöner Decorationen und freundlicher Gruppen geschmeichelt und man vermißte nichts; was genügen muß. – Der Schwanenwagen des Oberon war mit Umsicht erfunden; auf andern Theatern sieht man die weißen Prachtvögel vor den Wagen gespannt, dadurch entsteht der Uebelstand, daß bei dem Stillstehen des Wagens die Schwäne, statt auch in Ruhe zu gerathen, beständig unnatürlich und unnütz fortflattern; unser Oberon fährt, wie es sich für einen Elfenkönig schickt, in einer Art Mongolfiere, bei welcher drei Schwäne gleichsam den Ballon vorstellen und über der Gondel flatternd diese und die Luftschiffer darin tragen; da nun das also construirte Schifflein nie den Boden ganz berührt, so müssen auch die Vögel immer fort ihre Schwingen gebrauchen, um ihr Trägeramt fleißig zu verwalten, und die Illusion wird nicht gestört.

Ob es nicht vielleicht Pflicht der beßten Schauspieler wäre, bei solchen Meisterwerken, wo es die Ehre des gekrönten Componisten gilt, freiwillig sich für die redenden Spielparthieen, welche so bedeutend auf den allgemeinen Effekt wirken, anzutragen, dürfen wir nicht entscheiden, wenn auch ein Stimmchen in uns daran mahnen wollte.

[…] Obscurus Knopfdistel*

Apparat

Zusammenfassung

über die EA des „Oberon“ in Hannover

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Ziegler, Frank

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 11, Nr. 299 (14. Dezember 1827), S. 1196

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