Aufführungsbesprechung Darmstadt (Hofoper): „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 9. November 1828

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Theaterkorrespondenz.

Sonntag, 9. Nov. (Zum Erstenmale.) Preciosa, Schauspiel in 4 Akten, von P. A. Wolff; doch wer erkennt nicht gleich in der vortrefflichen, passenden und charakteristischen Musik M. v. Webers ganze Originalität und Tiefe? wer wird nicht schon bei der Ouvertüre auf das wilde Treiben der Zigeuner besonders vorbereitet, und so schon in das Stück eingeführt? – Ja, auch in dieser Composition hat sich W. einen unzerstörbaren Pfeiler gesetzt, auf welchen seine Trophäe des Ruhms, so lange die Kunst lebt, unerschüttert ruhen wird! – Die Musik wurde von unserm Orchester herrlich durchgeführt; alle Chöre, vorzüglich der Zigeuner-Chor im Walde, harmonirten sehr gut.

Was das Stück selbst anbelangt, von welchem schon so viel gesagt und geschrieben wurde, so wird dasselbe, gleich allen andern, die nur auf unerwartete, augenblickliche Theater-Coups berechnet sind, zwar stets ein zahlreiches und günstiges Publikum versammelt finden, und so den Theaterkassen zum Nutzen gereichen, allein dem Denker nie Geschmack abgewinnen können. Der größere Theil des Publikums nennt ¦ zwar solche Produkte: très agréable, die in dem Reiche der höheren Literatur als abgeschmackt gelten müssen, und darin nie einen Platz gewinnen werden. Die Stimme des großen Haufens ist selten die richtige. Wo aber der Dichter gefehlt hat, da muß der Künstler nachhelfen, wenn ein solches Stück nicht ganz seinen Zweck verfehlen, wenn es gefallen soll. Unsre hiesigen Künstler thaten, was in ihren Kräften stand.

Dem. Peche*, als Preciosa, löste ihre schwere Aufgabe, die Arie ausgenommen, zur größten Zufriedenheit des Publikums. Sie wußte das vermeintliche Zigeunermädchen so liebenswürdig darzustellen, daß wir es nicht verargen können, wenn die Herzen der spanischen Männerwelt von einem solchen Mädchen gefesselt würden; auch wir wurden es. Ihr Costüme des ersten und vierten Aktes war jedoch unsrer Meinung nach zu brillant. Einfach und doch bezaubernd, wie im zweiten und dritten Akte, soll Preciosa erscheinen. – Hr. Grua hatte den Charakter des schwärmerischen, verliebten Don Alonzo richtig aufgefaßt, und gut durchgeführt. – Hr. Porth*, als Zigeunerhauptmann, war sehr brav. – Mad. Vetter, als Zigeunermutter, verdient ihres originellen und vollkommnen Spiels wegen ganz besonderer Erwähnung. Sie zeigte auch in dieser Rolle die bewährte Künstlerin. – Hr. Seydelmann* verstand es sehr gut, die an sich abgeschmackte Rolle des Schloßvogt Pedro hervorzuheben, und sich heute, in seiner ersten Debüt-Rolle als „Peter de plaisi“ in Respekt zu setzen. – Alle übrigen Rollen waren sehr gut besetzt. Don Franzi[s]ko de Carcamo, Hr. Fuchs, Don Fernando de Azevedo, Hr. Zahrt*; so wie dessen Sohn Don Eugenio, Hr. Grahn u.s.w., waren alle recht brav.

Auch die schönen und passenden Dekorationen, so wie die schönen Gruppirungen der Zigeuner im Walde, von Herrn Grüner angeordnet, verdienen besonderer Erwähnung.

D. D.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Didaskalia oder Blätter für Geist, Gemüth und Publizität, Jg. 6, Nr. 319 (14. November 1828)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Dem. Peche“Therese Peche (1806–1882, später verh. Vimal de Jauzat), von Juli 1828 bis Juli 1829 am Hoftheater Darmstadt engagiert.
    • „… gut durchgeführt. – Hr. Porth“Friedrich Wilhelm Porth (1800–1874), von Juli 1826 bis 1831 am Hoftheater Darmstadt engagiert.
    • „… bewährte Künstlerin. – Hr. Seydelmann“Carl Seydelmann (1793–1843), von Juli 1828 bis Mai 1829 am Hoftheater Darmstadt engagiert.
    • „… de Azevedo , Hr. Zahrt“Friedrich Zahrt (gest. 1854), von September 1817 bis 1831 und nochmals von 1839 bis 1848 am Hoftheater Darmstadt engagiert.

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