Wilhelm Gleichmann vermutlich an Eduard Krell in Meiningen
Salzungen, Mittwoch, 5. Februar 1862

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Hochgeehrtester Herr Oberbürgermeister.

Auf Ihre geehrte Zuschrift vom gestrigen Tage, welche mir heut morgen zugegangen ist, beeile ich mich, über die in beiliegendem Briefe des H. Reg. Raths v. Weber enthaltenen Fragen nach dem Aufenthalte Carl Maria von Weber’s in Hildburghausen und die betreffenden Persönlichkeiten, so viel mitzutheilen, als ich – auch nur aus den Äußerungen meines seligen Vaters, Hinzufügung von Jähns: Johann Andreas Gleichmann – Herzogl. Musikdirector in Hildburghausen, geb.: zu Bockstädt 1775 – gest. zu Meiningen 1842. da ein Zeitraum von 65 Jahren dazwischen liegt – mich noch erinnern kann, und bedaure, daß dies in Betreff der Hauptfrage auch nur sehr wenig ist, ja nicht mehr, als dem Herrn Sohne des berühmten C. M. v. Weber schon bekannt sein wird.

Ich weiß nur, daß dieser einige Jahre mit seinen Eltern in Hildburghausen sich aufgehalten und während dieser Zeit Unterricht im Clavierspiele und im Generalbasse bei Heuschkel Hinzufügung von Jähns: Johann Peter Heuschkel geb. zu Harras bei Eisfeld, 4. Janr 1773 † zu Bieberich 1853. gehabt hat. Als was und in welchen Verhältnissen der Vater des berühmten Tondichters, der damals noch Knabe war, in Hildb. gelebt hat, darüber habe ich nichts erfahren. Von den im Briefe des Hn. v. Weber genannten Personen, mit welchen dessen Großeltern befreundet waren, ist nur der Diakonus, nachheriger Hofprediger Pistorius bekannt, dessen Wittwe ich als Knabe noch persönlich gekannt habe. Von den Übrigen – Hauptmann von Freiberg, Buchhalter Frühwirth u. Jägermeister Kobelt habe ich nie etwas gehört, glaube aber bestimmt zu wissen, daß von den Familiengliedern derselben Niemand in Hildburghausen lebt.

Heuschkel war damals, als C. M. v. Weber bei ihm Unterricht hatte, Organist an der Schloßkirche und Mitglied der Hofkapelle, deren Director zu gleicher Zeit mein seliger Vater war. Beide waren Kindheits- und | Jugend-Genossen, so wie Studiengenossen und Collegen bis zum Abgange Heuschkel’s nach Bieberich. –

Johann Peter Heuschkel war der Sohn des Schullehrers in Harras, dessen Schule auch mein Vater Joh. Andreas Gleichmann, Sohn des Müllers J. Nic. Gleichmann in der Bockstädter Mühle, besuchte. Beide Knaben zeigten schon frühzeitig Talent und Neigung zur Musik und wanderten deshalb noch vor ihrer Confirmation wöchentlich einige Male mit einander nach Eisfeld, wo sie beim Stadtmusikus Unterricht im Violinspiel erhielten. Nach ihrer Confirmation – Heuschkel 14, mein Vater 13 Jahre alt – kamen beide nach Hildburghausen, wo sie bei dem damaligen Organisten Hummel Unterricht im Generalbasse genossen und Heuschkel später Oboe-Bläser wurde, mein Vater Violinspieler blieb. Beide traten zu gleicher Zeit in die Hofcapelle ein, Heuschkel 19, mein Vater 18 Jahre alt, und als der damalige Capellmeister Schneider Hildburghausen ein Jahr später verließ, schwankte man zwischen beiden in der Wahl seines Nachfolgers, die auf meinen Vater fiel. Heuschkel wurde Kammermusikus und Hoforganist und, da er ein gewandter Clavierspieler war, bald der Lehrer der Herzogl. Prinzessinnen im Clavierspiele, insbesondere der jüngsten, der nachherigen Herzogin von Nassau. Einige Zeit nach der Vermählung dieser Prinzessin zog Heuschkel auf den Wunsch derselben nach Bieberich – im Jahre 1815 oder 1816 – wo derselbe hauptsächlich als Musiklehrer am Hofe beschäftigt war und die musikalischen Productionen im Kreise der Herzogl. Familie leitete, so viel ich weiß. Doch darüber wird Ihnen der Schwiegersohn Heuschkel’s, mein Freund und Vetter Dilthey in Bieberich, Näheres bereits mitgetheilt haben. Heuschkel hat sich nach Erscheinen des neuen Hildburghauaer Gesangbuchs (des jetzt noch im Gebrauch befindlichen) durch Redaction des dazu gehörigen Choralbuches, welches auch eine Anzahl neuer Melodieen von ihm selbst enthält, großes Verdienst erworben und hat außerdem viele kleinere Klaviercompositionen, insbesondere für den Unterricht im Klavierspiel her|ausgegeben. Auch für die Verbesserung des Kirchengesanges u. Choralbuches im Nassauischen ist er so viel ich weiß, thätig gewesen. Er blieb bis in’s hohe Alter sehr rüstig und geistesfrisch und ist im 82sten oder 83sten Jahre etwa vor 8 bis 9 Jahren zu Bieberich gestorben. Verheirathet war Heuschkel mit der Tochter des Cammer-Amtmanns Bartenstein in Königsberg, der Schwester meines Schwiegervaters, des verst. Hofraths Dr. Bartenstein in Hildburghausen, von welcher ihm zwei Töchter geboren wurden, von denen die ältere eine recht gute Klavierspielerin, die jüngere, Diltheys Frau, eine recht gute Sängerin geworden ist.

Dies ist Alles was ich von den Lebensverhältnissen der betreff. Personen anzugeben weiß. – Die einzigen Personen, welche über den Aufenthalt C. M. v. Weber’s u. seiner Eltern in Hildburgh. vielleicht noch einige genaue Angaben machen können, dürften wohl Hr. Postmeister Helm und Hr. Wilh. Scheller, vielleicht auch Hr. Hofmaler Kessler sein (oder Forstcommissär Gleichmann in Harras.)

Indem ich nochmals bedaure, daß ich nur so dürftige und vielleicht schon bekannte Mittheilungen zu machen im Stande bin, verharre ich hochachtungsvollIhr
ergebenster
W. Gleichmann

Apparat

Zusammenfassung

betrifft Heuschkel und Hildburghausen bezugnehmend auf Anfrage von Max Maria von Weber

Incipit

Auf Ihre geehrte Zuschrift vom gestrigen Tage

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Bartlitz, Eveline

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. V (Mappe XVIII), Abt. 4 B, Nr. 14 C

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S.)
    • Abschrift von F. W. Jähns

Textkonstitution

  • „die“über der Zeile hinzugefügt
  • „Hinzufügung von Jähns: … zu Meiningen 1842.“am Rand hinzugefügt
  • „Hinzufügung von Jähns: … zu Bieberich 1853.“am Rand hinzugefügt

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