Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Die Laune des Verliebten” von Johann Wolfgang von Goethe am 18. März 1819 (Teil 2 von 2)

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Die Laune des Verliebten.

(Beschluß.)

Unsere liebliche AmineTilly spielte die weiche, sich ganz hingebende, im Scheinzorn sogleich entwaffnete und nur immer inniger sich anschmiegende Willenlosigkeit mit der ihr eignen Gemüthlichkeit so gut, als es zum erstenmal, und vielleicht nach zwei oder drei Proben, möglich war. Wie gern fühlten die Zuschauer mit ihr, als sie Kranz und Blumengewinde dem herrischen Liebhaber zu Füßen legte, und wie freuten sich alle, als Egle und Lamon ihr den Tanzputz wieder aufnöthigten und zum Tanz entführten! Aber sie hüte sich, allzu weich zu werden. Göthe’s Stück ist rein plastisch. Wie stimmte damit solche Zerflossenheit! Etwas mehr Anlauf zur Widerspenstigkeit würde dem Hauptton des Stücks besser zugesagt haben. Sonst spielt es hinüber in’s Weinerliche, und das ist nicht einmal tragisch, geschweige idyllisch. – EgleSchaffner war auch diesmal wieder eine einnehmende Erscheinung. Auch gestattete der rein-idyllische Charakter des Stücks, der vom Dichter selbst (mit Ausnahme jedoch der hier sehr störenden Erwöhnung des Romans) in eine ideale, an die Oper grenzende schäferwelt gestellt ist, alle Künste der Toilette, des bunten Farbenreizes, der zierlichen Tanzbewegung vollkommen. Ja, wir müssen es loben, daß Egle im leichtfüßigen Tanz figurirend abging. In Weimar singt sie statt dessen! Das bringt Heiterkeit und helles Colorit. Wieland pflegte selbst im Scherz einzugestehn, daß die lieblichsten Sylphiden seiner erotischen Poesien, dem wirklichen Schäferspiel, wie er’s einst bei der Kochischen Gesellschaft in Weimar sah, abgelauscht worden wären. Blieb nun auch unsere jugendliche Gastspielerin hinter den Foderungen dieser höchst genialen Schöphfung sehr weit zurück, so mag man mehr ihre Wahl, als die gewiß verdienstliche Bestrebung tadeln. Noch fehlt ihrer ¦ Deklamation des sehr schwierigen Alexandriners Haltung und Colorit. In der längern Tirade zu Anfang entbehrte die helle Stimme der Pause und Biegungen, wurde also oft eintönig, ohne Wohllaut. Egle ist freilich die ältere, gewitzigte Schäferin. Sie belehrt die Jüngere. Sie muß aber mit häufigen Pausen, immer forschend, was ihre Lehre für Eindruck macht, immer innehaltend, Regel auf Regel, im einschmeichelnden Tone bemitleidender Freundschaft einflistern, nicht einpredigen. Da es ihr nicht gelingt, muß der Ton nicht geschäft – das wäre ja zänkisch, – sondern durch Ironie der Gebehrde unterstützt, nur schlakhaft munter seyn. Die bedeutende Gebehrde darf hier sehr malerisch werden. Wie muthwillig hätte die Mimik bei den Worten seyn können:

wenn einer sich mit Dir in muntern Reihen kreiset,Dich zärtlich an sich drückt und Liebesworte säuselt!

Die alles entscheidende Triumphscene, wo sie dem Eridon verstellt in die Arme sinkt und ihn zum Kuß bringt, um ihn zu beschämen, kann nur durch die genaueste Anschmiegung des Spiels an die malende Schilderung des Dichters, und durch ein Doppelspiel, wo der Zuschauer sieht, was Eridon nicht ahndet, daß sie das Entzücken nur affektire, vor Mißverstand gerettet werden. Alle Hinneigung zur Wirklichkeit wird zweideutig, bringt, wie Jean Paul von solchen Situationen sagt, die Schlange in’s Paradieß. Wir können hier nur andeuten! Aber Dem. Schaffner wird sich selbst am besten die Doppelseitigkeit dieser Aufgabe vergegenwärtigen, und sich bewußt werden, wie viel bei dem rauschenden Beifall, der ihr gezollt wurde, dem Dichter, wie viel ihrer Kunst gebührte. Recht schön und mit sprechendem Ausdruck in Augen und Mienen wurden von ihr die Schlußverse gesprochen. Uns mag aber der Wunsch verziehen werden, diese Egle recht bald von einer vollendeten, uns hoffentlich ganz und auf immer zugehörenden Künstlerin dargestellt zu sehn!

Böttiger.

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Die Laune des Verliebten” von Johann Wolfgang von Goethe am 18. März 1819 (Teil 2 von 2). Der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 78 (1. April 1819), f 2v

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