Rezension: Neue Berliner Kostüme (Teil 1 von 2)

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Neue Berliner Theater-Kostüme.

Es erscheinen gegenwärtig in Berlin zwei Werke für Theater-Decorationen und Theater-Kostüme, welche mit dem Besten, was Paris in glänzendern Zeiten in diesem Fache aufstellt, nicht nur in Absicht auf die verständige ausführung vollkommen die Vergleichung aushalten, sondern auch in kundiger Forschung und kritischer Auswahl weit über sie stehn. Wie angenehm ist diese Erscheinung! Wir haben jetzt 18 größere Schaubühnen deutscher Zunge, auf deren jeder eigene Theater-Decorationen und Kostüme erfunden und ausgeführt werden. Aber wie lächerlich sind hier oft die Mißgriffe. Mit einigen alten Büchern und Reisebeschreibungen ist die Sache warlich nicht abgethan. Wie mühsam ist das Zusammenbringen, wie kostbar die Anschaffung der Hülfsmittel! Und hat man sie auch alle zur Hand, wie viel Kritik, wie viel Uebung des Auges und Schönheitssinnes gehört dazu! Was heißt überall das Uebliche!

Ist irgend ein Ort reich an Materialien zur Bestimmung des Kostüms aller Zeiten und Völker, so ist es Dresden. Für die alte Welt sorgen unsere Antiken und Mengsischen Gypse. Wir besitzen in der größern Herculanerin und in der athenischen Canephore die zwei Musterstatuen für die Bekleidung der Griechinnen und im Meng’sischen Museum in den sitzenden jüngern Agrippine ein Vorbild der römischen Matronentracht, gegen 50 andre Statuen, die alle das Studium des Kostüms fördern, nicht zu rechnen. Die Gemäldegallerie und der zweite Theil dazu, der Kupferstichsalon, bieten Stoff in Ueberfluß zu dem reichsten Trachtenbuch, was wohl je gemacht werden könnte. Für Bewaffnungen, Wappen- und Waffen-Röcke und das ganze Turnierwesen hat unsre Rüstkammer einen unerschöpflichen Reichthum. Vorzüglich aber liefert die viel zu wenig gekannte Kunstkammer auch für die Trachten des 16ten und der folgenden Jahrhunderte die lehrreichsten Belege. Es ist neuerlich wieder viel die Rede von dem ächten Bilde Wallensteins gewesen. Man erkannte dem im Schlosse zu Friedland in Böhmen befindlichen, von Bergler in Prag gestochenen, Porträt auch wegen des Kostüms den Preis zu. Wir besitzen hier in der Kunstkammer drei herrliche, übereinander hängende Mignaturbilder Wallensteins, im Jugendalter, in voller Mannskraft und in reifern Jahren, die wohl längst ¦ alle drei in Kupfer gestochen zu werden verdient hätten, da auch sie der Ehrenketten und des Kostüms wegen ein ganz besonderes Interesse haben. Ein Trachtenbuch aus den Dresdner Kunstsammlungen würde gewiß in ganz Deutschland willkommen seyn!

Bis so etwas bei uns erscheint, wollen wir es mit Dank erkennen, daß was jetzt bei dem königl. Theater in Berlin mit so verständiger Auswahl für das Uebliche auf dem Theater geordnet und geschmückt wird, durch besondere, zweckmäßig ausgeführte Werke zur Kenntniß des ganzen Publikums kommt. Der erste Band der neuen Berliner Kostüms ist nun mit dem 8ten Hefte in 64 colorirten Blättern vollendet und damit schon etwas Vollständiges ausgeführt. *) Mit vollem Rechte ziert den Titel dieses Bandes das sprechend ähnliche Porträt des jetzigen General-Intendanten des Königl. Schauspiels in Berlin, des Grafen Carl Brühl von Buchhorn und Bollinger. Sein Verdienst allein ist es, daß die Berliner Bühne jetzt musterhaft auch in Kostümen ist. Auch würde ohne seine Unterstützung und Zuthun diese Sammlung so nicht haben veranstaltet werden können. Die lesenswerthe Vorrede ist aus seiner Feder geflossen.

Manches was in dieser Vorrede bemerkt wird, scheint gegen die unverständigen Tadler gerichtet zu seyn, welche alle auf der Kostüme verwandten Fleiß lieber als ganz unnütz und unwesentlich verschreien möchten. Da bei einer so einsichtvollen Intendanz das Wesentliche, die Wahl und Besetzung der Stücke selbst, diesen Aeußerlichkeiten gewiß nicht nachsteht: so verdient der Graf die dankbarste Anerkennung, daß er auch diese Nebensache seiner ganzen Sorgfalt werth hält. Mit Recht wird in diesem Vorworte gegen die falsche Nachgiebigkeit der Directionen geeifert, da wo man alles dem herrschenden Modegeschmack fantastisch annähern möchte. "Wenn stets neu geändert, beschnitzelt, verlängert oder verengt werden soll, so möchten wir lieber alles Kostüm wegfallen lassen und auch den Lear in alter französischer Kleidung spielen. Auch hier ist Halbthun das nachtheiligste. Mancher Frau beim Theater ist vorzüglich daran gelegen, einzelne schöne Theile ihres Körpers zu zei|gen und sie würde daher, um einen schönen Arm oder Busen sehn zu lassen, lieber eine Nonne ohne Ermel und ohne Halstuch darstellen, als sich in’s Nothwendige fügen. Wie viele möchten lieber in leichter griechischen Musselin-Tunika oder fliegenden Kreppkleidern und Petinet-Ermeln, als in der Kleidung des 14ten bis 16ten Jahrhunderts erscheinen." Im Verfolge wird vorzüglich auf die vollkommenste Uebereinstimmung aller Kostüme in demselben Stücke gedrungen, auch sehr richtig bemerkt, daß die Griechen, unsere Altmeister, bei aller Einfachheit ihrer Stücke, doch in Decorationen und Kostümwesen sehr sorgfältig und glänzend gewesen, ja, daß sie die Kostüme anderer Nationen, die sie auf ihre bühne brachten, auf’s strengste beobachtet hätten. doch es verdient dieß vielfach lehrreiche Vorwort in allen Mode- und Theater-Journalen abgedruckt und jedem Theaterpersonale zur eigenen Beherzigung recht dringend empfohlen zu werden.

(Der Beschluß folgt.)

[Original Footnotes]

  • *) Berlin, bei L. W. Wittich. Jeder Heft zu 8 Tafeln lostet 2 Thlr. 12 Gr. Viele Tafeln haben zwei Bilder. Sie sind sämmtlich vom Maler Stürmer gezeichnet.

Editorial

Summary

Rezension: Neue Berliner Kostüme (Teil 1 von 2)

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 277 (19. November 1819), f 1v

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