Aufführungsbesprechung Weimar: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 4. September 1822

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Aus Weimar, den 4. September *)

Zum Geburtsfeste unsers verehrten Großherzogs wurde Preciosa, von Wolf, zum ersten Mal gegeben, und nachher einige Tage darauf wiederholt*. Man war bemüht, dies Schauspiel aufs Festlichste auszuschmücken. Besonders gewann die Schlußscene dadurch, daß man ein kleines Ballet damit vereinigte, was ein schönes Tableau herbeiführte. Die Anforderungen der Hauptrolle sind bedeutend, und sie kann nur einer ganz ausgezeichneten und hochbegabten Küstlerin anvertraut werden. Es muß dieselbe Schauspielerin und Sängerin in einer Person vereinigen: eine Gewandtheit, die am hiesigen Theater vielleicht nur einer Künstlerin in einem so hohen Grade eigen ist; es ist dieselbe, deren einsichtsvolle Leistungen in diesem Fache längst auch im Auslande erkannt sind. Frau von Heygendorf beschenkte uns zugleich mit zwei eingelegten passenden italienischen Gesangstücken, die sie mit ihrer bekannten großen Virtuosität vortrug. Die Verse sprach sie mit jener Meisterschaft, welche, in der Rolle der Maria Stuart, das ganze Publikum zu ergreifen noch nie verfehlt hat. Bewegungen, Anstand beurkundeten einen eingebornen Sinn für das Plastische. Wie verschieden auch hiesige Kenner über das Stück dachten, das weniger einer seelenvollen Begeisterung, als einer klug gewandten Theaterpraktik und Benutzung des Allgefälligen sein Daseyn verdankt, und mehr auf Effekt, als auf tiefe Charakteristik, und zu innerer Darstellung berechnet ist: so konnte doch wohl über das eben so besonnene als reizende Spiel unserer Künstlerin nur eine Stimme seyn: und war es auch, wie denn dieses der laute Beifall anzeigte, der Frau von Heygendorf zu Theil wurde. – Die Nebenrollen waren sehr gut besetzt, und Alle wetteiferten, hinter der genialen Künstlerin nicht zurückzubleiben. Um nur einige anzuführen, als: Carcamo und Alonzo (Leo und Durand – der Zigeunerhauptmann und die Zigeunermutter (die beiden HoldermannsAzevedo und seine Söhne (Graff, Lorzing und Finke) – besonders war der Schloßvogt recht ergetzlich (Hunnius) – die Chöre gingen brav, und die Kapelle exekutirte, unter der Leitung ihres gewandten Musikdirektors Riemann*, meisterhaft. Die neuen Dekorationen im dritten Akt, so wie die der Waldscene mit Beleuchtung des Mondes, waren von großer, schöner Wirkung, und bewährten aufs Neue das in doppelter Rücksicht sehr schätzbare Talent unsers Holdermann.

[Originale Fußnoten]

  • *) Nicht von dem gewöhnlichen Korrespondenten. d. Red.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Amiryan-Stein, Aida

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 22, Nr. 192 (1. Oktober 1822), Sp. 1536

    Einzelstellenerläuterung

    • „… nachher einige Tage darauf wiederholt“Am 14. September 1822.
    • „… Leitung ihres gewandten Musikdirektors Riemann“Gemeint ist (Johann Ernst) August Riemann (1772–1826), ab 1790 erster Violinist, seit 1818 Musikdirektor der Weimarer Hofkapelle.

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