Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 2. September 1817: Macbeth von Shakespeare (Teil 2 von 2)

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Macbeth. (Beschluß.)

Eines, um doch etwas anzufügen, bemerkten wir nicht, was die Britten im Spiel der großen Siddons, freilich auch nur als Kleinigkeit und by play (in ihrer Terminologie) rühmen. Nach Macbeth’s Sündenbeichte (im 5ten Auftritt des 3ten Akts) ruft die Lady:

Kommt, kommt mein König, mein geliebter Herr,Klärt Euere finstern Blicke auf, seyd heiter!

Hier berührte die Siddons mit liebkosendem Finger ihm die gefaltete Stirn und strich ihm das Haar daraus weg, ganz in dem oben bemerkten Sinne, daß sie in dieser einzigen Beziehung auch die Weiblichkeit nicht verschmähe.

Doch verweilen wir noch einige Augenblicke beim ersten Auftritt und bei der Nachtwandlerscene am Schlusse. Das Brieflesen der Lady, gleich Anfangs, ist sehr verschieden gespielt worden. Die mit Recht gefeierte Bethmann überlas ihn sogleich, und wiederholte die Verhängniß-schwangern Worte darin einmal noch lesend, das zweitemal auswendig. Dies Spiel verfehlte nie seine Wirkung. Aus den Umständen erhellet, daß es schon zu Abend düstert, wenn der Brief kommt. Lieset die Lady den Brief auf der Stelle so ist’s nach der Theaterbezeichnung noch Tag. Unsere Künstlerin findet zwei Lichter auf dem Tische stehend an dem Proscenium. Sie bricht den ihr eben vor der Thüre eingehändigten Brief auf, so wie sie auftritt, und geht, ganz im Anstand der Herrin dieses Schlosses, ohne Hast vor dem Tische, rückt sich den Stuhl und überläuft erst mit einem Schnellblicke das Blatt. Nun fängt sie an laut zu lesen. So wie das Interesse wächst, so setzt sie das Licht näher und lieset mit steigender Hebung der Stimme die Nachricht vom Königsgruß. Die zwölf folgenden Verse spricht sie mit durchbrechendem Affekt, aber immer noch sitzend. Erst bei den Worten: o eile, eile hin, übermannt sie die Ungeduld und sie springt auf. In welchem Spiel ist nun wohl mehr charakteristisches Auffassen und Sicherheit des Gelingens? In dem, wo man sich den Hauptpunkt mehrmals wiederholt, oder wo es gleich und abgethan ist? – Die Nachtwandlerin tritt mit abgemattetem, müdegequälten, vorhängendem Körper ein, doch ¦ sichern Schrittes, wie alle Nachtwandler –, wo der innere Sinn zum äußern wird. Mad. Schröder hatte mehr Fackel als Licht. Es läßt sich darüber streiten. Aber die Wirkung des Reflexes ist kräftiger so, und wir sehen so besser das unbeweglich hinstarrende Auge, das Gespenstische des ganzen Wesens. Nun kommt das berühmte Händewaschen. Ihre Sprache hat alle Artikulation, aber sie ist biegungslos starr, wie das Auge; das heißt, ganz so, wie etwa Taubstumme reden würden, die sich selbst nicht hören, und – ohne Mensur. Denn die Zunge soll hier mit der Gedankenwirre Schritt halten. Das so oft mißverstandene Eins, Zwei! nicht aufhorchend, wie es gewöhnlich wird, sondern blos zählend. Denn es soll ja nur auf jenes verabredete Zeichen sich beziehen, was die Lady dem Macbeth gab, um die Mordstunde zu bezeichnen. Um zwei Uhr ermordete also Macbeth den Duncan. Die Hölle ist sehr dunkel, als Ausrede Macbeths genommen, worauf natürlich das Pfuy doch! kommen muß. Herzzerschneidend war der wiederholte Seufzer nach der Stelle:

– Arabiens Wohlgerüche alleVersüßen diese kleine Hand nicht mehr.

Wir bemerken aber dabei, daß in allen bessern Ausgaben des Originals dieses mit der ganzen Hölle belastete oh! zweimal wiederholt wird, welches, wenn es das letztemal in leiser Ohnmacht entfliegt, noch viel größere Wirkung thun muß. Der Abgang mit dem viermaligen zu Bette! wird uns in dieser Darstellung stets unvergeßlich bleiben. Die Künstlerin spielte es mit unbeschreiblicher Auslösung, Eingesunkenheit, Ermattung zum Todtenschlaf, gespenstisch hinhuschend, aus einem Guß mit der ganzen Scene. Wir wissen, daß sie noch ganz anders und mit nicht geringer Wirkung genommen werden kann, mehr im Wahnsinn. So spielte einst Mad. Schröder*, die Frau des berühmten Roscius Hamburgs. So haben auch wir es von unserer, in dieser Rolle stets großen Beifall gewinnenden, Hartwig gesehn. Wir entscheiden nichts und erinnern nur an die alten Worte:

– viel sind der Wege,Doch einer nur ist der gerade, rechte

Böttiger.

Editorial

Summary

Aufführungsbericht Dresden: “Macbeth” nach Shakespeare von Schiller am 2. September 1817

Creation

vor 13. September 1817

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 220 (13. September 1817), f 2v

    Commentary

    • “… So spielte einst Mad. Schröder”Anna Christina Schröder (1755–1829).

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