Caroline von Weber an Ida Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Mittwoch, 21. September 1836
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Absolute Chronology
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- 1836-07-06: to Jähns
- 1832-05-06: from Hummel
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- 1836-11-25: to Jähns
- 1837-11-16: from Lichtenstein
Direct Context
Preceding
- 1836-06-21: to Jähns
Following
- 1836-11-25: to Jähns
Heute meine liebste Frau Ida. sollte es mir wohl erlaubt sein meinen Brief mit Ich anzufangen, denn recht und billig wäre es wohl wenn ich vor Allen mein langes Stillschweigen entschuldigte. Aber die halbe Zeit, der halbe Raum und die halbe Lust zum Schreiben vergeht damit, und ich denke Ihr Lieben, lasst einmal Gnade für Recht ergehen und glaubt es ohne lange Auseinandersetzung dass ich früher keine passende Zeit fand Eure lieben Briefchen zu beantworten. Sie haben mir ja auch erlaubt, gute Ida, unsere Bekanntschaft bey dem 2. Jahre anzufangen, so denk ich werden Sie auch nicht zürnen wenn ich meinen Brief ebenfalls gleich beim 2. Theile beginne.
Dass Ihr uns, Ihr guten Leute, auf unsern Berge* überall fehltet, dass wir sehr sehr oft von dem lieben Mohrenpaar sprachen; dass wir auch jetzt noch mit inniger Freude uns der Tage Eures Hierseins erinnern; das sind Dinge die sich wohl von selbst verstehen. Habt Ihr es doch auch so gut verstanden uns lieb und werth zu werden dass wir ja gar nicht anders können als mit treuer Freundschaft Euch ergeben zu sein, jetzt, und immerdar! So oft ich meinen Schrank öffne und die musterhafte Ordnung meiner Papiere sehe denke ich mit inniger Dankbarkeit des lieben Freundes der sich die kostbaren Stunden stahl um unser kleines Chaos zu lichten*, und — doch halt, da fällt mir ja eben ein beste Ida dass wir verabredeten, ich solle künftig nur an Sie schreiben, und dass ich mich folglich vor jeden Pural zu hüten habe so wie auch jeder Anrede an Ihren gestrengen Herrn Gemahl. — Es wird mir manchmal ein bisschen sauer werden, aber Wort muss man halten. Ich stelle es daher ganz Ihren Ermessen anheim beste Frau, was Sie von meinen Briefen den Mohrenmann mittheilen wollen, und ich denke er wird sich die Haare nicht ausreissen wenn er das Gekritzel nicht zu lesen braucht. So ein heimlicher Briefwechsel hat überhaupt sein Gutes, denn sehen Sie, es könnte mir ja einfallen, nach meiner löblichen Gewohnheit ein bischen zu hetzen, oder Ihnen Rathschläge zu geben zum Wohl Ihres Mannes; da ist es denn immer gut wenn er gleich so gewöhnt wird dass er nicht alles wissen will, und brummt er auch anfangs so machen Sie sich nur nichts draus, nach und nach fügt er sich schon.
