Rezension: Neue Berliner Kostüme (Teil 2 von 2)

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Neue Berliner Theater-Kostüme.

(Beschuß)

Es war wohl ein großer Unfall, als im Sommer 1818 das Berliner Theater mit seiner ganzen Garderobe ein Raub der Flammen wurde. Indeß entsprang daraus auch zufällig manches Gute. Es fehlte den prächtigsten Kostümen vorher oft die innere Uebereinstimmung. Diesen Vorwurf trifft nun das, was an seiner Stelle getreten ist, gewiß nicht. Man kann sagen, hier ist alles im Einklange, aus einer und derselben Zeit herausgegriffen. Wie genußreich für jeden, der Sinn dafür mitbringt, wie unterrichtend für bildende Künstler und für die Zuschauer überhaupt. So ist, was den 5ten Heft erfüllt, das Kostüm der Zauberflöte auch da, wo man | der modernen Schicklichkeit ein Opfer bringen mußte, vieles verständig der alt-ägyptischen Sitte aus Denon und andern Werken angepaßt. Zwar wird der Kenner selbst in Sarastros Untergewändern mehr die weibliche Form, die Tunika aufzuschürzen, als ein männliche Tracht finden, und dem Herausgeber vollkommen Recht geben, wenn er selbst erinnert, daß Pamina gar zu modern hier im Bilde gerathen sei; allein die übrigen Figuren ägyptisiren alle mehr oder weniger, dem Antiquar zur Freude. Und doch verweilt jeder gern bei diesen Formen. Eine sehr lerreiche Vergleichung bieten die durch den 6ten und 7ten Heft durchgehenden Kostüme zur Jungfrau von Orleans, wie sie jetzt auf der Berliner Bühne erschienen, mit den früheren, die in den 22 Heften der Berliner Kostüme, welche von 1802–1812 erschienen *) abgebildet sind. Jeder Unbefangene wird zugestehn, daß, wo in den früheren so vieles unbestimmt und willkührlich war, hier alles nach alten Mustern, wie sei besonders in dem schönen Werke Trèsor des antiquités e la couronne de France zu finden sind, aufs strengste nachgebildet wurde. Nur die einzige Figur, die dem Dichter selbst nie Glück gebracht hat, die Isabeau, will auch hier nicht ganz befriedigen. Wahr und schön sind auch im 8ten Hefte die meisten Kostüme aus dem Lieblingsstücke, der Donna Diana, welche hier dreimal in veränderter Kleidung erscheint.

Einen entschiedenen Vorzug behaupten diese neuen Kostüme auch dadurch, daß, was in der frühern Sammlung oft schmerzlich vermißt wurde, hier jedem Hefte eine genaue Beschreibung jeder einzelnen Figur beiliegt. In diesen Erklärungen zeigt sich überall die Gelehrsamkeit und der Geschmack des Kenners, der es nirgends an Winken fehlen läßt, welche auch auf andere Kostüme in anderen Stücken ihre volle Anwendung leiden, und der die Quelle, aus welcher er schöpfte, gewissenahft andeutet. Dieß erhöht die Brauchbarkeit ungemein. Man weiß nun die Gründe der Wahl, man darf selbst mit urtheilen. Der gewöhnlichen Schneider- und Kostümier-Weisheit unserer Garderobenmeister bei den Theatern würde eine solche Rechenschaft in großen Tropfen Anstschweiß auspressen.

Aber diese Erzeugnisse des kundigen Trachten-Erfinders diese in schöner Uebereinstimmung in Form und ¦ Farbenwahl wohlgepaaren beweglichen Gestalten im Vorgrunde bedürfen auch einen ganz angemessenen, dazu im vollen Einklang stehenden Hintergrund des Gemäldes. Dieß ist die Sache der Decorationsmalerei. Beides fein vereinigt und verschmolzen hindert am besten, daß der Zuschauer von der Hauptsache, dem Dichterwerke, nicht zur Nebensache, dem bloßen Theaterprunke, hingezogen werde. Nichts schreit hervor, alles wirkt zum gemeinsamen Zweck. Mag auch die Menge anfangs nur kommen, um die schönen Anzüge und Scenerieen anzuschauen. Nach und nach werden selbst aus den Gaffern Zuschauer, und es ist ein tröstliche Bemerkung, die der Vorredner einstreut, daß man neuerlich auf der Berliner Bühne oft die Erfahrung machte, daß ernste Stücke, mit Sorgfalt im Aeußeren ausgestattet, weit mehr besucht wurden, als Lustspiele und – verführerische Springerkünste.

Es wird unsern Lesern angenehm seyn zu erfahren, daß bereits der erste Heft der Decorationen auf dem königl. Theater in Berlin, sechs herrliche Blätter in Imperial-Folio, erschienen sind. So werden neidlos Schinkel’s geistreiche Ideen dem ganzen deutschen Publiko vorgelegt. Wir versparen eine ausführliche Anzeige so wohl von diesen Decorationen, als von sechs trefflichen Blättern des wackern Beuther in Braunschweig, auf ein anderes Mal, und wünschen indessen dem muthigen Verleger, der im Verhältniß sehr billige Preise fodert, viel Aufmunterung von Seiten bemittelter Kunstfreunde, wie Prag, Wien, München und Darmstadt deren es so viele und so achtbare zählt.

Böttiger.

[Original Footnotes]

  • *) Alle 22 Hefte sind bei Wittich jetzt um den Preis von 30 Thlr. zu haben, welches für 175 sauber colorirte Blätter in der That ein billige Foderung ist.

Editorial

Summary

Neue Berliner Kostüme (Teil 2 von 2)

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 278 (20. November 1819), f 1r

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