Ida Jähns an Adolf Borbstädt in Danzig
Berlin, nach Samstag, 30. Dezember 1848

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[…] Wilhelm hat Sonntags alle vierzehn Tage eine musikalische Matinee, in der gegen vierzig Personen singen. Das erfordert natürlich auch immer allerlei Vorarbeiten mit den Noten oder auch Proben. Ferner wird jetzt die Partitur des Freischützen gestochen*, und Wilhelm macht die Korrekturen, die eine wahre Riesenarbeit sind, da in dem höchst bedeutenden Werk jede Note verglichen werden muß mit der Originalpartitur, die er zu diesem Zweck in Händen hat. Der Stecher ist ihm gewaltig auf den Fersen, weil schnell gearbeitet werden soll. Dessen ungeachtet kommt er am Tage fast nie an diese Arbeit, sondern abends nach 10 Uhr, wenn er von den Stunden kommt, auch wie oft erst um 12 oder 1 Uhr nach einer Gesellschaft geht er an dieselbe. Haben Sie denn von Wilhelms Lied „Germania“* gelesen, von dessen Lobe die Zeitungen voll waren?* Gewiß haben Sie!

Wilhelm hatte es Wrangel* zugeschickt, und die alte Exzellenz hat ihn infolgedessen zweimal zum Speisen auf das Schloß eingeladen, wo er sein Lied vor einer auserlesenen Gesellschaft mit vielem Beifall vorgesungen hat. Auch dem König und der Königin hat es Wilhelm überreichen lassen, und ist dann nach Potsdam auf das Schloß berufen worden*, wo er es ebenfalls den hohen Herrschaften hat singen müssen. Es hat auch dort großen Beifall gefunden, der König wie die Königin sind beide überaus freundlich und liebenswürdig gewesen, namentlich der Erstere. „Superbe, superbe“, hat er immer dazwischen gerufen, und am Schluß gesagt: [„]Das haben Sie ja in einer wahren Begeisterung komponiert.“ Wilhelm mußte zur Tafel dort bleiben und beim Abschied sagte ihm der König: „Ich danke Ihnen recht sehr, Jähns, Sie haben mir eine große Freude gemacht. Ich muß Ihnen sagen, ich bin entzückt, diese Bekanntschaft gemacht zu haben.“ Was sagen Sie nun, lieber Borbstaedt? Kann man mehr verlangen oder erwarten? Auch die „Königskugel“* hat Wilhelm an dem Abend vorgesungen. Darauf ist er schon einmal wieder beim Könige gewesen und hat ihm ein Soldatenlied, was Löwe komponiert hat, vorgesungen, und was der König zu hören wünschte. Auch da ist er wieder äußerst liebenswürdig behandelt worden. […]

Apparat

Zusammenfassung

Bericht über die Editionsarbeiten an der Freischütz-Partitur und über musikalischen Darbietungen von F. W. Jähns bei Friedrich von Wrangel und bei Hofe im Potsdamer Schloss

Incipit

… Wilhelm hat Sonntags alle vierzehn Tage eine musikalische Matinee

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler

Überlieferung

  • Textzeuge: Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 314f.

    Einzelstellenerläuterung

    • „… die Partitur des Freischützen gestochen“Der Partitur-Erstdruck erschien bei Schlesinger in Berlin erst im Sommer 1849 (PN: S. 3512.; ausgeliefert laut Schlesinger-Nova-Verzeichnis im Juli, laut Hofmeister-Monatsbericht im August 1849).
    • „… denn von Wilhelms Lied Germania“Lied für Singstimme und Klavier op. 36, komponiert am 8. Dezember 1848, Erstdruck bei T. Trautwein (Guttentag) in Berlin (ohne Verlagsnummer).
    • „… Lobe die Zeitungen voll waren?“Vgl. u. a. die Notiz von Ludwig Rellstab in der Königlich privilegirten Berlinischen Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Beilage zu Nr. 302 vom 25. Dezember 1848.
    • „… Wilhelm hatte es Wrangel“Friedrich von Wrangel (1784–1877), ab 1849 Gouverneur von Berlin (nach der von ihm befehligten Niederschlagung der Revolution in der Stadt).
    • „… auf das Schloß berufen worden“Laut dem heute verschollenen Tagebuch von Jähns am 30. Dezember 1848.
    • „… oder erwarten? Auch die Königskugel“Patriotische Ballade für Bariton und Klavier, Erstdruck 1844 bei T. Trautwein (Guttentag) in Berlin (Verlagsnummer: 65).

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