Dass Sie mein fleissiges Frauchen schon alle Strümpfe Berlins, die sich nur wollten aufrüffeln lassen, schon aufgerüffelt haben, bezweifle ich nicht, und ich erwarte demnächst einen grossen Transport um unsere armen gebirgs Weber für den Winter in Nahrung zu setzen, auch die Zunft der Wattemacher sieht ihrer Sendung mit Sehnsucht entgegen. Ich bin leider zu all den hübschen und nützlichen Arbeiten noch nicht gekommen denn mich erwarteten in der Stadt 1000 andere Beschäftigungen die zwar nützlich aber keineswegs angenehm waren —. Nun Gott Lob! sind sie überstanden! Ihr, immer noch getreuer Anbeter, Alex, schrieb gleich nach Empfang Ihres Briefs, inliegende, geistreiche Epistel*, aber Max hat der Mutter Natur, und schreibt am liebsten in Gedanken. Leider ist sein fataler Husten noch nicht ganz weg, und Weigel lässt ihn nun ernstlich dafür brauchen. Ueberhaupt verlieren sich die schönen Früchte des Landlebens schon nach und nach wieder, und wie die allerliebste Pfefferkuchenfarbe schwindet, mit der wir anfangs so viel Aufsehn machten, so komen auch an deren Stelle die alten Uebelchen wieder. Ihr armer Alex leidet wieder am Magen, und hat auch häufig das Faulfieber, und ich — nein, ich will über nichts klagen. Denn hat mir der Himel nicht, den jahrelang gehegten Wunsch, erfüllt? habe ich nicht meinen guten Lichtenstein gesehen?!!! Ich kann Ihnen nicht beschreiben liebe Ida wie glücklich mich das gemacht hat!!! Ich hatte mich so auf seine Ankunft gefreut, dass ich mich wahrhaft in einen Fieberzustande befand, als nun der Tag seiner Ankunft da war, und ich meine Kinder ihm auf die Post entgegen geschikt hatte ihn zu uns zu führen. Es war mir fast so zu Muthe als müsste ich Weber erwarten. Ist es denn auch nicht ein Theil von ihm den uns Gott in diesen edlen Freunde erhalten hat? Könnte ich nicht in jeder Noth des Lebens mit innigen Vertrauen mich zu ihm wenden? Hatte auch meine rege Phantasie ihn in den Jahren unserer Trennung mit allen Schönen und Guten geschmükt; hatte sie seinem Bilde alle liebenswürdigen Eigenschaften beygesellt, so ist doch nun auch alles so erfüllt wie ich es gedacht und seine liebe Erscheinung steht mit Ihrer ruhigen Klarheit recht wohlthuend vor meiner Seele. 6 Tage war Er hier, und von Jeden hat er uns ein paar Stunden geschenkt. Dass ich ihm das recht hoch anrechne können Sie glauben, denn was, ausser dem Wunsch uns Freude zu machen, konnte diesen Mann veranlassen unsere so ganz einfache Häuslichkeit zu theilen? Viel haben wir über Max und seine künftige Laufbahn gesprochen, und auch Er findet es nöthig dass Max einmal nach Berlin kommt um selbst zu urtheilen wo sich ihm das weiteste Feld für sein Wissen eröffnet. Ja meine liebe Ida, wenn Sie auch noch so sehr erschreken, Sie müssen sich schon gefasst machen uns schon nächsten Sommer in Berlin zu sehen, und dass ich Sie da recht mit meiner Gegenwarth plagen will, habe ich mir schon vorgenommen. Doch nun auch genug für heute sonst kömmt der Brief wieder nicht mit fort,
Grüssen Sie ihren guten Mann, Vater Mutter und Geschwister recht herzlich von mir. Schreibt mir auch bald und sammelt feurige Kohlen auf mein Haupt. Lebt wohl Ihr Lieben! Gott erhalte Euch gesund. StetsEure
Carolina v. Weber.
Max grüsst 1000emal.
Editorial
Summary
erinnert sich des Besuchs des Ehepaar Jähns und dass er ihren Schrank so schön geordnet habe, berichtet schwärmerisch über Lichtensteins Besuch, sie hatte sich so gefreut, und es war ihr so, als müsste sie Weber erwarten, sie empfindet ihn als Teil von ihm; er hielt es für nötig, dass Max einmal nach Berlin kommt wegen seiner weiteren beruflichen Laufbahn
Incipit
“Heute meine liebste Frau Ida, sollte es”
Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler; Eveline Bartlitz
Tradition
-
Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
Shelf mark: Mscr. Dresd. App. 2097, 13Physical Description
- masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 14 des Konvoluts)
- 5 S.
- Vermerk am Ende: “(Empfangen 21. Sept. 1836.)”
Corresponding sources
-
MJ, S. 134–135 (Auszug)
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Weberiana 12 (2002), S. 26 (Auszug)
Commentary
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“… guten Leute, auf unsern Berge”Nach dem Dresden-Besuch des Ehepaars Jähns im Juli 1836 war Caroline von Weber mit ihren Söhnen in das Sommerquartier „hoch oben auf Bauriks Weinberg“ gezogen, wo F. W. und Ida Jähns sie nach ihrer Reise durch Böhmen Anfang August besucht hatten; vgl. Jähns, Familiengemälde, S. 134.
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“… unser kleines Chaos zu lichten”F. W. Jähns hatte offenbar 1836 erstmalig die Gelegenheit, Webers schriftliche Hinterlassenschaft durchzusehen und zu ordnen.
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“… Ihres Briefs, inliegende, geistreiche Epistel”Beilage fehlt in der Kopie.