Aufführungsbesprechung Wien, Burgtheater: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber im August 1825

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(Hoftheater nächst der Burg.) Präciosa. Nur einer so talentvollen und beliebten Künstlerinn, wie Dlle. Müller, konnte es gelingen, der ersten Repräsentantinn dieser Rolle auf der k. k. Hofbühne, deren gelungene Darstellung einen so lebhaften Eindruck auf das schaulustige Publicum erregte, den Preis nicht nur streitig zu machen, sondern abzuringen*; jeden Maßstab des Vergleiches, den man, wie gewöhnlich, mit kritischer Um- und Ansicht anzulegen bereit war, zu ihrem Vortheile zu wenden und die kleinen Disharmonien, die sich bey der frühern Darstellerinn fanden, in reine Harmonie aufzulösen. Das seit längerer Zeit verdiente Wohlwollen des Publicums, und die Überzeugung, daß das Talent der Dlle. M. uns einen vorzüglichen Genuß verschaffen werde, sprach sich in dem bey ihrem ersten Erscheinen anticipatim erhaltenen Beyfall lebhaft aus, und schien zugleich von Seite des Publicums Bürgschaft zu leisten, daß dasselbe durch keinen frühern Eindruck bestochen, sich in keiner Beurtheilung unpartheyisch finden lassen werde. Schon die erste melodramatische Scene rechtfertigte sowohl die Erwartung als den früher gespendeten Beyfall; indem sie mit einem Ausdruck und mit einer Tiefe des Gefühls vorgetragen wurde, welche die Zuhörer unwillkürlich, selbst bey Stellen, die früher unbeachtet blieben, zu wiederholten Beyfallsbezeigungen hinriß. Dieser Fall wiederholte sich durch alle vier Aufzüge, und wenn Dlle. M. das Launige dieser Rolle, oder die wenigen Stellen, die einen komischen Anstrich zu vertragen scheinen, weniger lebhaft hervorhob als ihre Vorgängerinn, so kann dieß nur zu ihrem Lobe gereichen, da dadurch mehr Einheit in die Rolle gebracht, und der Character, mit Verschmähung aller, um Beyfall zu erringen, sich darbiethenden vortheilhaften Gelegenheiten, mit festen Grundzügen gezeichnet, und in den kleinsten Nuancen bis zum Ende durchgeführt wurde, was, ohne der frühern Darstellerin zu nahe zu treten, sonst der Fall nicht war, indem die Rolle in zwei Theile, in den launigen und sentimentalen zerfiel, wovon der erstere, von der liebenswürdigen Persönlichkeit der Darstellerin erzeugt, bisweilen zu vorherrschend, dem zweyten Eintrag that.

Was den Gesang betrifft, so hat Dlle. M., deren angenehme, vom Herzen kommende und zum Herzen dringende Stimme dem Publicum schon oft Vergnügen gewährte, Jedermann zufrieden ¦ gestellt, und sie und das Orchester, das sich durch schönes, reines Accompagnement an diesem Abende vorzüglich auszeichnete, standen in der gelungensten Wechselwirkung und trugen Weber’s liebliche Melodien ganz fehlerfrey vor. Nur den Tanz im ersten Acte blieb uns Dlle. M. schuldig; den man aber gar nicht vermißte, da er nicht wesentlich nöthig ist und man ihn selbst in diesem Falle bey der Vollendung des Übrigen leicht missen konnte. Allein als Schauspielerinn hat Dlle. M. in dieser Rolle die eigensinnigsten Forderungen erfüllt, und der anhaltende Beyfall bey der Stelle im dritten Acte: „Hat mit Gaben und Talenten mich Natur nicht reich geschmückt?“ war das ehrenvollste Zeugnis für ihr Talent und die Anerkennung desselben von Seite des Publicums. Wäre nicht nach den Theatergesetzen das Vorrufen engagirter Mitglieder verbothen, so hätte Dlle. M., nach dem erhaltenen Beyfalle zu schließen, nach dem dritten und vierten Acte erscheinen müssen.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Aida Amiryan-Stein

Überlieferung

    Einzelstellenerläuterung

    • „… streitig zu machen, sondern abzuringen“S. Müller spielte die Partie im Burgtheater erstmals am 4. August 1825; zuvor war die Partie viermal (22., 24., 26. und 29. Juni 1825) von A. Neumann als Gast gegeben worden.

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