Aufführungsbesprechung Leipzig: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 23. Dezember 1822
Im Theater war außer Preziosa von P. A. Wolff, die zur Feyer des Geburtsfestes unseres verehrten Königs den 23. December gegeben wurde, nichts Neues von Bedeutung erschienen. Man war sehr gespannt auf die Erscheinung der interessanten Zigeunerinn Preziosa, da von verschiedenen Orten her zu uns die Kunde von ihrer Vortrefflichkeit gelangte. Wir selbst waren begierig das Wundermädchen zu schauen, endlich wurde uns die Erfüllung dieses Wunsches, und wir waren – recht befriedigt. Wie? nicht entzückt? Nein, das nicht! denn unsere Erwartung wurde nicht übertroffen. Das Stück an sich selbst, als poetisches Product, ist nicht ausgezeichnet, die Fabel eine sehr alltägliche. Zigeuner rauben ein Mädchen, welches endlich seine vornehmen Ältern wiederfindet, und sich dann mit einem ritterlichen vornehmen Jüngling verbindet, der schon früher, als sie noch in Niedrigkeit lebte, sein Herz der holden Zigeunerinn weihete. Die Sprache ist gewöhnlich. Eine komische recht ergetzliche Person darin ist ein alter Haushofmeister, welcher von Herrn Koch sehr brav dargestellt wurde. Preziosa selbst wurde von Mad. Genast mit aller ihr eigenen Anmuth gegeben. Gefühl, Anstand und Grazie waren in ihrem Spiel auf das Glücklichste vereinigt, ihr Tanz höchst reizend, so wie ihr Costüm äußerst geschmackvoll. Sie wurde gerufen. Mad. Schmelka als Wiarda war vorzüglich zu nennen. Herr Stein als Don Alonzo leistete alles, was er in dieser an sich unbedeutenden Rolle thun konnte. Er steht als glücklicher Liebhaber zuweilen recht unglücklich da, und erscheint als Nebenfigur. Decorationen, Costüm und Tänze sind ausgezeichnet zu nennen. Besonders war die Schlußdecoration sehr malerisch und die Beleuchtung brachte eine reizende Wirkung hervor. Das Vorzüglichste des ganzen Drama’s ist wohl die Musik von Carl Maria v. Weber. Genialität, Anmuth und Empfindung sind in diesen Tönen auf das glücklichste verschmolzen. Von den zahlreich versammelten Zuschauern wurde unserm allgeliebten Monarchen ein freudiges Lebehoch! gebracht. […]
[…]X. Y. Z.
Apparat
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Amiryan-Stein, Aida
Überlieferung
-
Textzeuge: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, Jg. 8, Nr. 39 (1. April 1823), S. 322–324