Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Das Nachtlager in Granada” von Friedrich Kind (Teil 2 von 2) und “Trau, schau, wem?” von Karl Schall am 22. Januar 1818

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Das Nachtlager in Granada.
(Beschluß.)

Wie viel der gutmüthigen Treuherzigkeit in den Scenen mit Gabrielen Derbheit oder Zartheit beizumischen sey, läßt sich nicht, wie ein Recept, vorschreiben. Man muß so etwas schon in sich tragen. Kurz, die Rolle wurde, wo es galt, mit Adel und durchaus bieder gegeben und erndtete den Beifall des Dichters, so wie der übrigen Zuschauer. Nur die Erzählung, wie er dem Adler die Taube abgejagt, von der am Schlusse selbst versichert wird, ein Minnesänger könne sie erzählen, hätte noch etwas mehr Malerei in der Betonung und Geberdung verdient. Costüm und Decorationen wetteiferten, um das Stück auch dem Auge angenehm zu machen. Es war nirgends gespart worden. Das Jägerwams und die ganze Drapirung des Max war reich und doch nicht verrätherisch für’s Incognito. Gabrieles Anzug war ganz der einer südlichen Hirtin. Das rothe Haarnetz (die Redesilla) hätte nirgends eines Strohhutes bedurft. So unterschieden sich auch bei den Nebenfiguren die spanischen und deutschen Ritter. Die letztern waren zum Theil nach Bildern im Theurdank costümirt. Hr. Burmeister als Ambrosio, Hr. Geyer als Vasco, waren gleichfalls sprechend in der Gesichtsmaske und in der Kleidung. Nur Gomez wäre vielleicht als junger Hirte und Liebhaber etwas fantastischer zu kleiden gewesen. Wäre es bei uns, da wir oft karg im Beifallklatschen sind, wie in Wien und Berlin gewöhnlich, auch neuen, gelungenen Decorationen Beifall zu zollen, so hätten die nach Laborde und andern Mustern meisterhaft und ganz neu ausgeführten maurischen Ruinen, sowohl im 1sten als 2ten Akt, von unserm einsichtvollen Hofmaler Hrn. Winkler, diese Anerkennung ohnstreitig erhalten müssen. Der Kampf mit den Raubmördern hatte große Schwierigkeit durch die vorgeschriebnen Doppelscenen. Wäre es dem Dichter nicht so sehr um sein Theurdanks-Schwert zu thun gewesen, ein tüchtiger Schuß hätte vieles abgethan. Auch ging das Ringen mit Vasco und das Durchbcren mit dem Dolch gar nicht der Vorschrift gemäß vor sich. Mit großem Dank aber war es zu erkennen, daß Hr. Kapellmeister von Weber eine ächt spanische Musik zum Guitarre-Liedchen gegeben hatte. Das Stück wird gewiß bei wiederholter Aufführung noch gerundeter erscheinen, und viele Feinheiten werden dann, wenn die Neugierde mehr dem Kunstsinne Platz machen wird, willkommner hervortreten.

Zum Nachspiel wurde Trau, schau, wem? von Karl Schall, zum erstenmale gegeben. Der uns durch seine Theatersucht und die unterbrochene Whistparthie, die beide schon nicht ohne Beifall von unsrer Gesellschaft gegeben und in der ersten ¦ Sammlung seiner Lustspiele (Breslau, bei Holäufer 1817) auch im Druck erschienen sind, wohlbekannte Dichter besitzt ein lobenswerthes Talent für das, was wir Theatermaskerade nennen möchten, das heißt, durch possenhafte Intriguen, geschähe es auch auf Kosten der innern Wahrscheinlichkeit, lächerliche Effekte hervorzubringen. So etwas will, um nicht zur platten Farce zu werden, mit der Feinheit gespielt seyn, die man in Paris an den Vaudeville-Schauspielern so behaglich findet. Der Schauspieler muß wahren Weltton besitzen, um den falschen mit Glück und ohne Arlechinade zu persifliren. Dies dürfen wir von Mad. Hartwig als Gräfin von Sternheim und Hrn. Julius als den Grafen, ihrem Sohn, gewiß mit Zustimmung des ganzen Publikums rühmen. Der gerechteste Beifall bewillkommte die treffliche Künstlerin, als wir sie in den Garten eintreten, nein, hereinwatscheln sahen. Sie hatte sich mit wahrer Kunst nicht blos die Gesichtsmaske, sondern von oben bis unten ein recht nettes Embonpoint geschaffen, und wußte nun auch in jede Bewegung, jeden Ausdruck der vornehmen Plattituden so viel ergötzliche Selbstgenügsamkeit zu legen, daß alles so recht in Einem Guß hervortrat und, wenn es dessen erst noch bedürfte, den sprechenden Beweis führte, daß diese uns so werthe Künstlerin den entscheidendsten Beruf auch für dergleichen Rollen habe. Iffland pflegte es als das sicherste Kennzeichen einer wahrhaft gelungenen Individualisirung einer Rolle ohne Persönlichkeit anzusehn, daß der Zuschauer wirkliche Individuen, aber immer einer ein anderes, vom Künstler dargestellt zu sehen sich einbilde. Dies war mit der heutigen Darstellung der Gräfin von Sternheim vielfach der Fall. Ganz dasselbe gilt von der höchst behaglichen Manier, womit Hr. Julius den Zierbengel aus der Residenz in allen Schattirungen der selbstgefälligsten Unverschämtheit uns zurückspiegelte. Wir möchten die Attitude des sieggekrönten Brillenträgers, wie er, der Baronin gegenüber, auf der Gartenbank seine in Ruhe gelegten Füße manipulirt, als stehenden Typus dieser Bengelei gern in ein Bild gebracht sehen. Das alles wurde herzhaft belacht. Das Ergötzlichste aber war ohne Zweifel hier mancher ausgelachte Lacher. Auch der Rittmeister (Hr. Kanow), die Baronin (Dem. Schubert) und Dorchen (Dem. E. Zucker) trugen zum entschiednen Beifall, den dies fröhliche Spiel erndtet, das ihrige bei. Die angenommene Ungelenkheit des Rittmeisters war die natürlichste von der Welt. Den Depit amoureux hätte die Baronin zwar noch bedeutend beleben können, doch war dessen zur Gnüge vorhanden. Nur geben wir der liebenswürdigen Künstlerin zu überlegen, ob man wohl im geschmückten Ballkleide früh lustwandelt? Grade als wenn die Verkleidung, die nur in der Idee des gefoppten Zieraffen besteht, eine wirkliche gewesen wäre.

Böttiger.

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Das Nachtlager in Granada” von Friedrich Kind (Teil 2 von 2) und “Trau, schau, wem?” von Karl Schall. Der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe

Creation

Responsibilities

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 30 (5. Februar 1818), f 2v

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