Aufführungsbesprechung Berlin: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber im Mai 1821 (Teil 1 von 2)

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Aus Berlin. (Fortsetzung.)

Eine Gefälligkeit andrer Art ist in der hiesigen Spenerschen Zeitung unserm Wolff bei Gelegenheit seines neuen Schauspiels: Preciosa, erwiesen worden. Die Gefälligkeit eines dithyrambischbachischen Lobes für ein wässeriges Spektakelstück.

Ich kann bei dieser Gelegenheit nicht umhin, auf eine kleine Broschüre zu kommen, die hier ein Hr. Köchy über die deutsche Bühne herausgegeben hat.* In diesem interessanten Schriftchen, welches mehrere sehr brauchbare Winke für Bühnendirigenten und Schauspieler enthält, dessen kunsttheoretischer Theil indeß mir nicht zu Danke über das Verhalten zwischen Sprache und Plastik bei einem mimischen Kunstwerke | handelt, – in diesem Schriftchen findet sich der sonderbare Wunsch ausgedrückt, daß die Theaterkritik den Schauspielern ausgeliefert werden möge. Als Grund dafür wird die Feindseligkeit angegeben, die bei einer gänzlichen Trennung der Personen des Kritikers und des Künstlers sich so leicht in den Recensionen zeige, und die das Talent entmuthige. Es bedarf nun gar nicht einmal des Raisonnements, um die Unhaltbarkeit dieser Idee zu beweisen, sondern ich verweise nur auf das Beispiel, welches die Spenersche Zeitung seit einiger Zeit aufstellt. Hier recensiren wirklich die Schauspieler selbst ihr Spiel, wenigstens durch das Medium eines ihren Personen ergebenen Kritikers. Es ist damit so weit gekommen, daß die etwanigen Leser dieser Kritiken nur noch die Verschiedenheit der bombastigen Wendungen bemerken, mit denen dasselbe ungemessene Lob an Mittelmäßige und Gute gleich verschwendet wird. Zudem hat der in Rede stehende Kritiker die Entdeckung gemacht, daß die Welt beginne, ganz romantisch zu werden, und so kann er freilich am bequemsten allerlei Volk für Lieblinge des neuen Geschmacks erklären, denn fur das Romantische gibt es bekanntlich keine Aesthetik. – Ei! ei! Herr Köchy, nehmen Sie jetzt Ihren Vorschlag nicht zurück?

Daß Wolff auch als romantischer Dichter gelobt werden mußte, versteht sich nun von selbst, schon weil die Aesthetik gar keine Anwendung auf sein Stück findet.

Wer Alles zur Preciosa sein Scherflein beigetragen, ist kaum zu berechnen; des Requisitenmeisters recipe hat indeß gewiß den tiefsten Antheil, und dem Verfasser gehört nur die Anordnung des Gebrauchs der Kleider, Blumen, Gruppen u. s. w.

Das, was bei andern Stücken Inhalt heißt, hier aber nur Nebensache ist, ward aus einer spanischen Novelle entlehnt, und dreht sich um ein Zigeunermädchen, die von ihren Aeltern nach einigen Kreuz- und Querzügen wieder erkannt wird. Sie zeigt vorher ihre Talente auf den Märkten spanischer Städte, und erhält dadurch Gelegenheit, melodramatisch zu deklamiren, wahrzusagen, zu tanzen, zu singen u. s. w. u. s. w.; kurz, sie übt von den öffentlichen Künsten alle, außer etwa dem Seiltanzen. Dazwischen das Lager der Zigeuner – ihr Haushalt, wie das in der Bildergallerie für Kinder beschrieben steht – spanische Feten – Berge – Lampen – Blumen – Mondschein – Kessselpauken – illuminirte Ananas – und wenn Alles das denn doch gar zu kraus steht und den Publikum die Geduld ausgeht, kommt der Besänftiger aus Tiek’s gestiefeltem Kater und macht Musik. Dieser Besänftiger ist Maria von Weber, und mit wahrer Bescheidenheit hat er großentheils darauf Verzicht gethan, eignes zu komponiren, sondern die „Blinden von Toledo“ wacker bluten lassen.

(Der Beschluß folgt.)

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Amiryan-Stein, Aida

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 21, Nr. 89 (7. Mai 1821), Sp. 710–711

Textkonstitution

  • „etwanigen“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… die deutsche Bühne herausgegeben hat.“Karl (Georg Heinrich Eduard) Köchy, Ueber die deutsche Bühne, Berlin: Duncker & Humblot, 1821.

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